Gaspreise:Jetzt schnell rein in die Grundversorgung?

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Einstelleinheit einer Heizungsanlage: Viele fragen sich, wie sie die Heizkosten noch bezahlen sollen. (Foto: Jens Büttner/picture alliance / dpa)

Für viele Kunden kann es sich lohnen, zum örtlichen Grundversorger zu wechseln. Aber: Der Umstieg kann schlimmstenfalls zum Bumerang werden.

Von Berrit Gräber

Auch wenn die Gasumlage vom Tisch ist, die Mehrwertsteuer von 19 auf sieben Prozent gesenkt und ein Preisdeckel angekündigt worden ist: Für Millionen Kunden hat sich erst einmal nichts daran geändert, dass Gas wesentlich teurer geworden ist. Die teilweise um 100, 300 oder 500 Prozent erhöhten Abschläge werden noch eine Weile zu stemmen sein. Eine Kilowattstunde Gas hat im September im Durchschnitt 21,9 Cent gekostet, 232 Prozent mehr als noch im Jahr zuvor, so das Vergleichsportal Check24. Einen Ausweg aus der Misere kann momentan höchstens die regionale Grundversorgung bieten, die häufig noch bezahlbare Tarife aufruft. "Das kann die Rettung sein, muss es aber nicht", sagt Hans Weinreuter, Energieexperte der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. Wer umsteigen will, sollte darauf achten, nicht in der teuren Ersatzversorgung zu landen - und erst mal auf weitere Preiserhöhungen gefasst sein.

Wann wird es günstiger?

Bis die Versorger die Gasumlage wieder rausgerechnet und die geringere Mehrwertsteuer einkalkuliert haben und dann die neue, niedrigere Abschlagshöhe mitteilen, dürften noch ein paar Wochen ins Land gehen, sagt Udo Sieverding, Energieexperte der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Die Versorger haben mit den Änderungen zurzeit alle Hände voll zu tun. Wie zu viel Gezahltes erstattet und ob es womöglich erst bei der Jahresabrechnung verrechnet wird, ist noch offen.

Wann wird die Grundversorgung interessant?

Wenn Kunden eine Preisänderung in der Post hatten, haben sie ein Sonderkündigungsrecht. Nur: Wohin wechseln? Ein neuer Sondervertrag bei einem billigeren Anbieter wird in der Regel noch viel teurer - oder kommt gar nicht erst zustande. Momentan kann höchstens die Grundversorgung zur Option werden, sagt Weinreuter. Attraktiv kann der Wechsel zum Beispiel für Kunden sein, die Erhöhungen auf mehr als 30 oder 40 Cent pro Kilowattstunde (kWh) Gas stemmen sollen - während viele Grundversorger noch zwischen 13 und 24 Cent verlangen, wie eine grobe Auswertung des Online-Verbraucherportals Finanztip ergab. "Die Grundversorgung dürfte noch etwa ein halbes Jahr günstiger sein als viele Sondertarife", ist Sieverding überzeugt.

Wie attraktiv ist ein regionaler Grundversorger?

Auch wenn es sich gerade wie ein Lauffeuer herumspricht, dass Grundversorger derzeit noch vergleichsweise bezahlbar sind, müsse das nicht automatisch für jeden die optimale Lösung sein, gibt Lorenz Bücklein, Energieexperte der Verbraucherzentrale Sachsen, zu bedenken. Es gibt zudem erhebliche regionale Unterschiede. Grundversorger ist immer der Anbieter, der in der Region die meisten Kunden beliefert. In Berlin beispielsweise ist es bei Gas die Gasag, bei Strom Vattenfall. Früher waren Grundversorger-Tarife stets die teuersten, weil die Einkaufsstrategie langfristig angelegt ist. Nachdem die Preise bei der kurzfristig orientierten Konkurrenz rasant stiegen, sind Grundversorger jetzt plötzlich attraktiv. Wechselwillige sollten sich bei ihrem örtlichen Anbieter über die aktuellen Tarife informieren. Sie sind - meist versteckt - auf der Webseite zu finden. Auch Hotlines geben Auskunft. Zum 1. Oktober haben viele Grundversorger erhöht. Wer den aktuellen Tarif herausgefunden hat, muss ihn mit dem Arbeits- und Grundpreis seines laufenden Sondervertrags vergleichen.

