Entscheidung der Europäischen Zentralbank:Leitzins bleibt bei 1,5 Prozent

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Schlechte Nachrichten nähren weltweit die Angst vor einer neuen Rezession. Darum lassen Europas Währungswächter den Leitzins bei 1,5 Prozent. Doch das schürt neue Ängste.

Die Zinsen im Euro-Raum bleiben bei 1,5 Prozent. Das beschloss der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB). Die Entscheidung, den Zins, zu dem sich Geschäftsbanken bei der EZB Geld leihen, auf dem bisherigen Niveau zu belassen, war allgemein erwartet worden. Der Dax rutschte nach Bekanntgabe der Etnscheidung in die Verlustzone. Der deutsche Leitindex gab 1,15 Prozent auf 5343 Punkte ab.

Die Europäische Zentralbank (EZB) belässt ihren Leitzins wie erwartet bei 1,5 Prozent. (Foto: dpa)

Die EZB rechne für dieses Jahr mit einem Wirtschaftswachstum von 1,6 Prozent in der Währungsunion, sagte EZB-Präsident Jean-Claude Trichet. Im Juni waren die Währungshüter noch von einem Wachstum um 1,9 Prozent ausgegangen. Für 2012 senkte die EZB ihre Prognose von 1,7 Prozent auf 1,3 Prozent. "Es gibt ein hohes Maß an Unsicherheit in Bezug auf die Weltwirtschaft und die Euro-Zone", sagte Trichet. Auch in Zukunft werde die Notenbank, "alles tun, was notwendig ist, um Preisstabilität herzustellen".

Ob die Notenbank weiter Staatsanleihen von europäischen Krisenstaaten aufkaufen wird, verriet Trichet nicht. "Wir kommentieren so etwas niemals", sagte Trichet, wies aber darauf hin, dass die EZB auch weiter "unübliche Maßnahmen" ergreifen werde, um die Stabilität in der Euro-Zone zu wahren. "Die Krise war kein einmaliges Ereignis", sagte Trichet. Die EZB sei weiter "wachsam".

Erste Ökonomen fordern bereits eine Zinswende

Beobachter erwarten angesichts der schwächelnden Konjunktur und der Staatsschuldenkrise eine länger anhaltende Zinspause. "Das Projekt Zinsnormalisierung liegt auf Eis - vermutlich für lange Zeit", sagte Helaba-Ökonom Ulf Krauss. Zuletzt hatten die Währungshüter den wichtigsten Zins zur Versorgung der Geschäftsbanken im April und im Juli um jeweils 0,25 Punkte angehoben.

Zwar ließ der Preisdruck zuletzt infolge sinkender Ölpreise nach. Dennoch liegt die Inflation im Euroraum mit 2,5 Prozent immer noch weit über dem Zielwert der Notenbank, die eine Jahresteuerung knapp unter zwei Prozent anstrebt. Höhere Zinsen helfen im Kampf gegen die Inflation: Kredite werden tendenziell teurer, das mindert die Neigung von Unternehmen und Verbrauchern, auf Pump zu investieren und zu konsumieren.

Höhere Zinsen haben aber auch Nachteile: Sie verteuern die Kredite. Daher könnten sie Gift sein für die lahmende Wirtschaft sein, nicht nur in Krisenländern wie Griechenland oder Portugal. Schon fordern erste Ökonomen angesichts der steigenden Rezessionsängste eine Zinswende. So empfiehlt etwa Julian Callow von Barclays Capital der EZB, den Leitzins wieder auf das Rekordtief von 1,0 Prozent zu senken. Damit könne das Risiko eines Rückfalls in die Rezession gesenkt werden.

Nach zuletzt zwei Zinserhöhungen glauben viele Volkswirte derzeit allerdings nicht, dass die EZB eine Rolle rückwärts einlegt und die Zinsschraube wieder lockert. Für Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer steht es zwar außer Frage, dass die EZB die Zinsen senken würde, falls die Staatsschuldenkrise eskalierte und es eine ähnliche Situation wie nach der Lehman-Pleite im Herbst 2008 gäbe. "Aber wird eine solche systemgefährdende Eskalation wie von uns erwartet vermieden, dürfte bei der EZB eher die Sorge über die Risiken einer zu expansiven Geldpolitik überwiegen."

Denn die Notenbank habe wiederholt betont, dass zu niedrige Zinsen zu einer übertriebenen Risikobereitschaft führten. Zudem sei die EZB überzeugt, dass zu niedrige Refinanzierungskosten Hausbauer und Finanzminister davon abhielten, Schulden abzubauen. "Die Aussichten für die Wirtschaft und die Inflation müssten sich also markant verschlechtern, bevor die EZB bereit wäre, den Leitzins wieder auf sein Allzeittief von 1,0 Prozent zu senken."

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