Frisches Geld für Griechenland:Athen kann durchatmen

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Das Schlimmste ist erst einmal abgewendet. Griechenland sammelt über eine Anleihe binnen weniger Stunden mehrere Milliarden ein. Ob das reicht?

Martin Hesse

Stellt man sich Giorgos Papandreou als Kapitän eines Segelschiffs vor, dann hat der griechische Regierungschef in diesen Tagen ein gekonntes Manöver hingelegt. Wochenlang war sein havarierendes Schiff namens Hellas scheinbar unaufhaltsam auf einen Eisberg namens Staatspleite zugeschlingert. Getrieben von Spekulanten und begleitet vom Geschrei aufgeregter Politiker schien es, als könne die Hellas allenfalls im Schlepptau der Europäischen Union oder des Internationalen Währungsfonds aus der Gefahrenzone gebracht werden.

Doch am Mittwoch präsentierte der Kapitän einen Plan, wie er das Schiff wieder seetüchtig machen will. 4,8 Milliarden Euro will das Land in diesem Jahr sparen, um die Staatsverschuldung wieder in den Griff zu bekommen. Noch am selben Tag applaudierten Politiker, Ratingagenturen und Investoren. Am Abend hielt Papandreou einen Finger in den Wind und stellte fest, dass sich der Wind an den Märkten gedreht hatte. Am Donnerstagmorgen ließ der Kapitän die Segel hissen und es gelang ihm, die Hellas ein ordentliches Stück vom Eisberg wegzumanövrieren.

Binnen weniger Stunden hat die griechische Regierung am Donnerstag Anleihen im Wert von mindestens fünf Milliarden Euro bei Investoren untergebracht. Die Nachfrage hätte für 16 Milliarden Euro gereicht, hieß es in Finanzkreisen. Am Nachmittag war noch unklar, wie viel Griechenland tatsächlich einsammeln würde. Auch die Zinsen, die Athen den Investoren bieten musste, waren nicht so hoch, wie man zwischenzeitlich befürchten musste. 6,35 Prozent reichten, das sind etwa drei Prozentpunkte mehr, als Anleger für Bundesanleihen erhalten. "Wenn man bedenkt, wie die Situation an den Märkten noch vor einer Woche war, ist es überragend gelaufen", sagte Kornelius Purps, Zins- und Währungsanalyst bei der Bank Unicredit.

Vergangene Woche hatten deutsche Banken signalisiert, sie hätten kein Interesse, noch mehr in griechische Staatsanleihen zu investieren. Kein Wunder, haben sie doch bereits rund 35 Milliarden Euro dort angelegt. Doch wer stürzt sich jetzt auf die hellenischen Schuldtitel?

Als Griechenland Ende Januar eine Anleihe ausgab, griffen vor allem große Fondsgesellschaften zu, aber auch internationale Banken und Versicherungen. Das sei auch diesmal so gewesen, vor allem bei Versicherern war das Interesse groß. Zu den neuen Geldgebern der Griechen dürften aber auch Hedgefonds zählen - die Athen mit ihren Spekulationen auf eine Staatspleite überhaupt erst so stark in die Bredouille gebracht hatten. Sie hatten über Kreditversicherungen - so genannte Credit Default Swaps (CDS) - auf einen Ausfall der Staatsschulden spekuliert. Wenn Hedgefonds derartige Wetten auflösen, decken sie sich häufig mit jenen Wertpapieren ein, auf deren Preisverfall sie zuvor spekuliert hatten.

Dass es Papandreou gelang, die Stimmung zu drehen, hat neben dem überzeugenden Sparplan auch mit dem Verhalten der europäischen Politik zu tun. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und EU-Kommissionspräsident Manuel Barroso hatten in den vergangenen Wochen scheinbar widersprüchliche Positionen vertreten. Mal sagte der Portugiese, die EU werde Griechenland auf jeden Fall beispringen, wenn es hart auf hart komme. Dann wieder schloss die Deutsche jede konkrete finanzielle Hilfe für Griechenland aus. So signalisierten die Partner Griechenlands in der Eurozone, dass sie es nicht zum Schlimmsten kommen lassen würden - ohne aber genau zu sagen, wie eine Hilfsaktion aussehen könnte und wann sie käme.

"Es sieht so aus, als hätten sich Berlin und Brüssel bewusst die Bälle zugespielt", sagt ein Anleihenexperte. So nahmen sie den Hedgefonds die Gewissheit, dass es keine Hilfe für Athen geben würde, hielten aber gleichzeitig den Druck auf die Regierung in Athen hoch. Kaum kündigte Papandreou den Sparhaushalt an, änderte sich die Rhetorik in Europa. Man ist voll des Lobes und verbreitet Zuversicht, dass die Griechen es schaffen.

Nun könnte sich an den Märkten eine umgekehrte Dynamik entfalten. "Die Anleger sehen, dass sie einen attraktiven Zinsaufschlag bekommen", sagt Anleihenexperte Klaus Holschuh von der DZ Bank. Deswegen könnten bald noch mehr Investoren aufspringen, wenn Griechenland erneut an den Markt geht.

Die Spekulanten jedenfalls beginnen sich auf andere Wackelkandidaten einzuschießen, etwa Großbritannien. "Das Spiel ist noch nicht vorbei", sagt Zinsexperte Purps. Auch für Griechenland nicht.

Schließlich könne die Angst von London auch wieder auf Athen überspringen. Das weiß auch Papandreou. Und noch eine Gefahr könnte sein Schiff doch noch zur Havarie bringen oder in das Schlepptau Brüssel treiben: In Athen gehen Tausende auf die Straße und protestieren gegen die Sparmaßnahmen. Die Besatzung der Hellas meutert.

© SZ vom 05.03.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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