Elektrische Formel 1 von Alejandro Agag:Der Stromschnelle

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Formula E Holdings CEO Alejandro Agag Interview

Alejandro Agag 2012 in London

(Foto: Bloomberg)

Zu seiner Hochzeit kamen Berlusconi und die spanische Königsfamilie, sein Telefonbuch gilt als unbezahlbar: Alejandro Agag gehört zu den wichtigsten Strippenziehern Spaniens. Er liebt verrückte Ideen - jetzt schafft er eine Formel 1 für Elektroautos.

Von Kathrin Werner, New York

Alejandro Agag ist umzingelt. "Großartige Rede, Gratulation!", schleimt ein Herr im Anzug. "Ich wollte Ihnen nur schnell meine Visitenkarte geben", sagt ein anderer. "Haben Sie Zeit für ein kurzes Interview?", fragt eine Reporterin und hält Agag ein Mikrofon unter die Nase. "Vielleicht können wir ja mal einen Kaffee miteinander trinken", hofft ein älterer Mann. "Ich sehe da Geschäftsmöglichkeiten", ruft ihm ein Jüngerer zu. Agag schüttelt Hände, parliert freundlich, und lächelt ununterbrochen auf der Energie-Konferenz im New Yorker Hyatt-Hotel. Wieder einmal wollen alle mit ihm reden.

Agag, dunkelgelockt und im am besten geschnittenen Anzug der ganzen Konferenz, ist einer der wichtigsten Strippenzieher Spaniens. Zu der Hochzeit des 43-Jährigen vor ein paar Jahren kamen die spanische Königsfamilie, sein guter Freund Silvio Berlusconi und diverse andere Regierungschefs, Rupert Murdoch und Julio Iglesias - was nicht nur an Agags eigenen besten Kontakten lag, sondern auch daran, dass er Ana Aznar Botella geheiratet hat, die Tochter des damaligen spanischen Ministerpräsidenten José María Aznar.

Die Financial Times nannte ihn einst einen "politischen Hoffnungsträger, Ökonom, Banker und unermüdliches Verhandlungsgenie", 2008 kürte ihn das Magazin GQ zum wichtigsten Geschäftsmann Spaniens. Jetzt hat er eine neue Mission, mit der er zu Konferenzen um die ganze Welt reist und sich von Menschentrauben umzingeln lässt: Autorennen. Und zwar nicht irgendein Autorennen, sondern die Formel-1 für Elektroautos. Es ist das erste Elektro-Rennen, das der Automobilweltverband FIA unterstützt. Es heißt Formel E.

"Das Interesse ist riesig"

"Eine Menge Leute sagen, dass das Ganze völlig verrückt ist", sagt Agag, nachdem er sich aus der Handschüttel-Masse befreit und in eine Ecke zurückgezogen hat. "Wir würden anfangen, uns Sorgen zu machen, wenn eine Woche verginge, in der uns niemand verrückt nennt." Schließlich lieben Motorsport-Fans das Röhren der Spritschlucker, gelten Elektroautos als schlappes, technisch nicht ausgereiftes Grünkern-Projekt, die FIA-Funktionäre zudem als konservative Blockierer. "Das Ganze ist nicht einfach", sagt Agag und lächelt fein. Trotzdem sieht es inzwischen aus, als würde Agags verrücktes Projekt ein Erfolg.

Im September startet die erste Saison der Öko-Liga mit einem Rennen mitten in Peking, es folgen Wettkämpfe in neun weiteren Städten. Am 30. Mai 2015 fahren die Formel-E-Autos in Berlin auf dem Feld des alten Tempelhofer Flughafens. Die Wettkämpfe finden nicht auf traditionellen Rennstrecken statt, sondern in den Innenstädten. Das ist erlaubt, weil die Autos nicht so laut und schmutzig sind wie traditionelle Formel-1-Wagen. Etliche Autokonzerne, darunter Renault, Audi und Mahindra aus Indien, schicken Teams ins Rennen. "Das Interesse ist riesig, wir verhandeln mit acht bis zehn weiteren Herstellern", sagt Agag. Er behauptet auch: "Hinter der Formel-E steckt ein funktionierendes Geschäftsmodell."

Das ist auch für ihn persönlich wichtig, er hat eine große Menge eigenes Geld investiert. Gemeinsam mit dem spanischen Immobilien-Milliardär Enrique Bañuelos und dem amerikanischen Unternehmer Wyc Grousbeck, dem auch das Basketball-Team Boston Celtics gehört, hat er 50 Millionen Dollar in die Serie gesteckt, bis zum ersten Rennen werden es 100 Millionen Dollar sein, sagt Agag. Das Geld will er vor allem mit Sponsorenverträgen wieder hereinholen. DHL, Michelin, der Chiphersteller Qualcomm und der Uhrenkonzern TagHeuer zählen zu den Werbepartnern. Mindestens 100 Millionen Euro an Einnahmen von Sponsoren pro Jahr hält Agag für realistisch. "Für die Unternehmen ist das interessant, weil sich ja alle mit Nachhaltigkeit schmücken wollen. Wir sind noch in Verhandlungen mit zehn bis 20 weiteren Sponsoren."

Bei den Verhandlungen kommt sein legendäres Netzwerk ins Spiel. Die spanische Zeitung El País nannte seine SIM-Karte mit all den abgespeicherten Telefonnummern einmal "unbezahlbar". Sein Vater, ein algerisch-belgischer Banker, vermittelte ihm erste Kontakte zu Politikern und Managern. Schon als junger Mann knüpfte er eigene. Während seines Wirtschaftsstudiums trat er der konservativen Partido Popular (PP) bei. Nach dem Wahlsieg bei den Parlamentswahlen 1996 wurde Agag persönlicher Berater des neu gewählten Ministerpräsidenten Aznar - später wurde sein Chef sein Schwiegervater. Die Hochzeit war ein riesiges Medien-Event und fand mit mehr als 1000 Gästen im mittelalterlichen Königssitz El Escorial statt - sehr zum Ärger der linken Elite.

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