Frankreich:Am Hofe von Macron

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Gerade gut genug: Das Prunkschloss von Versailles, einst vom Sonnenkönig Ludwig XIV. erbaut, ist an diesem Montag die Kulisse für „Choose France“, den Investorengipfel des französischen Präsidenten Emmanuel Macron. (Foto: imago/imagebroker)

Auf Schloss Versailles will Frankreichs Präsident Konzernchefs aus aller Welt von seinem Land überzeugen. Doch die Bilder gewalttätiger Gelbwesten stören den einstigen Investorenliebling bei seiner Charmeoffensive.

Von Leo Klimm, Paris

Wie weit geht die Gewalt? Wie sicher ist es, Mitarbeiter nach Frankreich zu entsenden? Und: Stellt Emmanuel Macron jetzt seine Wirtschaftsreformen ein?

Das seien die Fragen, räumt man im Umfeld des französischen Präsidenten ein, die ausländische Manager zurzeit an die Regierung in Paris richten. Die Bilder von zerstörungswütigen Gelbwesten, die Frankreich seit Wochen in die Welt sendet, haben Investoren und Firmen - gelinde gesagt - verunsichert. Dabei ist eines der wichtigsten wirtschaftspolitischen Ziele Macrons gerade ihr Geld ins Land zu locken.

An diesem Montag will der Staatschef den Bildern vom Zorn der Gelbwesten gegen ihn und seine Steuerpolitik etwas entgegensetzen: Macron lädt 150 Spitzenmanager aus aller Welt zum Bankett ins Prunkschloss von Versailles. In der Absicht, die Verunsicherung zu lösen und die Vorzüge Frankreich zu preisen. Die Gäste sind prominent. Unter ihnen finden sich Microsoft-Chef Satya Nadella, Dara Khosrowshashi von Uber oder Jamie Dimon, Lenker der Großbank JP Morgan. Auch Vorstände deutscher Unternehmen wie BMW, Bayer, Bosch oder Allianz sind dabei.

Schon 2018 hatte Macron seinen Gipfel "Choose France" geschickt vor das Weltwirtschaftsforum in Davos platziert - als praktischen Zwischenstopp auf dem Weg der Konzernbosse zu ihrem Jahrestreffen in der Schweiz. Für den jungen Präsidenten hat sich die Lage aber völlig verändert: Macron steht im eigenen Land massiv unter Druck, zugleich will er der globalen Wirtschaftselite zeigen, dass sein Eifer ungebrochen ist. Er ist nicht mehr der gefeierte Wunderknabe, dem alles zu gelingen scheint.

"Wir arbeiten daran, unsere Schwächen zu beseitigen", sagt der Präsident

Sofort nach seiner Wahl 2017 hatte er unternehmensfreundliche Reformen umgesetzt, darunter die Lockerung des Arbeitsrechts, eine Flat Tax auf Kapitalerträge und die Abschaffung der Vermögenssteuer, die er als Investitionsbremse sieht. Mit einem Schlag wandelte sich darauf bei Investoren das Image Frankreichs, das bis dahin vor allem als Hochsteuerland mit streiklustigen Beschäftigten galt. Studien wiesen eine spektakuläre Zunahme der Ansiedlungsprojekte aus. Konzerne wie Daimler und Toyota machten nach dem ersten "Choose France"-Gipfel jeweils Hunderte Millionen Euro locker.

Doch unter dem Eindruck der Gelbwesten-Proteste, in denen sich Ängste vor sozialem Abstieg mit Wut über Steuerungerechtigkeit verbinden, weicht der Staatschef seine Politik auf. Er verteilt zehn Milliarden Euro an Hilfen für Geringverdiener. Den Gelbwesten reicht das nicht: Eine ihrer Hauptforderungen ist die Vermögenssteuer wieder einzuführen. Ihre anhaltenden Proteste setzen zudem der Konjunktur zu. Und plötzlich finden auch einschlägige Statistiken der Industrieländerorganisation OECD wieder Aufmerksamkeit, denen zufolge trotz Macrons Mühen nur Indien und Kongo höhere Körperschaftssteuern haben als Frankreich. Einen Teil der Hilfen für die Gelbwesten finanziert die Regierung dadurch, dass sie 2019 auf die geplante Senkung eben dieser Steuer verzichtet.

"Wir arbeiten daran, unsere Schwächen zu beseitigen", heißt es trotzig im Umfeld des Präsidenten. Angesichts der schwierigen Lage gibt man sich im Pariser Élysée-Palast vor dem Treffen mit den Unternehmenschefs bescheiden: Selbst wenn auch dieses Jahr konkrete Investitionszusagen erwartet würden, gehe es mehr darum, die Ankündigungen der Unternehmen vom letzten Mal auszuwerten. Vor allem jedoch wolle Macron seine internationalen Gäste beruhigen. "Er wird erklären, was er schon an Reformen geschafft hat und was noch kommt", sagt ein Vertrauter. Für 2019 stehen auf der To-Do-Liste des Präsidenten unter anderem Reformen der Arbeitslosenversicherung und des Rentensystems. Daran werde nicht gerüttelt, heißt es. Macron selbst hat in den vergangenen Tagen außerdem klar gemacht, dass er die Wiedereinführung der Vermögenssteuer strikt ablehnt. "Mit der Reichensteuer werden wir bestimmt nicht das Problem der Massenarbeitslosigkeit regeln", sagt er.

Der Präsident hat fast alle seine Minister zum Speed-Dating mit den Konzernchefs abgeordnet. Im 30-Minuten-Takt sollen sie Einzelgespräche führen, um sicherzustellen, dass die Grundbotschaft ankommt: Gelbwesten und Rekordsteuern hin oder her - Frankreich ist für internationale Firmen attraktiv, nicht zuletzt für solche, die im Zuge des EU-Austritts neue Standorte suchen. Auch Macron selbst wird einige Topmanager persönlich bearbeiten, bevor er beim Dinner eine möglichst mitreißende Tischrede halten will.

Dabei steht das Schloss, in dem er die Investoren hofiert, nicht gerade für Dynamik und Modernität. Macrons Mitarbeiter haben sich auch dabei etwas gedacht: "An diesem berühmten Ort zu speisen, kann den Konzernchefs doch Lust machen." Ob das Versailler Treffen auch bei den Gelbwesten gut ankommt, ist eine andere Frage.

© SZ vom 21.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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