Energiemarkt:Kampfpause

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Wie ein Herz und eine Seele: Eon-Chef Johannes Teyssen (li.) und sein RWE-Kollege Rolf Schmitz. (Foto: Jasper Juinen/Bloomberg)

Johannes Teyssen und Rolf Martin Schmitz waren erbitterte Rivalen, jetzt sind sie Partner. Der Deal zwischen Eon und RWE beweist ihre Kaltschnäuzigkeit.

Von Michael Bauchmüller, Berlin und Benedikt Müller, Bonn

Am vorigen Dienstag, als alle Last und aller Stress abfallen, gibt es erst einmal Currywurst mit Pommes. RWE hat alle dazu eingeladen, die den Deal mit eingefädelt haben, in eine Kneipe in Essen. Das verrät viel über den Konzern, über seine Bodenständigkeit. Und über den Chef, Rolf Martin Schmitz. Der Mann spielt Trompete und liebt den Karneval. Beruflich macht er aus Braunkohle Strom und aus dem Strom Geld.

Anders Johannes Teyssen, der Eon-Chef. Wenn er ins Theater geht, prüft er erst, ob das Stück eine Pause hat. Seine Theorie: Wirklich anspruchsvolle Stücke haben keine Pause, damit das Publikum zwischendurch nicht weggehen kann. Alle zwei Tage quält er sich um sechs Uhr aus dem Bett, um joggen zu gehen. Asketisches Training und der blanke Wille haben ihn um 30 Kilogramm erleichtert.

Teyssen und Schmitz, die beiden waren der personifizierte Gegensatz, ihre Unternehmen die Rivalen schlechthin am deutschen Strommarkt. Und jetzt das.

Stunden vor der Currywurst sitzen die beiden auf dem Podium der Essener Messe und lächeln um die Wette. Sie erklären einen Deal, mit dem keiner im Traum gerechnet hat: Die beiden größten Energiekonzerne wollen den Strommarkt in Deutschland neu unter sich aufteilen. Der einstige Energieriese Eon soll bald kein einziges Kraftwerk mehr betreiben, selbst seine Windparks tritt er an RWE ab. Dafür bekommt Eon die Stromnetze und Kunden der bisherigen RWE-Tochter Innogy. Diese wird zerschlagen. Es ist ein Coup, von dem manche bei RWE am Ende rätseln werden, wie er so lang geheim bleiben konnte. Obwohl er hinter den Kulissen wochenlang vorbereitet wurde.

Eine Partnerschaft zwischen Eon und RWE, das ist ungefähr so, als würden Düsseldorfer und Kölner plötzlich Freunde. Beide Unternehmen waren lange Jahre nicht nur erbitterte Konkurrenten am deutschen Strommarkt. Es trennten sie auch Philosophien, die sich nicht zuletzt im Führungspersonal spiegelten. Hier der rustikale, fast joviale Rheinländer Schmitz, da der feinsinnige, scharfzüngige Teyssen. Der eine Konzern auf Gedeih und Verderb verwurzelt mit der rheinischen Braunkohle, der andere auf dem Weg zum digitalen Stromversorger. Denn während Teyssen der fossilen Energie den Rücken kehrte und zuletzt auftrat wie ein Prophet des digitalen Zeitalters, setzte der Ingenieur Schmitz auf große Kraftwerke. Das wirkte wie von gestern.

"Einer der kreativsten Gestaltungsdeals der deutschen Industriegeschichte."

Und jetzt sitzt er da in der Messe und will seine Jubelstimmung nicht verbergen: Schmitz, 60, begrüßt alle mit Handschlag, ist zu Witzen aufgelegt. Tag und Nacht hätten RWE und Eon zuletzt an den Feinheiten ihrer Verbrüderung gefeilt. "Darum sehen unsere Mitarbeiter, die hier hinten sitzen, auch völlig fertig aus", ulkt Schmitz. Ein Deal mit Eon? "Da leuchten bei mir jetzt schon die Dollarzeichen", scherzt er. Hätten ihn seine Presseleute nicht aufgehalten, hätte Schmitz der "Tagesschau" aus Versehen ein Interview vor einer Wand voller Eon-Logos gegeben.

Der Jurist und Volkswirt Teyssen, 58, wirkt da viel kontrollierter. "Was wir Ihnen hier vorstellen", sagt der Eon-Chef, "ist einer der kreativsten Gestaltungsdeals der deutschen Industriegeschichte". Ins Schwärmen gerät er erst, wenn es um sein Kerngeschäft der Stromnetze bis in die Häuser geht, das "immer wieder unterschätzt" werde: Kunden könnten künftig Solaranlagen betreiben, ihr Elektroauto aufladen, Energie per Blockchain-Technologie mit den Nachbarn teilen. "Da geht die Post ab", sagt Teyssen.

Bei allen Unterschieden, eine große Gemeinsamkeit legt der Deal offen: die Kaltschnäuzigkeit beider Manager. Ehe er sich auf das Geschäft mit RWE einließ, hatte Teyssen die Kraftwerkstochter Uniper an den finnischen Energiekonzern Fortum verhökert - hinter dem Rücken eines Managements, das ein alter Vertrauter von ihm führte, Klaus Schäfer. Seither ist die Verbitterung bei Uniper groß. Schmitz wiederum fädelte den Deal mit Eon hinter dem Rücken von Innogy ein, jenem Stromversorger, den er in den vergangenen Monaten nur noch als reine Finanzbeteiligung bezeichnet hatte. Sein ehemaliger Chef und Vorstandskollege Peter Terium, der freiwillig an die Innogy-Spitze gewechselt war, wurde schon im Dezember abserviert, offiziell aus anderen Gründen. "Wir sind nicht auf der Verliererseite", schrieb das Innogy-Management am Dienstag in einer Mail an die Beschäftigten. Es klingt fast verzweifelt.

Für die nächsten anderthalb Jahre mindestens sind Schmitz und Teyssen nun zur Partnerschaft verdammt, erst danach ist das Geschäft vollzogen. Dann aber geht es weiter wie gehabt: Teyssen, dessen Vertrag eben erst bis 2021 verlängert wurde, muss beweisen, dass seine neue Energiewelt wirklich entsteht. Wenn sein Plan aber aufgeht, dann wird Eon eine Art virtuelles Großkraftwerk mit Millionen kleinen Stromerzeugern und Speichern. Dann wäre der Konzern die dezentrale Antwort auf jene zentralen Kraftwerke und Offshore-Windparks, in denen Schmitz die Zukunft sucht. Teyssen wird darauf dringen, dass entschiedene Klimapolitik sein Geschäft voranbringt, Schmitz wird genau das zu verhindern versuchen, der Kohle zuliebe.

Das Rennen zwischen den beiden ist noch lange nicht entschieden.

© SZ vom 17.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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