Athen in Not:Die Griechen retten sich erst mal selbst

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Weniger Gehalt, weniger Rente: Die griechische Regierung legt ein rigoroses Sparprogramm auf. Und dann ist da noch ein Brief an die "lieben Deutschen".

Athen steckt in massiven finanziellen Schwierigkeiten - da hilft nur ein rigoroses Sparprogramm: Die griechische Regierung hat ihren Plan vorgestellt, der unter anderem Steuererhöhungen und Einschnitte bei Gehältern im öffentlichen Sektor vorsieht.

Wie Regierungssprecher Giorgos Petalotis in Athen erklärte, sollen im öffentlichen Dienst das 13. Gehalt um 30 Prozent und das 14. Gehalt um 60 Prozent gekürzt werden. Rentenzahlungen sollen sowohl für Beamte und als auch Angestellte im Privatsektor eingefroren werden.

Teil des insgesamt 4,8 Milliarden Euro umfassenden Sparpakets ist zudem eine Reihe von Steuererhöhungen: So sollen die Abgaben auf Alkohol, Tabak, Benzin und Luxusgüter heraufgesetzt werden. Die Mehrwertsteuer steigt um zwei Prozentpunkte auf 21 Prozent. Es handelt sich bereits um das dritte Sparprogramm, das die Regierung in Athen unter dem Druck der EU auflegt.

In einem offenen Brief an die "Lieben Deutschen" bittet der griechische Parlamentspräsident Philippos Petsalnikos um Hilfe in der dramatischen Haushaltskrise seines Landes. Dabei gehe es aber nicht um Geld, sondern um Solidarität und um eine faire Darstellung der griechischen Probleme.

"Wir Griechen erwarten nicht, dass die Deutschen uns 'retten'. Diese Aufgabe haben wir uns zunächst einmal selbst gestellt", schreibt Petsalnikos in dem im Magazin Stern veröffentlichten Brief. "Nicht Euer Geld, sondern Eure Solidarität und Eure Unterstützung braucht Griechenland, um die Angriffe der internationalen Spekulanten abwehren zu können. Wenn Griechenland ihnen zum Opfer fällt, ist es ein erster Dominostein."

Entsetzt über deutsche Medien

Petsalnikos beklagt sich darüber, dass vor allem in deutschen Medien mit "Unsachlichkeiten und fatalen Vereinfachungen" über Griechenland berichtet werde, die auf den Nenner hinausliefen: "Wir Deutschen zahlen, und ihr Griechen kassiert". Petsalnikos wies darauf hin, dass die Griechen mit allen Europäern Deutschland bei der Bewältigung der deutschen Einheit geholfen hätten. Außerdem habe Deutschland enorm von der Schaffung des EU-Binnenmarktes profitiert.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) begrüßte die Sparankündigungen Athens. Die Beschlüsse des griechischen Kabinetts "gehen in die richtige Richtung und verdienen unseren Respekt", erklärte er. Griechenland zeige damit "Verantwortung für Europa und die gemeinsame Währung". Nun sei entscheidend, dass die Beschlüsse rasch umgesetzt würden.

Wie die Nachrichtenagentur ANA meldete, schloss Papandreou auch eine Bitte um Hilfen des Internationalen Währungsfonds (IWF) nicht aus, sollte die EU dem Land nicht zur Seite stehen. Papandreou habe diese Möglichkeit offengelassen, berichtete ANA. Zuvor hatte er die EU zur "Solidarität" mit Griechenland aufgerufen. Griechenland hat ein Defizit von 12,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und soll es binnen eines Jahres auf 8,7 Prozent senken - erlaubt sind in der EU drei Prozent.

Im Video: Nach der Veröffentlichung der geplanten Sparmaßnahmen in Griechenland sprach Ministerpräsident Papandreou von schweren Entscheidungen.

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Lob von Juncker

Auch der Vorsitzende der 16 Staaten mit Eurowährung, Luxemburgs Regierungschef Jean-Claude Juncker, hat die Stabilitätsmaßnahmen der griechischen Regierung begrüßt. "Die heutigen Maßnahmen sind ein starkes Signal für die Bereitschaft der griechischen Regierung, mutige Entscheidungen zu treffen", heißt es in einer Erklärung Junckers. "Griechenlands ehrgeiziges Programm zur Korrektur der haushaltspolitischen Ungleichgewichte ist nun glaubwürdig auf dem richtigen Weg."

Die Entscheidungen bestätigten die Entschlossenheit der Athener Regierung, alles Nötige zu tun, um das Haushaltsdefizit um vier Prozentpunkte zu senken. "Die vollständige und rechtzeitige Umsetzung der haushaltspolitische Instrumente ist, zusammen mit entscheidenden Strukturreformen, von überragender Bedeutung."

Dies liege nicht nur im Interesse der griechischen Bevölkerung: "Es ist auch für die gesamte finanzielle Stabilität der Euro-Zone wichtig." Als Vorsitzender der Eurogruppe unterstütze er Griechenland, erklärte Juncker. "Die Mitglieder der Eurozone sind bereit, entschlossen und abgestimmt zu handeln, falls dies notwendig sein sollte, um die finanzielle Stabilität in der Euro-Zone als Ganzem zu sichern", erklärte Juncker.

Griechenland ist von der EU auf beispiellose Weise unter Aufsicht gestellt worden und muss sein riesiges Defizit bis Ende 2012 drastisch reduzieren. Derzeit sind Hilfsaktionen seitens der Europäischen Union oder einzelner Euro-Länder - obwohl laut EU-Vertrag verboten - im Gespräch.

Bereits 2004 war herausgekommen, dass sich Athen mit frisierten Zahlen den Beitritt zur Eurozone erschwindelt hatte. Auch in der aktuellen Krise steht der Vorwurf der Verschleierung des enorm ausufernden Staatsdefizits im Raum. In den vergangenen Wochen hatte es speziell zwischen Deutschland und Griechenland Verstimmungen gegeben. Zuletzt versuchte Athen, die Wogen wieder zu glätten.

© sueddeutsche.de/AFP/dpa/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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