Frist für Griechenlands Schuldenschnitt endet:Alles für die Hälfte

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Halbstarke Hedgefonds, zwei Sorten Anleihen, Quoten und Mindestbeteiligungen: Der Schuldenschnitt für Griechenland mag auf den ersten Blick wirken wie höhere Mathematik - das ist er aber nicht. Am Abend läuft für die Banken die Frist zur Zustimmung ab. 75 Prozent der Gläubiger sollen schon dabei sein - das könnte reichen. Was Sie zum Schuldenschnitt wissen müssen.

Jannis Brühl

In Athen herrscht mal wieder Zweckoptimismus. Die Beteiligung privater Gläubiger liege bei 75 Prozent, steckte ein griechischer Regierungsmitarbeiter der Presse wenige Stunden vor Ende der Frist, bis zu der die Banken und Versicherungen dem Schuldenschnitt zustimmen können. Sollte die Information stimmen, könnte Griechenland einen Teil der Gläubiger zum Mitmachen zwingen. Der Schuldenschnitt rückt in greifbare Nähe - er ist Voraussetzung für das neue Hilfspaket der Euro-Gruppe. Die Frist für die Beteiligung endet um 21 Uhr. Die offizielle Annahmequote will die Regierung am Freitagmorgen um sieben Uhr bekanntgeben.

Auch griechische Banken sind beim Schuldenschnitt dabei - die Nationalbank aber nicht. (Foto: REUTERS)

Der Schuldenschnitt mag auf den ersten Blick kompliziert wirken - deshalb hier im Überblick die wichtigsten Zahlen und Fakten:

[] Der Schuldenschnitt soll helfen, die Schuldenlast des Landes auf 120,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu drücken. Derzeit hat Griechenland insgesamt 325 Milliarden Euro Schulden, etwa 160 Prozent des BIP. Davon halten private Gläubiger 206 Milliarden Euro, von denen nun 107 Milliarden im Zuge des Schuldentauschs erlassen werden sollen. Der Rest der Kredite kommt zum Beispiel von Euro-Ländern und der Europäischen Zentralbank. Die haben sich selbst vom Schuldenschnitt freigestellt, Banken und Versicherer allerdings mit sanftem Druck dazu gezwungen und den Schnitt dann als "freiwillig" deklariert. Die EU hilft Griechenland allerdings mit mehr als 100 Milliarden Euro, wenn der Schuldentausch durchgeht.

[] Am Schuldentausch hängt das zweite Hilfspaket für Griechenland: Neben innenpolitischen Reformen muss die Regierung 95 Prozent der privaten Gläubiger überzeugen, auf einen Teil ihrer Forderungen zu verzichten. Nur wenn diese Quote erfüllt ist, überweisen die anderen Euro-Staaten und der Internationale Währungsfonds die 130 Milliarden.

[] Auf 53,5 Prozent der Gesamtsumme von 206 Milliarden Euro sollen die Gläubiger verzichten. Die restlichen 46,5 Prozent setzen sich aus zwei Teilen zusammen. Für die Rückgabe ihrer Anleihen erhalten die Gläubiger neue Papiere im Wert von 31,5 Prozent des Nominalwertes der alten. Als Zuckerl zahlen die Euro-Staaten die übrigen 15 Prozent in bar an die Gläubiger aus.

[] Griechische Staatsanleihen in Privatbesitz unterteilen sich in zwei Gruppen: 86 Prozent der Papiere sind nach griechischem Recht vergeben, 14 Prozent nach britischem Recht. Das hat vor allem Auswirkungen auf die Möglichkeit der Regierung in Athen, Gläubiger zum Mitmachen zu zwingen.

