20 Jahre ist das nun her, 1992 in Tübingen, dem schwäbischen Provinzstädtchen, das mit einer stolzen Universität gesegnet ist und einer großen gutbürgerlichen Gelassenheit. In der Weinstube Mayerhöfle in der Haaggasse zahlten wir mit D-Mark, womit denn sonst. Vom Fall der Mauer hatte man dort wenig mitbekommen, nun drang die Kunde herein, dass es vielleicht bald eine Gemeinschaftswährung geben könnte. Ein Thema wie geschnitzt für eine kleine, aber feine Forschergruppe, die sich ausgerechnet die "Europäische und Internationale Wirtschaftsordnung" auf die Fahnen geschrieben hatte. Professoren, Assistenten, Studenten debattierten. Nächtelang.
Zum Jahreswechsel 2002, vor zehn Jahren, wurden die Starter-Kits verteilt. Die Euro-Einführung galt als Erfolg der Bundesbank.
(Foto: dpa)Die Politikwissenschaftler fanden alles großartig. Die Europarechtler sahen juristische Hürden, fanden die Idee aber sympathisch. Die Ökonomen fanden die Idee sympathisch, sahen aber viele Probleme. Mittendrin: der Autor.
Nein, das würde so nicht gutgehen
Nur einer stand wie ein Fels in der steten Euro-Brandung, der mochte diese neue Währung nicht haben, jedenfalls nicht von oben verordnet. Joachim Starbatty, das wirtschaftspolitische Hirn unter den Volkswirtschaftsprofessoren, schüttelte sein bärtiges Charakterhaupt: Nein, das würde so nicht gutgehen. Eine verstaubte Arbeit wurde ausgegraben, 30 Jahre alt, für die es später sogar einen Nobelpreis geben würde: die "Theorie optimaler Währungsräume". Robert Mundell, der kanadische Ökonom, hatte das schon 1961 erdacht.
Grob gesagt, so viel Ökonomie muss jetzt mal sein: Je größer die wirtschaftliche Integration, je mehr Handel und Mobilität der Arbeitskräfte, je weniger Unterschiede in der wirtschaftlichen Struktur der Staaten, desto eher würde eine Währungsunion klappen, das hatte Mundell erkannt. Oder umgekehrt: Wenn die Wirtschaftssysteme, die Mentalitäten und Rechtssysteme zu verschieden sind, dann funktioniert eine Währungsunion nicht, dann braucht man weiter Einzelwährungen, die man gegeneinander auf- und abwerten kann.
So sah das Professor Starbatty und warnte. Unentwegt. Der Alte schien uns Jüngeren ein wenig aus der Zeit gefallen zu sein. Wir wollten uns nicht der Vernunft ergeben, dem "Es klappt eh nicht". Wir hielten es mit Helmut Kohl, dem Einheits- und Europakanzler: Augen zu und durch.
Die Skepsis wurde weggelächelt
Der Euro mag überraschend über die Menschen gekommen sein, aber sicher nicht überraschend über diese kleine Forschergruppe in Tübingen. Die wusste, was die Uhr schlug. Und sie hielt es mehrheitlich für gut, für beherrschbar. Ein politisches Projekt, das man rechtlich und ökonomisch vernünftig gestalten würde. Die Skepsis amerikanischer Forscher-Freunde ("Das schafft ihr nie, ihr Klein-Staaten-Europäer") wurde weggelächelt.
Als es endlich losging, als der Wechselkurs des Euro den Dollar nach unten drückte, als die Asiaten Interesse signalisierten, drehten wir den Zweiflern in Chicago, New York oder Washington eine Nase: Seht her, geht doch!