Energiekrise:Warum in Schwedt mehr Öl ankommt als vermutet

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Die Allianz versichert auch klimaschädliche Ölverarbeitung, das bringt ihr viel Kritik ein. (Foto: Patrick Pleul/dpa)

Seit Januar nimmt die Raffinerie an der Oder kein russisches Öl mehr ab. Doch die befürchteten Engpässe sind ausgeblieben.

Von Michael Bauchmüller

Der Weg des Öls - in der Kantine des einstigen Petrochemischen Kombinats (PCK) in Schwedt an der Oder findet er sich in einem meterlangen Mosaik, gleich an der Stirnseite der Kantine. Bohrtürme an der Wolga sind da zu sehen, und eine lange Leitung, die schließlich in Schwedt endet: die Druschba-Pipeline. Rostock und Danzig spielen auf der Karte keine Rolle, und auch nicht die Ölfelder in Kasachstan. Es sind die Orte, die Schwedt neuerdings versorgen - und das gar nicht so schlecht.

Das belegt auch die neueste Erfolgsmeldung. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung wird im Mai in Danzig ein zusätzliches Schiff festmachen, mit weiteren 135 000 Tonnen Rohöl für Schwedt. Für eine Raffinerie, die in der Spitze pro Monat eine Million Tonnen verarbeiten kann, ist das kein Pappenstiel. Möglich sei das durch die Verlängerung der Treuhandverwaltung geworden, sagt Michael Kellner (Grüne), der sich als Parlamentarischer Staatssekretär im Wirtschaftsministerium seit dem vorigen Jahr auch um die Zukunft der Raffinerie kümmert. "Die Treuhand wirkt und die Zusammenarbeit mit Polen funktioniert." Selten hat sich ein Grüner so über eine Öllieferung gefreut.

Die Zukunft der PCK-Raffinerie war lange ungewiss. Denn nicht nur über die Druschba-Pipeline war sie direkt mit Russland verbunden, sondern auch über den Mehrheitseigner - das war der russische Ölkonzern Rosneft. Mitte September aber übernahm der Bund die Treuhandverwaltung über das Unternehmen. Das sollte dem Augenblick zuvorkommen, in dem die russische Seite den Ölexport stoppt - und gleichzeitig jene Zeit vorbereiten, in der Deutschland auf russisches Öl verzichtet. Ein solches Embargo hatte Kanzler Olaf Scholz schon im vorigen Frühjahr für den Januar 2023 zugesagt.

Gerade für die Hauptstadt ist die Raffinerie wichtig, auch aus ganz praktischen Gründen. Sie versorgt den Flughafen mit Kerosin und die Tankstellen Berlins und Brandenburgs mit Benzin und Diesel. Ein Engpass in Schwedt wäre also rund um das Kanzleramt sehr unmittelbar spürbar. Das erklärt, warum jeder zusätzliche Öl-Tanker nun abgefeiert wird.

In Danzig lassen sich auch große Tanker entladen

Erst vorige Woche Dienstag hatte das Bundesverwaltungsgericht eine Rosneft-Klage gegen die Treuhandverwaltung abgewiesen. Der Bund verlängerte sie noch am selben Tag um weitere sechs Monate - gerade rechtzeitig, denn einen Tag später wäre sie ausgelaufen. Damit besteht nun wieder Rechtssicherheit - auch für den Shell-Konzern, der mit 37,5 Prozent an der Raffinerie beteiligt ist. Er hat auch das Extra-Cargo organisiert, das im Mai in Danzig gelöscht werden soll.

Von Danzig aus führt, ebenso wie von Rostock, eine Pipeline nach Schwedt. Anders als in Rostock lassen sich aber in Danzig auch große Tanker entladen. Dafür ist die Durchleitung an die Oder komplizierter, das polnische Röhrensystem ist ziemlich ausgelastet. Die Zeiten allerdings, in denen die Regierung in Warschau schon aus Prinzip keine Raffinerie in russischer Hand mit Öl versorgen wollte, sind vorbei. Erstens, weil der Bund Rosneft faktisch entmachtet hat, und zweitens, weil die Raffinerie auch Teile Westpolens mit Kraft- und Heizstoffen versorgt. "Ich bin der polnischen Seite dankbar für die kontinuierliche Unterstützung in den vergangenen Monaten", sagt auch Staatssekretär Kellner. Weiteres Öl hatte zuletzt der italienische Eni-Konzern, ebenfalls Teilhaber, in Kasachstan eingekauft. Allerdings haben diese Lieferungen einen Haken: Sie laufen teilweise auch durch russische Röhren.

An die Auslastung einstiger Zeiten kann die Raffinerie dennoch nicht anknüpfen, aber immerhin arbeitet sie derzeit zu 60 Prozent. Fürs Erste jedenfalls: Im April und Mai geht sie erst einmal in eine teilweise Revision, wie sie alle paar Jahre üblich ist. Vorübergehend arbeitet dann nur eine Hälfte der Anlage, während die andere stillsteht. Dafür reicht das Öl aus Rostock.

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