Facebook:Zuckerberg räumt Fehler ein

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Facebook steckt mitten im Datenskandal, doch die Konzernspitze hüllt sich erst einmal in Schweigen. Am Mittwochabend meldet sich der Chef doch noch und verspricht bessere Kontrollen

Von Helmut Martin-Jung und Kathrin Werner, New York/München

„Wir sind keine Medienunternehmen“, entgegnet Mark Zuckerberg auf Kritik an Inhalten auf Facebook. Das könnte bald nicht mehr reichen. (Foto: David Paul Morris/Bloomberg)

Mark Zuckerberg hat gesprochen. Der Mann, der Facebook von einer Idee in seinem College-Zimmerchen zu einem der mächtigsten Konzerne des Internets machte, hat so lange zu der größten Krise in der 14-jährigen Geschichte seines sozialen Netzwerks geschwiegen, dass sich im Internet eine Suchmeldung mit dem Hashtag #WhereIsZuck verbreitete. "Wir haben eine Verantwortung, Eure Daten zu schützen", schrieb er dann am Mittwochabend bei Facebook an seine Nutzer. "Und wenn wir das nicht können, verdienen wir nicht, Euch zu dienen." Die Datenanalyse-Firma Cambridge Analytica hatte sich Zugang zu Informationen über mehr als 50 Millionen Facebook-Nutzer verschafft und so im US-Wahlkampf bei Facebook Stimmung für Donald Trump gemacht. Zuckerberg und Sheryl Sandberg, die Nummer zwei im Konzern, sahen die Sache laut Medienberichten lange so: Der Vorfall sei nicht ihre Schuld, Cambridge Analytica habe die Daten missbraucht und gelogen. Also ließen sie ihre Presseabteilung eine Meldung schreiben und taten ansonsten: nichts. Bis zu Zuckerbergs Statement. "Die gute Nachricht ist, dass wir die wichtigsten Schritte vor Jahren getan haben, damit dies nicht noch einmal passieren kann", schrieb er. "Aber wir haben auch Fehler gemacht, es gibt noch mehr zu tun."

Zuckerberg wollte einst die Menschen zusammenbringen auf einer weltweiten, kostenlosen Plattform. Mehr als zwei Milliarden Nutzer hat das soziale Netzwerk heute, sie füttern es freiwillig mit ihren Informationen. Kaum ein Unternehmen kommt ohne Anzeigen auf Facebook aus. Weltweit sammelt Facebook gemeinsam mit Google mehr als drei Viertel aller Online-Werbeausgaben ein.

Facebook weiß erheblich mehr über seine Nutzer, als die meisten ahnen. Das wird unter anderem an den Kategorien deutlich, die das Unternehmen Werbekunden anbietet, damit diese zielgerichtet Anzeigen schalten können: Facebook weiß nicht bloß, ob man ein Haus besitzt, sondern auch, wie groß das Grundstück ist, auf dem es steht, wie groß das Haus ist und wann es gebaut wurde. Wer hat geheiratet, wer erwartet ein Kind, welcher politischen Richtung neigen Nutzer zu, welche Musik mögen sie, wo arbeiten sie? Das Unternehmen weiß das, weil Nutzer ihr Hochzeitsfoto hochladen und Artikel kommentieren. Außerdem bekommt es mit, wer auf welchen Seiten surft.

Das gilt für die Websites, auf denen es sogenannte Like-Buttons gibt, mit denen man durch einfaches Anklicken einen zustimmenden Facebook-Post auslösen kann. Wer sich im Browser nicht von Facebook abmeldet, wird ebenfalls durch das gesamte Netz verfolgt. Aus all diesen Daten lassen sich durch Algorithmen mit künstlicher Intelligenz Schlussfolgerungen ziehen, auch wenn die Nutzer das nicht explizit angegeben haben.

Doch die eigene Macht scheint Zuckerberg nie so recht bewusst geworden zu sein - genauso wenig wie die Verantwortung, die mit dieser Macht verbunden ist. Jedes Mal, wenn es Kritik gibt, etwa an über Facebook verbreiteten Inhalten, hatte er stets nur den gleichen Spruch parat: Facebook biete nur eine Plattform für die Inhalte der anderen. "Wir sind keine Medienunternehmen", sagt der 33-jährige Firmenchef.

