Geldpolitik:"Wir wollen der Inflation das Kreuz brechen"

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Christine Lagarde, Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), spricht während der EZB-Pressekonferenz. (Foto: Arne Dedert/dpa)

Im Kampf gegen den starken Preisanstieg schraubt die EZB den Leitzins mit 4,25 Prozent auf den höchsten Stand seit 2008.

Von Markus Zydra, Frankfurt

In ihrem Kampf gegen die hohe Inflation hat die Europäische Zentralbank die Kreditaufnahme zum neunten Mal in Folge verteuert. "Wir wollen der Inflation das Kreuz brechen", sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde am Donnerstag in Frankfurt. Der Leitzins, zu dem sich Geschäftsbanken Geld von der Zentralbank besorgen können, liegt nach der beschlossenen Anhebung um 0,25 Prozentpunkte jetzt bei 4,25 Prozent. Das ist der höchste Stand seit 2008. Der Einlagenzins, das ist der Betrag, den Banken erhalten, wenn sie überschüssiges Geld auf ihrem EZB-Konto parken, beträgt 3,75 Prozent - das ist die höchste Vergütung seit 2000.

Ob die EZB auch bei der nächsten Sitzung im September den Leitzins erhöhen wird, ist offen. "Wir könnten erneut anheben, wir könnten nichts tun, es hängt von den Daten ab. Aber wir werden auf keinen Fall die Zinsen senken", sagte Lagarde. Die Anleger hoffen nach den jüngsten Schritten von EZB und US-Notenbank auf ein Ende der Zinserhöhungen. Der Deutsche Aktienindex beendete den Tag 1,7 Prozent höher bei 16406 Punkten, dem bisher höchsten Schlussstand.

Die EZB hat in den vergangenen zwölf Monaten die schnellste Zinswende ihrer Geschichte hingelegt - noch im Juli 2022 lag der Hauptrefinanzierungssatz bei null Prozent. "Mit dieser Zinserhöhung ist der Job der EZB erstmal getan. Ab jetzt schließt sich das Fenster für weitere Leitzinserhöhungen, denn die Inflation wird im Herbst deutlich sinken", sagt Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Dekabank. Man müsse abwarten, ob die bisherige Dosis an Zinserhöhungen ausreicht, um die Inflation auch langfristig auszutreiben. "Eine Lockerung der Geldpolitik ist daher bis weit ins nächste Jahr hinein nicht in Sicht."

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Die höheren Zinsen sollen die wirtschaftliche Nachfrage hemmen und dadurch den Inflationsschub bremsen. Im Bausektor ist die Straffung der Geldpolitik schon zu spüren, allerdings dauert es noch deutlich länger, bis die höheren Kreditkosten in allen Verästelungen der Wirtschaft ihre Wirkung entfalten. Einige Haushalte haben Ersparnisse, die sie nun trotz der hohen Preise aufbrauchen. Auch manche Firmen machen so gute Geschäfte, dass höhere Zinsen bislang kein Problem darstellen. Deutschland steht in diesem Jahr vor einer Rezession. Das muss nicht nur an der straffen Geldpolitik liegen - aber auch. Die EZB strebt für die Währungsunion mittelfristig eine Teuerungsrate von zwei Prozent an. Im Juni notierte die Inflation mit 5,5 Prozent fast dreimal so hoch.

Wann fällt die Teuerungsrate endlich auf Zielniveau?

Inzwischen greifen die Währungshüter die Inflation auch mal verbal an. Bundesbankpräsident Joachim Nagel sprach vom "gierigen Biest", EZB-Chefin Lagarde von einem "Monster". Das mag Ausdruck ihrer Ungeduld sein, dass die Teuerungsrate endlich auf Zielniveau fällt. Die Energiepreise steigen inzwischen zwar deutlich weniger, die Lebensmittel hingegen immer noch stark, dazu kommen die hohen Preisaufschläge im Dienstleistungssektor.

Die Zentrale der Europäischen Zentralbank (EZB) am frühen Morgen. Die Notenbank hat in den vergangenen zwölf Monaten die schnellste Zinswende ihrer Geschichte hingelegt. (Foto: Helmut Fricke/dpa)

Europas Notenbanker blicken inzwischen verstärkt auf die sogenannte Kerninflation, bei der die besonders schwankungsanfälligen Preise für Energie und Lebensmittel herausgerechnet werden. Dieser Wert, der den mittelfristigen Trend des Preisanstiegs besser widerspiegeln kann, lag im Juni bei 5,5 Prozent - im März hatte dieser Wert mit 5,7 Prozent den höchsten Stand in der Geschichte der Eurozone erreicht. Auch in den USA ist die Kerninflation mit 4,8 Prozent noch sehr hoch. Notenbankchef Jerome Powell hat am Mittwoch den Leitzins auf die Spanne 5,25 bis 5,5 Prozent angehoben. Das ist der höchste Wert seit 22 Jahren.

Die EZB hat darüber hinaus beschlossen, die Mindestreserven der Banken nicht mehr zu verzinsen. Europas Geldhäuser sind verpflichtet, einen bestimmten Betrag bei der Notenbank zu hinterlegen. Die Währungshüter begründen die Entscheidung mit geldpolitischen Gründen. "Wir reduzieren unsere Zinszahlungen, unsere Geldpolitik wird effizienter", sagte Lagarde. Die Banken haben im vergangenen Jahr von den steigenden Zinsen stark profitiert - und gleichzeitig nur wenig davon an ihre Kunden weitergegeben. Der Zins für die Pflichtreserve lag bislang über drei Prozent - das war ein hoher und risikoloser Profit.

Es gab eine akademische Debatte darüber, ob diese Verzinsung eine ungerechtfertigte Subvention für die Bankenindustrie darstellt. "Die Entscheidung, die Mindestreserve nicht mehr zu verzinsen, ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Sie reicht aber längst nicht aus, um die Subventionszahlungen der EZB an die Banken auszugleichen", sagt Michael Peters, Bankenexperte der Bürgerbewegung Finanzwende. "Die EZB hatte in Zeiten niedriger Zinsen die Bilanzen der Banken mit 36 Milliarden Euro an öffentlichen Geldern aufgepäppelt. Durch die steigenden Zinsen sind diese Subventionen längst überflüssig geworden. Die ausbleibende Verzinsung der Mindestreserve wird nur einen Bruchteil dieser Gelder wieder zurückholen", sagt Peters.

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