Mario Draghi ist ein schlauer Politiker. Ja, man darf den Präsidenten der Europäischen Zentralbank EZB einen Politiker nennen, denn er handelt ganz anders, als es der klassischen Bundesbank-Definition eines Währungshüters entspricht. Draghi konzentriert sich nicht auf die Inflation, wie es diese Definition verlangt, sondern auf die Rettung des Euro - die Aufgabe der Politiker.
Sein Vorgänger Jean-Claude Trichet hatte schon den Euro zu retten versucht, indem er für viel Geld Staatsanleihen maroder Währungsmitglieder aufkaufte. Damit zog er viel Kritik auf sich, weil die Zentralbank zuvor nie so handelte und auf den Papieren sitzenbleibt, wenn die maroden Staaten pleitegehen. Draghi fängt es geschickter an: Er gibt einfach Europas Geschäftsbanken das Geld, und die kaufen dann viele Anleihen maroder Länder - auch das hilft dem Euro, die Öffentlichkeit bemerkt nur nicht so schnell wie bei Trichet, dass Draghi als Politiker handelt, der den Euro rettet. Die Risiken dieser Politik kann aber auch ein Schlauer wie Draghi nicht verbergen.
Am Dienstag hat Europas oberster Zentralbanker Europas Geschäftsbanken die unfassbare Summe von einer halben Billion Euro geliehen, zu niedrigsten Zinsen - und sie können damit machen, was sie wollen. Genauso viel hatte der Italiener schon vor Weihnachten verliehen. Zusammen entspricht diese Summe dem Dreifachen aller griechischen Schulden. Ein Riesengeschenk an die Banken, von denen viele mit ihren Praktiken die Finanzkrise auslösten - dass sich die Deutschen über diesen Vorgang weniger aufregen als über den Ehrensold für Ex-Präsident Wulff, liegt vor allem daran, dass er nicht so leicht zu verstehen ist. Begriffe wie "Tender" oder "Liquiditätshilfen" verbergen mehr, als sie erklären. Was also bedeutet die Billig-Billion für die Banken?
Draghi kopiert den gescheiterten Magier Greenspan
Zunächst mal ist zu Draghis Ehre festzustellen, dass seine Politik dem Euro hilft. In den vergangenen Wochen sind die Zinsen für spanische oder italienische Staatspapiere rasant gesunken. Das lag sicher nur zum Teil daran, dass die Sparpakete und Reformen dieser Euro-Schwergewichte glaubwürdiger wirken als bei Griechenland. Vor allem liegt es daran, dass spanische oder italienische Banken viel Geld von Draghi bekamen und damit unter anderem heimische Anleihen kaufen. Geholfen hat die Finanzspritze auch, um die Banken gerade im Süden Europas zu stabilisieren, die zum Jahresende wegen der Skepsis über ihre Zukunft und die ihrer Heimatstaaten auszutrocknen drohten.
Diese Erfolge täuschen aber nicht über die immensen Risiken von Draghis Politik hinweg. Im Grund kopiert der früher in Amerika tätige Italiener das amerikanische Notenbank-Modell. Ex-Fed-Chef Alan Greenspan pumpte jede Menge Geld ins System, Amerika boomte auf Pump - und das Erwachen kam in der Finanzkrise, weil das viele billige Geld in viele Produkte floss, deren Preise erst magisch anstiegen - und dann brutal kollabierten. Die Folge: Millionen Menschen auf dem ganzen Globus verloren ihren Job, Banken mussten für viele hundert Milliarden Euro vom Steuerzahler gerettet werden.
Draghis Billig-Billion fördert das Entstehen einer neuen Finanzblase. Das lässt sich an den Kursen der Staatsanleihen ablesen, aber auch am Aktienmarkt, der sich gerade erstaunlich positiv entwickelt. Draghi muss versuchen, eine neue Finanzblase um jeden Preis zu verhindern. Doch das ist schwierig, wie die historische Erfahrung zeigt. Alan Greenspan, einst als Magier gerühmt, hat sich bei diesem Versuch entzaubert.
Richtig schwierig wird es, wenn das viele Geld der EZB über die Geschäftsbanken in die Wirtschaft wandert, als Kredite an Unternehmen und anderes. Dann droht ein künstlicher Boom, der die Preise hochtreibt - und später die Wirtschaft lähmt und die Konten der Sparer entwertet. Das muss nicht passieren, in Greenspans Amerika ist es nicht geschehen. Die EZB kann der Wirtschaft das Geld nämlich wieder entziehen. Doch das ist kein einfacher Prozess. Mario Draghi, der ein Politiker sein will und kein normaler Notenbanker, begibt sich auf einen gefährlichen Weg.