Unterdessen fordern sogar Menschen, die mit Facebook reich geworden sind, zum Boykott auf. "Es ist an der Zeit", schrieb etwa Brian Acton, der seinen Messengerdienst Whatsapp 2014 für 16 Milliarden Dollar an Facebook verkaufte, und versah die Meldung mit dem Hashtag #deletefacebook. Doch für viele Nutzer ist Facebook die bequemste Art, bei Freunden auf dem Laufenden zu bleiben. Wer nicht bei Facebook ist, könnte ja etwas verpassen.

Eines der Probleme an diesem Skandal ist, dass er nicht auf Datenklau beruht, sondern auf Facebooks ganz normalem Geschäft. Der Wissenschaftler, der die Daten bei Facebook abgriff und später an Cambridge Analytica verkaufte, musste gar nicht tricksen. Er bat Facebook um Zugang und Facebook gewährte ihn. Als Facebook später die Regeln änderte und bat, die Daten zu löschen, überprüfte die Firma nicht, ob sie auch tatsächlich gelöscht wurden.

Facebook hat Interesse daran, dass möglichst viele Anbieter wie Spielegestalter oder Werbekunden Apps für Facebook bauen. Sie machen das Netzwerk interessanter für die Nutzer, ihre Risiken hat Facebook unterschätzt. Beim Apple-Konzern, der ebenfalls Apps von Dritten bauen lässt, können die Nutzer weitgehend dagegen entscheiden, ihre Daten für gezielte, personalisierte Werbung freizugeben. Bei Facebook gibt es diese Möglichkeit nicht. Und selbst wenn die Firma den Nutzern ermöglicht, sich besser zu schützen, informiert sie nicht darüber und verbirgt Datenschutz hinter komplizierten Einstellungen, die sich ständig ändern. Nutzer und ihre Daten sind Macht und Macht ist Geld.

Dass Zuckerberg bislang nicht bereit ist, auch nur auf einen Teil des wertvollen Datenbergs zu verzichten, liegt auch an einem grundlegenden Dilemma: Ein Facebook mit wirkungsvollem Datenschutz und strenger Inhaltskontrolle funktioniert wahrscheinlich einfach nicht - es wäre langweilig. "Ich glaube nicht, dass ein digitales Utopia existieren kann, in dem jeder Privatsphäre, Anonymität und Auswahlmöglichkeiten hat, aber die bösen Leute per Zauberkraft außen vor bleiben", fasste Alex Stamos zusammen, Facebooks Chef der Datensicherheitsabteilung, der laut New York Times aus Frust über Zuckerbergs Handlungsschwäche gehen will.

Zuckerberg, der alle Skandale wie Probleme der PR-Abteilung behandelt, statt sie als Strategieproblem zu erkennen, wird handeln müssen. Die Generalstaatsanwälte mehrerer US-Bundesstaaten und die mächtige US-Handelsbehörde FTC ermitteln. Der Kongress will Zuckerberg zum Kreuzverhör zwingen. Das britische Parlament will ihn vorladen. Erste Anleger verklagen Facebook, weil die Firma sie getäuscht habe. Und auch deutsche Behörden befassen sich mit Facebook. Der Hamburger Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar will prüfen, wie Apps von Drittanbietern auf Daten von Facebook-Nutzern zugreifen, besonders von jenen, die Apps selbst nicht installiert haben. Das sei ohne Einwilligung nicht zulässig, glaubt er. Facebook selbst will nun Apps überprüfen, die Daten abgesogen haben. Es soll außerdem einen einfachen Überblick für Facebook-Nutzer geben, welche Apps sie nutzen, damit man die Berechtigungen prüfen kann. Entwickler sollen weniger Zugang zu Daten bekommen. "Mir ist es ernst damit, zu tun, was nötig ist, um unsere Gemeinschaft zu schützen", so Zuckerberg. Seit der Datenmissbrauch bekannt wurde, hat Facebook mehr als 60 Milliarden Dollar an Börsenwert verloren. "Die Investoren reagieren wegen Angst vor Regulierung und den Konsequenzen von Regulierung", sagte Brian Wieser von der Marktforschungsfirma Pivotal. "Das Ausmaß der Fehler kann einen nur zu der Schlussfolgerung führen, dass es sich um systemische Probleme handelt."

© SZ vom 22.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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