Megaupload, Rapidshare und Co.:Wie Filehoster die Musikindustrie alt aussehen lassen

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Online-Schließfächer wie Rapidshare lassen Nutzer ungehindert Dateien tauschen und sind damit der Musikindustrie ein Dorn im Auge. Nachdem sie die Branche mit ihren rechtlich fragwürdigen Seiten an der Nase herumgeführt haben, drohen die Filehoster nun mit der nächsten Revolution.

Dirk von Gehlen

Es liegt eine gewisse Ironie in der Tatsache, dass das in Netz-Fragen nicht gerade als fortschrittlich geltende Deutschland ausgerechnet auf dem Gebiet der umstrittenen One-Click-Hoster eine Vorreiterstellung einnimmt. Das sind Webseiten, auf denen man große Dateien speichern kann, die dann von jedermann, der den Link anklickt, auch heruntergeladen werden können.

Rapidshare-Screenshot: One-Click-Hoster mit umstrittenen Geschäftsmodellen. (Foto: Screenshot Rapidshare.com)

Für Filme und Musik haben sie die großen Fileshare-Börsen wie Napster und Bittorrent abgelöst. Und die Macher der beiden größten solcher Seiten namens Megaupload und Rapidshare stammen aus Deutschland.

Kim Schmitz wurde in den 1990er Jahren als Kimble bekannt und wird in seinem Wikipedia-Eintrag als "deutscher Hochstapler" aus Kiel vorgestellt. Nach zahlreichen Skandalen war bis Anfang 2010 wenig von ihm zu hören. Damals vermeldeten neuseeländische Medien, der heute 37-Jährige habe für 15 Millionen Dollar die größte Privatimmobilie Neuseelands erworben.

Im Rahmen dieser Berichte wurde auch das Gerücht bestätigt: Kim Schmitz, der sich mittlerweile Kim Dotcom nennt, steckt hinter der Seite Megaupload, die ihren Geschäftssitz in Hongkong hat.

Ein anonymes Schließfach

Gerüchte um Schmitz' Konkurrenten Christian Schmid gibt es nicht. Der heute 30-Jährige erfand Anfang der Nullerjahre im baden-württembergischen Kenzingen die Seite ezShare, die als Grundlage für das heutige Rapidshare gilt. Das ist bekannt. Allerdings auch kaum mehr.

Der aufmerksamkeitsheischende Schmitz und der öffentlichkeitsscheue Schmid haben beide früh erkannt, dass in dem rasanten Verbreiten großer Daten (rapid) ein noch viel größerer Markt (mega) liegt. Menschen überall auf der Welt nutzen die Angebote der beiden Deutschen, um Filme, Videos, Musikalben und andere Daten hoch- und herunterzuladen. Das Besondere dabei: Die Macher haben keine Rechte an den Inhalten, die über ihre Plattformen verbreitet werden.

Dass sie dennoch jede Menge Geld damit verdienen, ist den Rechteinhabern der Musik- und Filmindustrie seit Jahren ein wachsendes Ärgernis, dem sie bisher nicht letztinstanzlich begegnen konnten. Denn die Betreiber vergleichen sich stets mit einem anonymen Schließfach, dessen Anbieter man auch nicht für die dort deponierten Inhalte haftbar machen dürfe.

Direkter Zugriff fehlt

Erschwerend kommt für die Juristen hinzu: Anders als die klassischen Tauschbörsen, bei denen die Nutzer (hoch- wie herunterladend) erkennbar sind, fehlt bei den One-Click-Hostern der direkte Zugriff auf die Downloader. Das ärgert die Juristen und freut Nachahmer. Deshalb sind Schmitz und Schmid schon lange nicht mehr alleine mit ihren Angeboten.

Die beiden Deutschen zählen allerdings zu den bekannteren Anbietern in dieser rechtlichen Grauzone. Und diese Prominenz wollen sie nutzen. Nachdem sie die Verwerter mit ihren rechtlich umstrittenen Seiten an der Nase herumgeführt haben, wollen sie ihnen nun vorführen, wie man mit einem vermeintlich legalen Angebot Umsätze im digitalen Raum machen kann.

Aus Sicht der Film- und Musikindustrie könnte man von einer Demütigung zweiter Ordnung sprechen. Das verbindet Schmitz und Schmid übrigens mit Peter Sunde, einem der Betreiber des schwedischen BitTorrent-Trackers ThePirateBay. Sunde stellte 2010 das Minibezahlsystem Flattr vor, mit dessen Hilfe Nutzer freiwillig Kleinstbeträge zahlen können.