[] Die Anleihen nach griechischem Recht haben im Vergleich mit denen nach britischem Recht einen Vorteil für die Regierung von Lukas Papadimos: Nur 50 Prozent der Gläubiger müssen ihre Stimme abgeben, ob sie mitmachen. Stimmen von diesen 66 Prozent für den Schuldentausch, werden die Zwangsklauseln in den Anleihen ausgelöst, die Griechenland nachträglich eingefügt hat. Diese Collective Action Clauses (CACs) machen es rechtlich möglich, ab einer bestimmten Prozentschwelle auch unwillige Gläubiger zum Schuldenschnitt zu zwingen. Es kann also theoretisch dazu kommen, dass sich eine Mehrheit der Gläubiger von einer Minderheit - nämlich 66 Prozent der 50 Prozent - zum Schuldentausch zwingen lassen muss. Die Schwelle von 50 Prozent haben die Abstimmungswilligen bereits am Mittwoch überschritten. Stimmen von ihnen weniger als 66 Prozent für den Schnitt, scheitert der ganze Tausch. Was dann am Freitag passiert, will man sich in Athen gar nicht ausmalen.

Vor allem manche Hedgefonds bleiben bislang stur und wollen nicht verzichten. Die britische Financial Times schreibt, die Fonds spielten mit Griechenland chicken. Das ist jenes Halbstarkenspiel, in dem zwei Autofahrer aufeinander zurasen und in dem verliert, wer zuerst ausweicht. Dieses Spiel, schreibt die Zeitung weiter, sei allerdings eines, bei dem es um die finanzielle Zukunft eines ganzen Landes gehe.

[] Kann Griechenland die von der EU geforderte Quote von 95 Prozent Zustimmung organisieren? Auf diesen Anteil muss die Regierung kommen, indem sie erst freiwillig - und notfalls mit CACs - genug Besitzer von Anleihen nach griechischem Recht dazu gebracht hat, ja zu sagen. Dann muss sie genug Besitzer nach britischem Recht überzeugen. Die kann die Regierung nicht zwingen. Am Dienstag hatte der Bankenverband mitgeteilt, 30 Banken hätten dem Tausch zugestimmt, die zusammen 81 Milliarden Euro der insgesamt 206 halten. Damit sei eine Quote von 39,3 Prozent erreicht, das Wall Street Journal berichtete später, dass sie mittlerweile sogar bei 52 Prozent liege. Nach Einschätzung griechischer Experten mit Kontakten zum Finanzministerium vom Donnerstagmorgen sollen es sogar 60 Prozent sein.

[] Betroffen vom Schuldenschnitt sind Banken, Versicherungen, Rentenfonds, Pensionskassen und Hedgefonds. Griechische Banken halten dem Handelsblatt zufolge mit 45 Milliarden Euro den größten Anteil, andere europäische Banken sitzen auf Staatsanleihen im Wert von 40 Milliarden Euro. In Deutschland hält die Postbank mit fast einer Milliarde Euro die höchste Summe in griechischen Staatspapieren, bei der Commerzbank sind es 800 Millionen Euro. Die Deutsche Bank folgt mit weniger als 500 Millionen auf dem fünften Platz.

[] Die Aktivierung der CAC-Zwangsklauseln könnte auch andere Auswirkungen haben: Weil Griechenland die Gläubiger damit zwingt, auf Geld zu verzichten, könnte das ein sogenanntes Kreditereignis - also formale Zahlungsunfähigkeit - auslösen. Dadurch würden wiederum Kreditausfallversicherungen (Credit Default Swaps, CDS) fällig werden. Die sind ein Instrument zur Absicherung gegen Pleiten, können aber auch zur Spekulation verwendet werden - in diesem Fall für Wetten gegen Griechenland. Ob CDS fällig werden, entscheidet die für Derivate zuständige Organisation Isda (International Swaps and Derivatives Association). Vergangene Woche hatte sie noch dagegen votiert. Abhängig davon, wie der Krimi um den Schuldenschnitt in der Nacht auf Freitag ausgeht, muss sich die Isda möglicherweise noch mal treffen.

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