Wann ist ein Wechsel ratsam?

Eine Kündigung beim bisherigen Anbieter ist nur dann sinnvoll, wenn der Grundversorger deutlich günstiger ist. Ähneln sich die Preise, sollten Kunden sorgfältig abwägen, rät Bücklein. Denn: Preisgarantien für sechs oder zwölf Monate, wie in Sondertarifen üblich, gibt es beim Grundversorger nicht. "Das Risiko, dass auch in der Grundversorgung die Preise weiter steigen, zumal jetzt alle hineindrängen, ist definitiv gegeben", sagt Weinreuter. Zugleich muss aber die geplante Entlastung mit ins Kalkül: Spätestens 2023 könnte der Gaspreis so gedeckelt werden, dass Bürger eine bestimmte Menge zu einem günstigeren Preis bekommen. Wer zum Wechsel entschlossen ist, muss beim bisherigen Versorger schriftlich kündigen. Dieser schickt dann eine Bestätigung. Außerdem wichtig: Den Zählerstand ablesen und ihn dem alten wie neuen Versorger mitteilen.

Welchen Haken gibt es noch?

Normalerweise gilt: Sobald der alte Vertrag endet, fällt der Kunde automatisch in die Grundversorgung hinein. Aktuell sei es jedoch ratsam, vorher abzuklären, ob man auch tatsächlich direkt in die Grundversorgung kommt, rät Bücklein. Neukunden müssten mit Schwierigkeiten rechnen. Während manche Gas-Grundversorger die Neuzugänge problemlos in ihre vergleichsweise günstigen Tarife aufnehmen, können sie anderswo in der sogenannten Ersatzversorgung landen. Zwangsweise, für drei Monate lang. "Das kann exorbitant teuer werden", warnt Weinreuter. Bis zu 47 Cent pro kWh Gas sind keine Seltenheit. Für den Versorger ist der Umweg lukrativ, für den Kunden ein Reinfall. Wie etwa in Chemnitz: Dort verlangt der Gasanbieter Eins seit Oktober in der Ersatzversorgung 38,19 Cent pro kWh, während in der Grundversorgung nur 14,81 Cent fällig werden.

Wie geht es raus aus der Ersatzversorgung?

Erst nach drei Monaten kann der Kunde aus der Ersatzversorgung raus und in die Grundversorgung rein. Verbraucherschützer halten den Umweg für unzulässig. Die Ersatzversorgung sei eigentlich für den Fall von Anbieter-Insolvenz gedacht, kritisiert Max Müller, Jurist bei der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. Wer zwangsweise darin feststeckt und mehr zahlt als in der Grundversorgung beim gleichen Anbieter, sollte sich wehren und versuchen, das zu viel Gezahlte wiederzubekommen. Verbraucherzentralen helfen dabei.

Was, wenn auch die Grundversorgung teuer wird?

Ob sich ein Umstieg rechnet, wenn auch der Grundversorgertarif nach einiger Zeit hoch geht, hänge vom Einzelfall ab, so Weinreuter. Pauschale Empfehlungen für alle gebe es nicht. Zumal niemand weiß, wie die geplante Gaspreisbremse im Detail aussieht - und vor allem auch, wann sie für Entlastung sorgt. Wenigstens ist die Grundversorgung flexibel: Der Vertrag kann monatlich mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden, sollte sich eine günstigere Lösung abzeichnen. Sonderverträge laufen meist über ein Jahr. Verbraucherzentralen beraten, ob sich ein Umstieg in die Grundversorgung lohnen kann.

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