Heizungen:Röhren von gestern

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Noch im Oktober 2022 wurden Rohre für die Wilhelmshavener Anbindungsleitung (WAL) verlegt. (Foto: Sina Schuldt/dpa)

Das Wirtschaftsministerium spielt durch, wie ein Abschied von der deutschen Gasinfrastruktur aussehen könnte. Die Antworten sind kompliziert, und viele davon nicht populär.

Von Michael Bauchmüller

Neues aufzubauen ist mitunter viel einfacher, als sich von Altem zu trennen - das erlebt das Land schon seit geraumer Zeit, wenn es an die Abschaltung alter Kraftwerke geht. Wie erst mag das sein, wenn Millionen Gasheizungen fällig sind, samt der zugehörigen Infrastruktur?

In einem "Green Paper" hat das Bundeswirtschaftsministerium nun versucht, einige ganz praktische Fragen durchzuspielen. Die Antworten sind alles andere als einfach, und viele davon sind nicht populär. Aber dass die Dinge kompliziert werden, sobald sie in deutsche Heizungskeller führen, das weiß das Ministerium seit ziemlich genau einem Jahr nur allzu gut - damals wurden die ersten Entwürfe des Heizungsgesetzes publik, der Aufschrei war groß. Das Gesetz wurde zwar später abgeschwächt, sein Ziel bleibt aber der Ausstieg aus fossilen Brennstoffen wie Öl und Gas. Und damit beginnen die offenen Fragen.

Was etwa passiert, wenn entlang einer Straße, die bisher mit Gas versorgt wird, viele Haushalte von der öffentlichen Förderung Gebrauch machen und reihenweise Wärmepumpen installieren? Die Zahl derer, die noch am Gasnetz hängen, würde schrumpfen, ebenso der Gastransport. Doch die Kosten des Gasnetzes werden derzeit von den Kunden aufgebracht. Je kleiner deren Zahl, desto höher die Kosten für jeden einzelnen Gaskunden. "Ohne Gegensteuerung ergäben sich sehr stark steigende Netzentgelte für den Gasnetzbetrieb", warnt deshalb auch das Papier aus dem Wirtschaftsministerium. "Ziel muss aber sein, eine bezahlbare, wirtschaftlich tragfähige und sichere Energieversorgung auch in der Übergangsphase zu sichern." Es bräuchte also womöglich eine andere Verteilung der Kosten. Den Kopf zerbrechen muss sich darüber die Bundesnetzagentur.

Was passiert, wenn Teile der bisherigen Infrastruktur niemanden versorgen?

Daran schließt sich das nächste Problem an: Wenn ein Netz nur noch eine Handvoll Kunden versorgt, ab wann werden auch die abgeklemmt? Schon jetzt sind Stadtwerke nur solange zum Anschluss von Gaskunden verpflichtet, wie das wirtschaftlich für sie zumutbar ist. Wenn aber Kunden sich verabschieden, wird das Geschäft zunehmend unwirtschaftlich. Das Papier aus dem Ministerium verlangt deshalb "ausreichend lange Planungen der erforderlichen Transformation". Kunden bräuchten genügend Zeit, sich darauf vorzubereiten. "Überraschende Stilllegungen" seien "zu vermeiden", heißt es.

Allerdings werden Gasnetze in Deutschland per Konzession von den Kommunen vergeben. Das soll einen Wettbewerb um deren Betrieb ermöglichen. Doch wie attraktiv sind sie für Stadtwerke und andere noch, wenn immer weniger Haushalte sie nutzen? Zwar sollen neue Abschreibungsregeln es leichter machen, Investitionen rechtzeitig zu verdienen. Dennoch sei nicht auszuschließen, dass keiner mehr für eine Konzession bietet. Damit aber, so mahnt das Ministeriumspapier, "stellt sich die Frage nach der Aufrechterhaltung der Gasversorgung in der betroffenen Kommune". Kein Konzessionär, kein Gas. Es bräuchte also eine Möglichkeit, den bisherigen Konzessionär zum Weiterbetrieb zu verpflichten. Dafür aber gibt es bisher noch kein Gesetz.

Wenn aber dann Teile der bisherigen Infrastruktur niemanden versorgen - was dann? Es sei "davon auszugehen, dass die Länge der Gasverteilernetze von derzeit über 500 000 km stark zurückgehen wird", heißt es. Müssen sie dann zurückgebaut werden? Oder bleiben, um dereinst einmal Wasserstoff zu transportieren? Letzteres hält das Ministerium offensichtlich nicht für die Lösung. Schon wegen der hohen Kosten und der Knappheit des Wasserstoffs sei es "wenig wahrscheinlich", dass Haushalte im größeren Stil damit heizen - was freilich in der Koalition nicht jeder so sieht. Man blicke zuversichtlich auf den Fortschritt beim Wasserstoff, sagt etwa FDP-Fraktionsvize Lukas Köhler. "Daher wird Wasserstoff vermutlich nicht der Champagner der Energiewende sein, sondern ein zentraler Bestandteil unserer Energieversorgung." Für die großflächige Stilllegung von Gasnetzen gebe es keinen Anlass.

Wenn aber doch, wäre das auch kein Beinbruch, findet das Wirtschaftsministerium. Ein rascher Rückbau wäre nicht zwingend nötig. Es bräuchte nur ein Gesetz, das die "Duldung" der Rohre erlaubt. Verbuddelt, wie sie sind, stören sie schließlich keinen.

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