Vor dem Tag haben die Finanzmärkte gezittert: Es ging um Griechenland, es ging um Kreditausfallversicherungen, es ging um alles. Am Donnerstag entschied der Internationale Derivateverband (ISDA), ob der freiwillige Schuldenschnitt bei griechischen Staatsanleihen ein "Kreditereignis" darstellt. Klingt sehr technisch, hat aber weitreichende Folgen. Denn in diesem Fall würden auch Kreditausfallversicherungen (CDS) fällig, jene Finanzinstrumente, die nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman im Jahr 2008 fast zu einem weltweiten Flächenbrand geführt hätten.
Die große Gefahr ist erst einmal gebannt: Der ISDA entschied, dass der Schuldenschnitt kein Kreditereignis darstellt. Das bedeutet, dass die Versicherungen gegen einen Kreditausfall nicht ziehen. Für Investoren ist das eine schlechte Nachricht: Sie werden für ihre Verluste mit griechischen Anleihen nicht entschädigt. Das ist auch ein Schlag für Hedgefonds, die mit CDS spekulierten: Manche setzten damit auf einen Ausfall griechischer Staatsanleihen, ohne selbst welche zu besitzen.
Für die Finanzmärkte aber ist es eine gute Nachricht: Der mögliche Dominoeffekt, den manche befürchteten, wird nicht eintreten. Nach der Lehman-Pleite wurde offenbar, welche Sprengsätze sich hinter Kreditausfallversicherungen verbergen können. Allein beim US-Versicherer AIG hatten sich Investoren damals mit 527 Milliarden Dollar gegen den Ausfall von Papieren der US-Investmentbank abgesichert. Als Lehman pleite ging, wurde der Betrag fällig.
Da AIG diese gewaltige Summe niemals hätte zahlen können, wäre die Versicherung sofort selbst pleite gewesen - und mit ihr eine Reihe von Großbanken, die sich bei AIG abgesichert hatten. Es wäre zu einer Kettenreaktion gekommen, auch die Deutsche Bank war mit einem Milliardenbetrag betroffen. Nur die Tatsache, dass der Staat AIG rettete, verhinderte eine weltweite Katastrophe.
Böse Erinnerungen
Diese Erinnerungen wurden am Donnerstag wieder wach - bis der Derivateverband ISDA die Bombe entschärfte. Er teilte gleichzeitig mit, dass das Problem gar nicht so groß ist. Das Volumen der CDS auf griechische Staatsanleihen beträgt 2,5 Milliarden Euro, ein relativ kleiner Betrag. Die Furcht vor einem Dominoeffekt war also unberechtigt.
"Im Nachhinein sieht es so aus, als wäre die Gefahr von Investoren bewusst geschürt worden, um die Politik vielleicht doch noch dazu zu bringen, dass es zu keinem Schuldenschnitt kommt und der Steuerzahler einspringt", sagt Christoph Kaserer, Professor für Kapitalmärkte an der Technischen Universität München.
Auch Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann hatte vor einem Schuldenschnitt gewarnt mit dem Argument, dass man überhaupt nicht abschätzen könnte, was dann mit den CDS passiere, weil der Markt intransparent sei. "Dabei ist der Markt bei weitem nicht mehr so unreguliert. Der Finanzminister müsste bei der Bankenaufsicht abfragen können, wie viele CDS es gibt", sagt Kaserer.
"Schwer verständliche Entscheidung"
Viel Lärm um nichts also? Nicht ganz. Die Gefahr eines Dominoeffekts ist zwar gebannt, aber Experten befürchten, dass die Entscheidung des ISDA langfristige Folgeschäden haben könnte. "Es ist schwer verständlich, warum der Verband den Schuldenschnitt nicht als Kreditereignis eingestuft hat", sagt Kaserer. Schließlich sei es mit der Freiwilligkeit nicht weit her. Commerzbank-Chef Martin Blessing nannte den Schuldenschnitt "so freiwillig wie ein Geständnis in der spanischen Inquisition".
Der Finanzprofessor sieht die Gefahr, dass CDS völlig wertlos werden, wenn sie im Schadensfall nicht leisten. "Wer soll dann noch Kreditausfallversicherungen kaufen?", fragt Kaserer. Könnten sich Investoren nicht mehr gegen einen Ausfall von Staatsanleihen absichern, dann würden sie auch keine CDS mehr kaufen. "Die Staatsfinanzierung könnte dadurch langfristig nachhaltig beschädigt werden", sagt Kaserer.
Der Derivateverband ISDA lässt sich allerdings ein Hintertürchen offen: Das Kreditereignis könnte noch eintreten, wenn die griechische Regierung den Druck auf die Investoren verschärft, beim Schuldenschnitt mitzumachen. Bis zum 9. März müssen sich die Gläubiger entscheiden, ob sie einen Verlust von 53,5 Prozent akzeptieren.
Ist die Bereitschaft zu gering, könnte Griechenland nachträgliche Zwangsklauseln einführen: Stimmt die Mehrheit der Investoren dem Schnitt zu, müssten die anderen dann laut Gesetz zwangsläufig mitmachen. Das Kreditereignis könnte dann doch noch eintreten, und die Kreditausfallversicherungen würden fällig.