Yahoo-Chefin Carol Bartz:Sag zum Abschied leise Fuck You

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Carol Bartz wurde am Telefon gefeuert - jetzt teilt die ehemalige Yahoo-Chefin aus. Die Verwaltungsräte seien "Idioten" und hätten sie "verarscht". Es geht auch darum, wer "Eier" habe und wer nicht. Ihre Gossensprache entfacht im puritanischen Amerika eine Stildebatte - und könnte Bartz ein Vermögen kosten.

Jannis Brühl

Man flucht nicht in Amerika. Wer sich öffentlich dazu hinreißen lässt, gilt als obszön und unfähig zur Selbstkontrolle. Das können sich gerade mal Gangster-Rapper leisten. Carol Bartz ist kein Gangster-Rapper, sondern die 63-jährige Chefin des Internetkonzerns Yahoo, Jahresumsatz sechs Milliarden Dollar. Zumindest war sie das bis Mittwochabend, als Verwaltungsratschef Roy Bostock sie per Telefonanruf feuerte.

Fühlt sich "verarscht". die gefeuerte Yahoo-Chefin Carol Bartz (Foto: Bloomberg)

Jetzt drosch Bartz in einem Interview auf ihre alten Kollegen ein - und bediente sich dabei einer Sprache, die so derb ist, dass US-Medien sie nur als Lückentext drucken: "These people fucked me over", sagte die 63-Jährige dem Magazin Fortune. "Diese Leute haben mich verarscht" ist da noch die kinderfreundliche Übersetzung. Die Yahoo-Verwaltungsräte seien "doofuses" - "Idioten". Sie hätten Angst davor, als schlechtester Rat in den USA zu gelten, seit sie 2007 das lukrative Übernahmeangebot von Microsoft abgelehnt hätten.

Bartz gab früher selbst gerne damit an, wie gern sie manchen Mitarbeiter entlassen habe. Die Geschichte ihres eigenen Endes erzählt sie so: Verwaltungsratschef Roy Bostock habe sie in New York angerufen und sofort begonnen, aus einem Anwaltsschreiben vorzulesen: Bartz müsse gehen, habe er gesagt. "Warum hast du nicht die Eier, mir das persönlich zu sagen?", will sie geantwortet haben. Aus Bostocks Umfeld hört man eine andere Version: Er habe Bartz ja persönlich am New Yorker Flughafen treffen wollen, konnte aber wegen eines Sturms nicht einfliegen, kolportiert die Agentur Bloomberg.

Der Verwaltungsrat macht Bartz für die neue, die aktuelle Krise bei Yahoo verantwortlich. Der Internet-Konzern der ersten Stunde hat den Anschluss verloren, gilt als ideenlos. Den Wettbewerb um lukrative Online-Anzeigen dominieren jüngere Firmen wie Google und Facebook. Anleger freuten sich über Bartz' Entlassung - der Aktienkurs sprang um sechs Prozent nach oben. Bis auf weiteres leitet Finanzchef Timothy Morse das Unternehmen.

Amerika diskutiert jetzt aber weniger über die Zukunft von Yahoo, sondern über Bartz' Ausfälle - und über die Art, wie sie gefeuert wurde. Carl Bass, Chef des Softwarekonzerns Autodesk und in dieser Position Nachfolger von Bartz, sagte Bloomberg: "Jemanden über das Telefon zu feuern ist, als würde man seinem Ehepartner per E-Mail sagen, dass man die Scheidung will."

Mehr als eine Frage des Stils

Wirtschafts-Bloggerin Susannah Breslin glaubt gar, Bartz beleidige in höherem Auftrag: Sie sei ein Vorbild. Frauen müssten sich nicht alles gefallen lassen und könnten mehr als "das richtige Outfit tragen und hübsch rumsitzen".

Andere Kommentatoren sehen Bartz als schlechte Verliererin. Sie spiele die "Opferkarte", schrieb das Magazin Forbes. Sie solle sich lieber damit abfinden, dass sie der Aufgabe nicht gewachsen gewesen sei.

Wenn schon beleidigen, dann wenigstens auf der Höhe der Zeit, findet Kara Swisher. Die Tech-Bloggerin des Wall Street Journal macht sich über das Wort "doofus" lustig: "Das habe ich das letzte Mal gehört als ich acht war und mich darum stritt, wer als Nächstes die Spielplatzschaukel benutzen darf."

Eine Genugtuung für Bartz mag sein, dass es jetzt auch den Überbringer der schlechten Nachricht erwischen könnte. Der Investor Third Point enthüllte, dass er mehr als fünf Prozent Anteile an Yahoo hält - und machte gleich Druck auf Verwaltungsratschef Bostock. Nach Bartz sollten gefälligst auch er und drei weitere Ratsmitglieder gehen.

Bartz' Tirade ist aber nicht nur eine Frage des Stils: Sie könnte die Geschasste ein Vermögen kosten. Laut Fortune steht in ihrem Vertrag eine Klausel, die es ihr verbietet, öffentlich über das Unternehmen herzuziehen. Ebenjene "Idioten" könnten das Interview jetzt als Grund nutzen, die zehn Millionen Dollar Abfindung zurückzuhalten. Dann wäre Bartz selbst der Idiot.

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