10.30 Uhr in London. In einer elektronischen Auktion wird der Goldpreis festgelegt. Ein Dutzend Banken aus aller Welt nimmt daran teil. Nachmittags um 15.00 Uhr wiederholt sich das Spiel. Denn wie viel eine Unze Feingold wert ist, ergibt sich nicht allein aus Angebot und Nachfrage an den internationalen Börsen. Damit Anleger, Firmen, Banken und Minenunternehmen miteinander handeln können, brauchen sie - neben dem sich sekündlich ändernden Preis an der Börse - einen festen Wert. Früher griffen Vertreter von fünf Großbanken in London für das "Goldfixing" noch selbst zum Telefon, 2015 wurde das Verfahren nach Manipulationsvorwürfen auf eine elektronische Plattform verlagert.
Wenn aufgrund von politischen Unruhen oder wirtschaftlichen Krisen die Währung eines Landes an Wert verliert und die Angst vor Inflation zunimmt, versprechen sich Anleger vom Gold noch immer Sicherheit. Ein Herdentrieb setzt ein: Immer mehr Menschen investieren in das Edelmetall, die Nachfrage steigt - und damit auch der Goldpreis.Doch es gibt noch eine Reihe weiterer Faktoren, die den Goldpreis beeinflussen:
- Je höher das aktuelle Zinsniveau, desto schlechter für den Goldpreis. In Zeiten hoher Zinsen neigen Anleger eher dazu, in Aktien oder andere Wertpapiere zu investieren. Schließlich wirft das Edelmetall keine Zinsen ab, die anderen Anlagen lohnen sich dann mehr: Niedrige Zinsen können andersherum ein Indiz für einen steigenden Goldpreis sein.
- Die Zentralbanken der Welt halten selbst Goldreserven, allein die deutsche Bundesbank besitzt etwa 3400 Tonnen Gold. Würden die Banken einen Teil ihres Vermögens wieder verkaufen, würde der Preis fallen, weil am Markt plötzlich sehr viel mehr Gold verfügbar wäre als zuvor.
- Da das Gold an den internationalen Börsen in US-Dollar gehandelt wird, ist der Währungskurs des Dollars für den Goldpreis relevant. Ein schwacher Dollar kann den Goldpreis nach oben treiben, ein starker Dollar den Wert des Edelmetalls drücken.
- Goldbesitzer sollten ein Auge auf das Verhalten von Großanlegern haben. Mit Hilfe von sogenannten Exchange Traded Commodities (ETC's) oder Zertifikaten können Anleger direkt in Rohstoffe investieren, ohne das Gold tatsächlich physisch kaufen zu müssen - und sie können ihr Geld gleichzeitig in einer Vielzahl von Märkten anlegen. Oft wird das Gold von den Emittenten dabei als Sicherheit physisch hinterlegt. "Die ETC's veröffentlichen jeden Tag ihre aktuellen Bestände, bei Nachrichtenagenturen wie Reuters oder Bloomberg kann man sich darüber informieren. Wenn die ETC's viel von ihrem Gold verkaufen, wird der Goldpreis wohl eher sinken", sagt Michael Blumenroth, Analyst bei der Deutschen Bank.
- Für die Preisentwicklung ist auch wichtig, wie viel Gold überhaupt in den Minen gefördert wird. "Dafür bieten die Jahresbilanzen der großen Goldproduzenten gute Anhaltspunkte", rät Blumenroth. Diese sind auf den Webseiten der entsprechenden Unternehmen, wie zum Beispiel des australischen Goldförderers Newcrest Mining, in der Regel unter "Investor Relations" abrufbar.
- Beeinflusst wird der Preis auch von der Schmuckindustrie: Sie ist nach Analysen der Deutschen Bank etwa für die Hälfte der weltweiten Nachfrage verantwortlich. Früher stand Indien beim Goldankauf an erster Stelle. Vor allem mit Beginn der Hochzeitssaison im Herbst schnellt der Goldpreis regelmäßig in die Höhe - Goldschmuck ist in Indien ein beliebtes Hochzeitspräsent. Mittlerweile hat China Indien als größten Käufer abgelöst.
Alle Faktoren können jedoch immer nur Hinweise sein - und nie eine Garantie: "Wenn man Analysten zum gleichen Zeitpunkt um eine Einschätzung bittet, variieren die Meinungen von 'der Goldpreis wird in Zukunft explodieren' bis hin zu 'beim Gold ist wirklich die Luft raus'. Auch vermeintlich sichere Prognosen sind daher kritisch zu sehen", sagt Christian Urban von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Niemand kann wissen, wie sich der Goldpreis in den kommenden Monaten verändert.