Zum Start des Dienstes sagte er im Interview mit der SZ: "Ich bin davon überzeugt, dass es ein Interesse daran gibt, online zu bezahlen. Es hat aber in den vergangenen zehn Jahren fast keine Entwicklung gegeben in der Art und Weise, wie man im Netz bezahlt - das wollen wir ändern."

Bei Rapidshare war das Vorgehen weniger großspurig. Man engagierte den ehemaligen Viva-Moderator Mola Adebisi als Berater, um mit ihm ein besseres Verhältnis zu den Rechteverwertern zu erreichen, die die mittlerweile in die Schweiz verzogene Firma immer wieder mit Klagen vor Gericht brachten. Der Versuch zeigte bisher keine nachhaltigen Erfolge. Was auch an seiner mangelnden Großspurigkeit liegen könnte.

So jedenfalls würde Kim Schmitz argumentieren. Er schickt in diesen Tagen nicht Mola Adebisi, sondern Stars wie Alicia Keys, Will.i.am, Kanye West und Chris Brown in den Ring. In einem vierminütigen Werbe-Song mit dem Titel "Megaupload", der seit ein paar Tagen für Aufregung im Netz sorgt, treten Größen des amerikanischen Musikbusiness auf. Produziert wurde das sehr einfache und sehr eingängige Liedchen von Printz Board, der unter anderem für die Back Eyed Peas gearbeitet hat.

Während sich die Netzöffentlichkeit noch fragte, wie Schmitz all diese Künstler als Werbefiguren für seinen One-Click-Hoster gewinnen konnte, tat die Plattenfirma Universal ihm den Gefallen, dem Video zu größerer Aufmerksamkeit zu verhelfen. Ihre Juristen ließen den Clip beim Videoportal YouTube sperren, weil er angeblich Urheberrechtsverletzungen enthalte.

Dem widersprach Schmitz, präsentierte Vereinbarungen mit den Künstlern und brachte Universal in die Defensive. Statt über Schmitz' Reputation diskutiert das Netz nun die Frage, ob Universal von YouTube Sonderrechte bei der Löschung unliebsamer Videos eingeräumt bekommt.

"Die Musik für immer verändern"

Das böse Wort der Zensur steht im Raum. Universal ist plötzlich der Täter. Kim Schmitz zeigt, dass er verstanden hat, wie die Aufmerksamkeitsmuster im Netz funktionieren, und dass die Musikindustrie auch ein Dutzend Jahre nach Napster den Entwicklungen immer noch hinterher läuft.

"Wir wollen, dass Kreative auch bezahlt werden", fordert Schmitz und dreht auch hier rhetorisch die Debatte. Es sei an der Zeit, endlich Modelle dafür zu finden, erklärt er im Gespräch mit dem Webmagazin Torrentfreak und verrät im nächsten Satz, wer die Lösung bereits parat hat: Kim Schmitz.

Gerade ist sein Streaming-Angebot Megabox gestartet, das "die Musik für immer verändern wird", wie es wenig zurückhaltend in der Pressemitteilung heißt. Die Idee dabei: Künstler, die ihre Musik über Megabox vertreiben, sollen 90 Prozent der Einnahmen erhalten. "Das scheint einer der Gründe zu sein", heißt es in der Pressemitteilung, "warum Universal versucht, unsere Kampagne zu sabotieren und Innovation zu blockieren."

Rechtlich zweifelhaftes Modell

Schmitz sieht Megabox als größten Konkurrenten für Apples überaus populären Musikdienst iTunes. Zudem will er im kommenden Jahr mit Megamovie auch im Filmmarkt angreifen.

Doch damit nicht genug. Seine größte Idee trägt den Titel Megakey. Nutzer, die diese geplante Software installiert haben, erklärt Schmitz gegenüber Torrentfreak, können damit alle Angebote des Mega-Imperiums kostenfrei nutzen. Im Gegenzug tauscht Megakey auf allen Webseiten, die der Nutzer ansurft, die Werbung aus: Statt der Anzeigen, mit denen eigentlich der Websitebetreiber Geld verdienen wollte, zeigt Megakey Werbung aus dem Reklamenetzwerk von Kim Schmitz.

Bis zu 450 Millionen Nutzer erwartet er für dieses rechtlich durchaus zweifelhafte Modell bis zum Jahr 2015. Aber von juristischen Zweifeln will er sich nicht aufhalten lassen. Zumal er ja jetzt für die gute Sache unterwegs ist: Kreative sollen schließlich endlich für ihre Arbeit bezahlt werden.

© SZ vom 19.12.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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