Wolfgang Schäuble setzte eine feierliche Miene auf, als der Herr zwei Meter rechts von ihm zum Füller griff, den Rücken durchdrückte und schwungvoll seine Unterschrift auf das vor ihm liegende Blatt Papier setzte. Seht her, sagte der Blick des Bundesfinanzministers, wir Deutschen sind sehr wohl mehr als nur Sparprediger, wir behalten auch Wachstum, Beschäftigung und die soziale Balance im Auge. Mehr als ein Dutzend Kameras fing die Miene ein, die es bis in die Hauptnachrichtensendungen des griechischen Fernsehens und tags drauf auf die Titelseiten der großen Zeitungen schaffte.
Der Herr, der da Mitte Juli rechts von Schäuble im Athener Finanzministerium Platz genommen hatte, war Ulrich Schröder, Chef der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) - jener Staatsbank, die hilft, wenn der Bund Geld ausgeben oder aufnehmen will, ohne selbst Geld auszugeben oder aufzunehmen. In Griechenland soll die KfW beim Aufbau eines Förderfonds helfen, der Betriebe mit bezahlbaren Krediten versorgt und so das Wachstum fördert. Im Gespräch ist ein KfW-Beitrag von 100 Millionen Euro. Spanien hat die Bank sogar 800 Millionen zugesagt.
Eine gute Sache, möchte man meinen, denn bisher werden die Firmen Südeuropas mit ihren Regierungen in Sippenhaft genommen und zahlen hohe Zinsen. Dennoch herrscht im KfW-Verwaltungsrat erheblicher Unmut über den Wohltäter Schäuble - und zwar ausgerechnet bei denen, die ihm vorwerfen, sich seit Jahren einen feuchten Kehricht um das Wachstum in den Krisenländern zu kümmern.
"Es ist eine Frage der Seriosität"
Die Kritik richtet sich denn auch weniger gegen die Pläne des Ministers an sich als vielmehr - einmal mehr - gegen dessen Informationspolitik: Schäuble reise mit dem Füllhorn durch Europa, ohne die Aufsichtsgremien der KfW auch nur informiert, geschweige denn konsultiert zu haben, heißt es im Umfeld des Rats: "Unser letztes Treffen war am 4. Juli, da wusste Herr Schäuble schon, dass er wenige Tage später mit KfW-Geld im Gepäck nach Griechenland fahren würde. Im Verwaltungsrat fiel dazu aber kein einziges Wort. Es ist eine Frage der Seriosität, uns zu informieren, wenn die KfW eine ganz neue Tätigkeit mit beträchtlichen Risiken für den Bundeshaushalt aufnimmt."
An anderer Stelle ist gar von einem Affront Schäubles die Rede. In Ratskreisen wird zudem darauf verwiesen, dass die KfW von sich aus nie in das Geschäft mit zinsverbilligten Krediten an kleine und mittlere Betriebe etwa in Spanien eingestiegen wäre - wenn nicht der Bund eine hundertprozentige Ausfallbürgschaft übernommen hätte. "Zu unübersichtlich, zu riskant!", wird in den Kreisen ein Vorstandsmitglied der Bank zitiert.
Gesine Lötzsch, die für die Linksfraktion im KfW-Verwaltungsrat sitzt, hält Schäuble immerhin zugute, erkannt zu haben, "dass die Politik des Totsparens in den Krisenländern gescheitert ist". Es sei richtig, dass nun endlich auch in Wachstum investiert werde. Skeptischer ist da ihr Ratskollege Carsten Schneider (SPD): "Schäuble sollte lieber dafür sorgen, dass die Bankbilanzen in den betroffenen Ländern in Ordnung gebracht werden", kritisiert er. "Stattdessen reist er durch Europa und verteilt Pflästerchen, die den deutschen Steuerzahler teuer zu stehen kommen können."