Die Strategie von Facebook-Chef Mark Zuckerberg ist so simpel, dass sie mit einem einzigen Wort beschrieben werden kann: mehr.
Mehr Nutzer, denn mit 500 Millionen registrierten Usern soll die Expansion des sozialen Netzwerks noch nicht abgeschlossen sein. Mehr öffentliche Daten der Mitglieder, weshalb das Unternehmen sich Unmut und Misstrauen der Nutzer zuzog. Vor allem aber: mehr vom Internet.
Längst macht der 26-jährige Jungunternehmer kein Geheimnis mehr aus seinen Plan. Das Internet soll sozial werden, oder besser: Facebook soll zum Dreh- und Angelpunkt unserer Aktivitäten im Web und in der Welt werden, sie dokumentieren und für Marketingzwecke analysieren.
Bereits jetzt sorgt der auf Millionen Webseiten eingebettete "Gefällt mir"-Button dafür, dass Mitglieder ihre Vorlieben der Welt und den Datensammlern von Facebook noch einfacher offenbaren können. Mit der derzeit anlaufenden Einführung eines Geodienstes kommen weitere Daten über den Aufenthaltsort dazu.
Wie viel Einfluss Facebook inzwischen hat, zeigt ein Vorfall vom Donnerstag: Wegen eines Fehlers im internen Korrektursystem war die Seite zweieinhalb Stunden nicht erreichbar. Der laut Facebook "schlimmste Ausfall, den wir seit mehr als vier Jahren hatten" sorgte für Rätselraten und Verzweiflung auf Twitter und in Blogs.
Facebook ist für viele Menschen längst zur Infrastruktur ihres Lebens geworden - die Zuckerberg-Strategie des "Mehr" soll diese Verschmelzung von Leben und Facebook noch vorantreiben, wie derzeit Gerüchte im Silicon Valley vermuten lassen: Mehrere US-Medien berichten übereinstimmend, dass Facebook den Einstieg in den Smartphone-Markt plant. Gemeinsam mit dem Handy-Hersteller INQ, so meldet beispielsweise die Nachrichtenagentur Bloomberg, arbeite Facebook derzeit an zwei eigenen Smartphones. Die Geräte sollen 2011 in den Handel kommen.
Die Marktmacht ist der Schlüssel
Bereits jetzt nutzt ein Viertel aller Mitglieder Facebook von seinem Handy aus. Die Facebook-Telefone sollen die Dienste der Plattform in den Mittelpunkt stellen, aber auch Verbindungen zu anderen sozialen Netzwerken enthalten. Technologie-Blogger Michael Arrington zitiert eine nicht genannte Person mit Kenntnis des Projekts: Demnach sei Facebook besorgt darüber, dass die mobilen Anwendungen für iPhone oder Handys mit dem Google-Betriebssystem Android zu wenig seien, um im wachsenden mobilen Werbemarkt konkurrenzfähig zu bleiben.
Facebook könnte theoretisch mit Hilfe seiner großen Marktmacht dafür sorgen, dass ein eigenes Smartphone sich gut verkauft - zum Beispiel, indem es eine exklusive Applikation enthält, die Facebook-Nutzer unbedingt besitzen möchten.
Doch ein Einstieg in den Hardware-Markt birgt auch Risiken: Google stellte die Produktion seines Handys Nexus One nach nur wenigen Monaten wegen schlechter Verkaufszahlen ein, auch wenn das Telefon die Entwicklung besserer Android-Handys vorantrieb. Microsoft scheiterte bereits nach wenigen Wochen mit seinem Kin-Smartphone, bei dem ebenfalls soziale Dienste im Mittelpunkt stehen sollten.
Das Facebook-Handy könnte sich deshalb letztlich als INQ-Smartphone mit Android-Betriebssystem und prominent platzierten sozialen Funktionen entpuppen. Dazu passt auch die Facebook-Aussage zum Thema: "Wir arbeiten mit INQ seit ein paar Jahren zusammen, um dabei zu helfen, Facebook-Funktionen zum essentiellen Teil ihrer Geräte zu machen", heißt es da.
Mark Zuckerberg selbst erklärte in einem Interview mit Techblogger Arrington, es gehe nicht darum, einen iPhone-Konkurrenten zu bauen, sondern um "tiefe Integration" von Facebook-Diensten in neue Smartphones.
Für Facebook könnte sich dies nicht nur lohnen, weil die Firma damit wohl noch mehr Nutzerdaten auswerten könnte: Sollte das Unternehmen seinen Namen für ein INQ-Smartphone hergeben und dort exklusive Funktionen anbieten, könnte es dadurch sogar noch Lizenzgebühren kassieren, ohne einen Teil der Produktionskosten zu übernehmen.
Mehr Macht
An der Strategie des "Mehr" würde so eine Mini-Lösung nichts ändern: Vor einigen Monaten traf Facebook mit 50 Mobilfunkanbietern in 45 Ländern die Abmachung, dass diese ihren Kunden den kostenlosen Zugang auf die Seite ermöglichen sollten.
Damit könnte das Unternehmen vor allem in Schwellenländern, in denen sich viele Menschen die mobile Internetnutzung nicht leisten können, zum wichtigen Einstiegspunkt und damit auch zum wichtigsten mobilen Werbevermarkter werden.
Wie bewusst sich das Zuckerberg-Unternehmen seiner Marktmacht inzwischen ist, zeigt das Verhalten gegenüber Apple. Dessen Musikempfehlungsnetzwerk Ping muss ohne Anbindung an Facebook auskommen, weil nach Aussage von Apple-Chef Steve Jobs Facebook "Bedingungen stellte, die wir nicht schultern konnten".
Die Strategie des Mehr kennt eben keine Grenzen.