Kim Schmitz wollte viel. Die Musik-Industrie für immer verändern, das sei sein Ziel, tönte der Mann hinter Megaupload noch vor wenigen Wochen. Alles online, alles verfügbar, alles quasi umsonst - große Pläne, revolutionäre Visionen, Schmitz war stolz auf sich. Jetzt hat das FBI ihn wegen des Vorwurfs der massiven Urheberrechtsverletzungen festgenommen.
Schmitz hatte Tatendrang. Dabei hätte er sich auch zurücklehnen können, denn sein umstrittenes Geschäftsmodell Megaupload war bereits reichlich ausgefuchst. Sein Trick: Die Urheberrechtsverletzungen auslagern, die Gewinne einsacken.
Und das funktionierte so: Schmitz' Seite, Megaupload, stellt nur die Infrastruktur. Irgendwer lädt einen frischen Kinofilm hoch - das ist illegal, wenn er nicht als Privatkopie genutzt wird. Die Datei steht anschließend zum Download bereit, gefunden wird sie aber nur von denen, die den Link zu genau dieser Seite kennen. Für diese Links gibt es Suchmaschinen, wo die Nutzer wie im Katalog nach Filmen und Musik stöbern können und sich über aggressive Werbung ärgern. Die Links von dort führt dann erst zu Megaupload - mit der Verbreitung hat Schmitz also nichts zu tun. Strafbar machen sich vor allem der Uploader, und auch die Suchmaschinen-Seiten haften.
Der Download von offensichtlich illegalem Material ist ebenfalls verboten, erklärt die Seite irights.info. Doch de facto ist dieses Verbot von den Behörden sehr schwer durchzusetzen, weil die User wenig Spuren hinterlassen, über die die Polizei sie fassen könnte.
Megaupload - ein Riesen-Geschäft
Schmitz war mit seinem System sehr erfolgreich. Die Anklageschrift liest sich aus betriebswirtschaftlicher Sicht wie eine Lobeshymne: Schmitz betreibe nach eigenen Angaben eine der meistbesuchten Webseiten der Welt. Mehr als 180 Millionen registrierte User. Im Schnitt 350 Millionen Zugriffe pro Tag.
Auch Googles Daten zeigen: Megaupload hatte deutlich mehr Besucher als der schärfste Konkurrent mit dem exakt gleichen Geschäftsmodell, Rapidshare. Auch diese Seite betreibt ein Deutscher im Ausland, in der Schweiz. In einer Stellungnahme zum Megaupload-Fall versucht das Unternehmen sich allerdings naturgemäß vom Konkurrenten abzugrenzen: Rapidshare biete kein Download-Vergütungssystem, gehe gegen Urheberrechtsverletzungen vor und arbeite transparent und ohne "irgendwelche anonyme Zwischenfirmen", heißt es dort.*
Die enormen Zugriffszahlen verwandelte Schmitz bei Megaupload in klingende Münze. Einerseits gab es Werbung auf der Seite, die ihm im Laufe der Jahre wohl etwa 25 Millionen Dollar gebracht habe, heißt es in der Anklage. Andererseits setzte er auf ein Premium-Account-Modell, das ihm insgesamt mehr als 150 Millionen Dollar eingebracht haben soll. Nutzer die zahlten, konnten schneller und mehr downloaden - erhielten quasi eine Flatrate auf Filme, Musik und Software.
Schmitz und Kollegen sind rechtlich oft fein raus
Nur die Kreativen hinter den Produkten gehen dabei leer aus. Immer wieder versuchen die eigentlichen Rechteinhaber deshalb, gegen Megaupload und Co. juristisch vorzugehen. Bislang mit wenig Erfolg. Das Oberlandesgericht Düsseldorf stellte vor etwa einem Jahr fest, dass Rapidshare nicht für Urheberrechtsverletzungen Dritter hafte. Hintergrund waren Filme, die online verfügbar waren. "Indem sie [die beschuldigte Partei] die Nutzung ihres Dienstspeicherplatzes zum Hochladen beliebiger Dateien zur Verfügung stellt und den Hochladern durch Mitteilung des Download-Links die Möglichkeit gibt, auch anderen Nutzern Zugriff auf die gespeicherten Daten zu verschaffen, nimmt sie selbst keine Veröffentlichungen des Inhaltes vor, so dass ein täterschaftlicher Urheberrechtsverstoß ausscheidet", entschied das Gericht. Einige Tage zuvor hatte allerdings das Landgericht Hamburg Rapidshare zu einem Ordnungsgeld von 1500 Euro verurteilt, wegen eines einzelnen Albums.
Das Modell sogenannter One-Click-Hoster wie Megaupload und Rapidshare stellt ein Dilemma für das Urheberrecht dar - die Logik der Verbreiterhaftung wird in Frage gestellt, ob also der Bote für die illegale Filmkopie haftet, die er transportiert. Die Festnahme Schmitz' kommentierte der Berliner Autor Malte Welding pointiert auf Twitter, indem er Megaupload mit Briefträgern verglich: "Ich hoffe sehr, dass mit der Deutschen Post in letzter Zeit keine Kopien verschickt wurden. Sähe ungern den Briefträger vom FBI verhaftet."
Die Seite kino.to, die die Polizei im Sommer abschaltete, funktionierte anders als Megaupload über Streaming. Dabei wird der Film nicht richtig heruntergeladen, sondern direkt im Browser abgespielt. Ob sich der Zuschauer hierbei noch strafbar macht, ist rechtlich ebenfalls umstritten. Realisiert werden diese Streams jedoch mit Dateien, die auf Seiten wie Megaupload geparkt werden. Außerdem gibt es noch das P2P-Verfahren, wo Nutzer direkt untereinander Material tauschen. Im Netz werden auf Seiten wie "Pirate Bay" nur kleine Dateien gelagert, die sogenannten Torrent-Protokolle, die quasi als Wegweiser funktionieren, um Nachfrage und Angebot zusammenzubringen.
Dropbox - das saubere Megaupload
Daneben gibt es im Internet Seiten, die praktisch das Gleiche anbieten wie Megaupload, aber ohne dessen zwielichtiges Image auskommen: Auch bei Dropbox etwa können Nutzer Daten online speichern und müssen keinen USB-Stick mehr mit sich herumtragen. Ob dort private Urlaubsfotos oder eigentlich urheberrechtlich geschützte Musik gelagert wird, ist auch hier nicht einfach festzustellen. Das könnte nur eine Cyberpolizei, die jede kleine Datei danach überprüfen müsste, ob sie ein urheberrechtlich geschütztes E-Book oder doch nur ein Tagebuch enhält - und die somit massiv in die Grundrechte eingreifen würde.
Schon auf dem Schulhof verdiente sich früher mancher etwas dazu, indem er gebrannte CDs für fünf Mark verkaufte. Doch erst das Internet machte es möglich, das Geschäft ganz groß zu skalieren und wie Kim Schmitz damit reich zu werden. Nun ist Megaupload.com zwar down - aber das Geschäftsmodell funktioniert noch immer.
*Passage um 18:30 Uhr ergänzt.