Energie:Rufe nach Kurswechsel bei der Energiewende werden immer lauter

Berlin (dpa) - Verbraucherschützer, Unternehmer und Experten fordern von der neuen Bundesregierung angesichts weiter steigender Strompreise einen Kurswechsel in der Energiepolitik.

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Berlin (dpa) - Verbraucherschützer, Unternehmer und Experten fordern von der neuen Bundesregierung angesichts weiter steigender Strompreise einen Kurswechsel in der Energiepolitik.

Die neue Ökostrom-Umlage, die am Dienstag (14.10.) offifziell bekanntgegeben werden soll, dürfte auf einen Rekordwert steigen und einen Durchschnittshaushalt künftig 220 Euro pro Jahr kosten.

Der langjährige Umweltstaatssekretär Rainer Baake (Grüne) fordert mit einem Reformvorschlag, den Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bereits in den Sondierungsgesprächen mit den Grünen thematisierte, eine deutliche Kostenbegrenzung bei der Energiewende. "Unser Vorschlag mutet allen Gruppen etwas zu", sagte Baake der Deutschen Presse-Agentur. Statt einst mehr als 50 Cent pro Kilowattstunde will der Leiter der Denkfabrik "Agora Energiewende" nur noch eine maximale Vergütungs-Obergrenze für neue Windparks und Solaranlagen von 8,9 Cent je Kilowattstunde zulassen.

Ziel sei es, einen weiteren Anstieg der Umlage zur Förderung erneuerbarer Energien zu vermeiden, sagte Baake, der einst unter Rot-Grün das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) mit auf den Weg gebracht hatte. Das Konzept sieht auch eine stärkere Kostenbeteiligung bisher weitgehend befreiter Unternehmer mit hohem Stromverbrauch vor - und von Bürgern, die sich mit selbstproduziertem Strom versorgen. "Wenn Sie ihren Stromverbrauch zu 50 Prozent aus der Eigenstromerzeugung decken, dann zahlen Sie 50 Prozent EEG-Umlage und 50 Prozent an Netzentgelten weniger", erläuterte Baake. Diese Kosten verschwänden aber nicht, sondern würden allen anderen aufgebürdet.

Der Vorstandschef des Energieversorgers Eon, Johannes Teyssen, sagte der "Bild"-Zeitung (Samstag): "Es muss einen grundlegenden Neustart bei der Energiewende geben, die Zeit des Durchwurschtelns ist vorbei." Das EEG in seiner jetzigen Form führe zu einer unsozialen Umverteilung von unten nach oben. Um die Kosten besser zu verteilen, schlägt er eine "Flatrate" für das Stromnetz vor - die auch diejenigen bezahlen, die ihren Strom selbst produzieren.

Deutschlands oberster Verbraucherschützer Gerd Billen forderte eine Obergrenze bei den Kosten für die Energiewende. "Die Höhe der EEG-Umlage muss gedeckelt werden", sagte der Chef des Bundesverbands der Verbraucherzentralen dem Magazin "Focus". "Jeder weitere Anstieg untergräbt den Glauben an die Energiewende." Um die Kosten gerechter zu verteilen, sollte ein Teil der Öko-Subventionen aus Steuermitteln finanziert werden.

"Man könnte die Förderkosten für Solaranlagen nicht mehr auf die Strompreise abwälzen, sondern in eine Art Bad Bank ausgliedern", sagte der Energieexperte von Billens Verband, Holger Krawinkel, der dpa. Sie machen derzeit zehn Milliarden Euro pro Jahr aus. So ein Tilgungsfonds könne bei der staatlichen KfW-Bank angegliedert werden. Damit nicht an anderer Stelle dadurch ein dauerhaftes Steuerloch gerissen werde, sollten Solaranlagenbesitzer, deren Anlagen nach rund 15 Jahren meist abgeschrieben seien, für die restliche zu erwartende Betriebsdauer von etwa 25 Jahren zu Betriebsabgaben von fünf Cent je Kilowattstunde verpflichtet werden.

Andreas Löschel, Chef der Expertenkommission, die im Auftrag der Bundesregierung die Energiewende begutachtet, macht sich für eine grundlegende Änderung der Förderung alternativer Energien stark. "Es gibt noch kein wirkungsvolles Instrument, den Ausbau der erneuerbaren Energien sinnvoll zu steuern und effizienter zu fördern. Die Ausnahmen für die Industrie zu streichen löst allein noch kein Problem", sagte der Professor am Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) der "WirtschaftsWoche". Auch er schlug vor, Eigenproduzenten an der EEG-Umlage zu beteiligen.

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