Gescheiterte Innovationen:Was Nutzer nicht mögen

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Zunächst gescheitert: ein frühes Modell einer Mikrowelle (im Jahr 1947) (Foto: Getty Images)

Manches neue Produkt beantwortet Fragen, die längst keiner mehr stellt. Technikhistoriker Reinhold Bauer kennt viele Gründe, an denen gut gemeinte Innovationen scheitern. Ein Gespräch über Science-Fiction-Filme, trügerische Nutzerbefragungen und den Transrapid.

Von Mirjam Hauck

SZ: Herr Bauer, das Bildtelefon von AT&T war in den 1970er ein richtiger Flop, heute telefonieren Nutzer am Bildschirm via Skype. Muss man einfach nur lange genug warten, bis sich radikale Innovationen durchsetzen?

Reinhold Bauer: Tatsächlich haben sich in den vergangenen Jahrzehnten technologische und kulturelle Rahmenbedingungen geändert. Dennoch ist die Bildtelefonie nach wie vor ein Nischenmarkt. Mit ihr lässt der Nutzer tiefe Einblicke in seine Privatsphäre zu. Und selbst in die Büros und auf den Schreibtisch wollen sich die Leute nach wie vor nicht gerne schauen lassen. Die Kultur der Privatheit hat sich hier offenbar bei weitem nicht so aufgelöst wie manchmal angenommen.

Warten hilft also doch nicht?

Es gibt Fälle von zunächst gescheiterten Innovationen, die Jahrzehnte später sehr erfolgreich wurden, etwa die Mikrowelle. Ende der 1940er Jahre von einem Rüstungsunternehmen entwickelt, wollte sich keine Hausfrau die klobigen und teuren Geräte in die Küche stellen. Zudem bestand in den meist traditionellen Familienstrukturen kein Bedarf für eine Rationalisierung des Kochens. Im Laufe der 50er Jahre verschwanden sie daher komplett vom Markt. In den 1980er Jahren wurden die nun kleineren und günstigeren Geräte ein Riesenerfolg. Heute steht in etwa drei Viertel aller deutschen Haushalte eine Mikrowelle.

Um nicht zu scheitern, investieren Unternehmen in Marktforschung, inszenieren große Werbekampagnen.

Ja, aber Nutzerbefragungen sind oft trügerisch. Umfragen von AT&T zufolge wurde das Bildtelefon seinerzeit von den Kunden sehr gewünscht. Man kannte es ja bereits aus vielen Science-Fiction-Filmen. Und auch die ersten Pressereaktionen waren euphorisch. Dennoch war das Gerät ein Flop.

Technikbegeisterung ist also nicht wichtig für den Erfolg eines Produktes?

Im Gegenteil, Technikbegeisterung sorgt eher dafür, dass Probleme verdrängt werden. Aber es ist immer ein Bündel von Ursachen, die Innovationen scheitern lassen.

Welche sind das?

Erwartungsgemäß können das zum Beispiel technische Probleme sein, wobei unglücklicherweise Tests im Innovationsprozess häufig fehlerhafte oder falsch interpretierte Ergebnisse bringen. Auch übergroße Konkurrenz kann zum Scheitern führen, genauso wie die Fehleinschätzung von Nutzerbedürfnissen. Ein Problem ist es auch, wenn Innovationen zu weit weg von gewohnten Nutzungsroutinen sind. Nutzer mögen es nicht, wenn sie eine große mentale Anpassung leisten müssen.

Reinhold Bauer ist Professor für Technik-Geschichte an der Universität Stuttgart. (Foto: oh)

Also lieber kleine Innovationsschritte?

Sie machen einen Erfolg wahrscheinlicher, denn das Nutzerverhalten ist nicht statisch. So hat sich etwa beim E-Book nach anfänglichen Schwierigkeiten inzwischen eine neue Form des Lesens etabliert.

Aber das gelingt nicht immer?

Nein, ein weiteres Hindernis kann sich daraus ergeben, dass Innovatoren sich während der Entwicklungszeit zu sehr von der Außenwelt abschotten und die Veränderungen in der Umwelt nicht mehr wahrnehmen oder wahrnehmen wollen.

Haben Sie dafür ein Beispiel?

Schauen wir auf den Transrapid: Als er alltagstauglich war, hat er Antworten auf Fragen gegeben, die im Grunde keiner mehr gestellt hat. Die Nutzungsnische, in die er in den 60er und 70er Jahren reingepasst hat, gab es 30 Jahre später nicht mehr. Mit dem schnellen ICE auf der Basis der konventionellen Rad-Schiene-Technik und der Expansion des Flugverkehrs hatte sich die Angebotslücke, auf die der Transrapid zielte, mittlerweile geschlossen.

Der Transrapid bekam doch große Unterstützung aus der Politik.

Staatliche Subventionen sind nicht immer nützlich. Politische Akteure müssen die Mittel rechtfertigen, die in ein Projekt geflossen sind. Und das Geld verstellt oftmals einen realistischen Blick auf die Welt. Andererseits kann staatliche Förderung mitunter erst die Rahmenbedingungen für einen Innovationsprozess bis zur Serienreife schaffen. Staatliches Engagement ist eine ambivalente Angelegenheit, gleichsam Glanz und Elend.

Sind Misserfolge viel wahrscheinlicher als Erfolge?

80 bis 90 Prozent aller Innovationsversuche scheitern. Aber die Entwicklung von neuen Produkten und Problemlösungen ist immer ein Tasten und ein Suchen. Aber ohne Scheitern kein Erfolg. Und manchmal gelingen auch Erfolge, mit denen keiner gerechnet hat, wie zum Beispiel mit der SMS.

© SZ vom 24.09.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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