Frankreich arbeitet an Staatsverschuldung:Sparen für das Heiligtum

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Frankreich kürzt seine Ausgaben, um seine Spitzennote bei den Ratingagenturen zu sichern. Die Pläne sehen aber auch vor, dass Reiche mehr zahlen sollen - und manche wollen das sogar.

Michael Kläsgen

Am Mittwoch war Frankreich an der Reihe. Nach einer langen Liste von anderen Euro-Ländern musste auch die französische Regierung einen Sparplan vorlegen. Premierminister François Fillon wartete den Börsenschluss in Europa ab, ehe er ihn bekanntgab. Den französischen Medien zufolge geht es um Einsparungen von bis zu zehn Milliarden Euro allein für das Haushaltsjahr 2012. Hinzu kommen sollten weitere Kürzungen von drei bis vier Milliarden Euro im laufenden Jahr.

Muss sparen: Der französische Präsident Nicolas Sarkozy fürchtet die Macht der Ratingagenturen. (Foto: dpa)

Es sollen Ausgaben gekürzt, Steuerschlupflöcher gestopft und eine Reichensteuer erhoben werden. Ziel des Sparplans ist es, die Neuverschuldung im kommenden Jahr auf 4,6 Prozent der Wirtschaftsleistung zu reduzieren. 2013 soll das Defizit auf drei Prozent sinken. Frankreich will dann bei der Neuverschuldung wieder den Maastricht-Kriterien entsprechen. Dieses Ziel sei "unantastbar", sagte Fillon. In den vergangenen Jahren hielt Frankreich seine Versprechen diesbezüglich allerdings nicht ein. Erschwert werden die Bemühungen jetzt, weil sich Frankreichs Wirtschaftswachstum abgeschwächt hat und dem Staat deswegen Einnahmen entgehen, die er zur Tilgung der Schuld bereits eingeplant hatte.

Die Regierung rechnete bislang mit einem Wachstum von zwei Prozent in diesem Jahr, von 2,3 Prozent im kommenden Jahr und von 2,5 Prozent 2013. Die Vorhersagen des Internationalen Währungsfonds und anderer Institutionen liegen darunter. Frankreich musste vor kurzem für das zweite Quartal 2011 ein Nullwachstum bekannt geben. Im dritten Quartal soll es nach Angaben der Notenbank nur 0,2 Prozent betragen.

Die Sparanstrengungen sind auch deshalb nötig, damit die Ratingagenturen Frankreichs Kreditwürdigkeit weiter mit der Bestnote AAA bewerten. Diese Bonitätsnote sei ein "nationales Heiligtum" sagte Alain Minc, ein Vertrauter von Staatspräsident Nicolas Sarkozy. Zweifel an Frankreichs Solidität kamen auf, weil die Gesamtverschuldung des Landes seit 2007 rasant von 1,2 auf nun mehr als 1,6 Billionen Euro angestiegen ist. Die Neuverschuldung erreichte 2011 gut 92 Milliarden Euro.

Haushaltsministerin Valérie Pécresse sagte, die Maßnahmen würden ausgewogen auf alle Schultern verteilt. Die Regierung schloss auch eine sogenannte Reichensteuer nicht mehr aus. Dazu hatte vorige Woche als Erster des Chef des Werbekonzerns Publicis, Maurice Lévy, aufgerufen. Dem Appell schlossen sich nun 16 weitere Unternehmenslenker an, darunter die von Danone, Peugeot und L'Oréal. Auch die reichste Frau Frankreichs, die L'Oréal-Erbin Liliane Bettencourt folgte dem Aufruf. "In dem Augenblick, wo die Regierung von allen eine solidarische Anstrengung verlangt, scheint es uns notwendig, dazu beizutragen", schrieben die Unternehmer.

Die Oppositionspolitikerin und Ex-Präsidentschaftskandidatin Ségolène Royal sagte: "Es ist nun an der Zeit, dass all jene, die von den Steuergeschenken der Regierung seit 2007 profitiert haben, diese zurückzahlen." Der sozialistische Abgeordnete Manuel Valls kritisierte, es handele sich nur um ein "politisches Manöver". Unbestätigten Schätzungen zufolge soll die Steuer bis zu 300 Millionen Euro einbringen.

Steuervergünstigungen wollte die Regierung dem Vernehmen nach nur streichen, wenn keine Arbeitsplätze dadurch gefährdet werden. Explizit schloss die Regierung bereits aus, den verminderten Mehrwertsteuersatz für Gastwirte aufzuheben. Offenbar sollte die Vergünstigung auch für den Bausektor erhalten bleiben. Beides kostet den Staat jährlich acht Milliarden Euro. Die Zuschüsse für Forschungs- und Entwicklungsausgaben für Unternehmen will die Regierung sogar noch ausweiten, wie sie am Mittwoch nach der ersten Kabinettssitzung nach der Sommerpause mitteilte.

Die Steuerbefreiung von Überstunden soll offiziell nicht eingestampft werden, weil dann vom Reformwerk Sarkozys nichts mehr übrig bliebe. Sie soll aber eine neue Bemessungsgrundlage erhalten. Durch die Maßnahme lässt sich der Staat jährlich 4,5 Milliarden Euro entgehen. Überdies hemmt sie Neueinstellungen. Geprüft wurde auch, ob sich die untere Besteuerungsgrenze von bislang sechs Prozent des Einkommens plus einer festen Summe von 18 000 Euro absenken lässt und welche Sparmöglichkeiten es bei der gesetzlichen Krankenversicherung gibt - unter anderem könnten Krankschreibungen strenger gehandhabt werden.

© SZ vom 25.08.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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