Am Tag, als Angela Merkel als Parteichefin im Amt bestätigt wird, besucht Friedrich Merz ein Begräbnis. Während die Kanzlerin ihrer CDU in Essen zuruft: "Ihr müsst mir helfen!", lauscht ihr einstiger Gegenspieler der Trauermusik im Dom von Augsburg. Der Investmentbanker und Mäzen Kurt Viermetz ist gestorben, ein guter Bekannter von Merz und ein enger Freund von Theo Waigel. Also ist Merz hingefahren. Jetzt sitzt er im Auto, ist auf dem Weg nach München und will übers Handy erfahren, wie viele Delegierte Merkel diesmal gewählt haben. Auf Parteitage fährt er schon länger nicht mehr. Aber wie es seiner CDU geht - das wird ihn nie los lassen.
"Nächste Woche in Berlin? Frühstücken? Übers Leben reden? Mach ich gerne, einverstanden." Merz war immer offen, immer direkt. Er ist das auch im neuen Leben geblieben. Seit März arbeitet er für den weltgrößten Vermögensverwalter, das US-Unternehmen Blackrock. Das bedeutet Macht und Einfluss; immerhin verwaltet Blackrock für seine Kunden Anteile an allen Dax-Unternehmen. Arrogant oder überheblich aber soll ihn das nicht machen. Merz will das beweisen, bei sich bleiben. Also sagt er zu. Einfach so.
Ein Café in Berlin-Mitte. Eine Rückkehr dorthin, wo er Anfang der 2000er Jahre eine Macht war. Einer, der mal als größtes Talent seiner Partei galt. Der im Parlament berühmt war für seine scharfen Reden und in allem anders war als Angela Merkel. Er stammt aus dem Westen der Republik, er war immer wirtschaftsfreundlich, kämpfte für seine Bierdeckel-Steuerreform und betonte konservative Werte. Unvergessen sein Plädoyer für eine deutsche Leitkultur, das ihm größten Ärger einbrachte. Von fast allen Liberalen und Linken wurde er dafür politisch geprügelt, von Merkel gemaßregelt. Nur die Konservativen dankten es ihm. Aber die Zeiten waren im Herbst 2000 nicht so, dass er damit wirklich hätte punkten können. Was wäre wohl, wenn es den Politiker Merz heute noch gäbe? Nach Flüchtlingskrise, Terror-Anschlägen? Und angesichts der Sehnsucht vieler Christdemokraten nach starken Konservativen?
Merz sitzt am vereinbarten Morgen im Café, schmökert in der Zeitung, der Hemdkragen offen, die Hose leger. Als der Verfassungsschutzpräsident reinkommt, winken sich beide kurz zu. Man kennt sich noch immer. Dabei ist Merz schon ein bisschen älter geworden. Um die Augen des 61-jährigen haben sich einige Falten geschlichen. Entspannt wirkt er trotzdem - so entspannt wie vielleicht nie in seinem Politikerleben.
Eine Heuschrecke? Er lächelt und wirft die Arme in die Höhe: Nein, nun wirklich nicht!
Was damit zutun haben dürfte, dass das neue Leben mehr Raum lässt und mehr Luft zum Atmen. Seit zehn Jahren beherrscht nicht mehr die oft aggressive Aufgeregtheit der Hauptstadt sein Leben; 2005 nahm er das Angebot der amerikanischen Anwaltskanzlei Mayer Brown an, bei ihr Partner zu werden. Zuvor war er zum Stammsitz nach Chicago geflogen: "25 Grad Minus, zwei Meter Schnee - das werde ich nie vergessen." Das Klima in den Gesprächen freilich war so gut, dass er nach der Rückkehr dachte: "Du wärst bescheuert, wenn Du das nicht machen würdest."