Einzelhandel:Laden zu, Rechnung offen

Lesezeit: 2 min

Die Krise trifft die Händler: Auch die Ketten Kik, Douglas und Takko setzen inzwischen ihre Mietzahlungen aus. Und die Warenkreditversicherer suchen in Berlin nach Hilfe.

Von Herbert Fromme und Michael Kläsgen, München/Köln

Erst waren es H&M und Deichmann. Jetzt ziehen andere nach: Kik, Takko, Douglas, Galeria Karstadt Kaufhof, alle sehen sich gezwungen, vorübergehend keine Miete mehr zu zahlen. Viele von ihnen, solange die Läden wegen der Corona-Pandemie geschlossen sind, andere für zunächst einen Monat. Die Lage ist allerdings unübersichtlich. Es gibt bei vielen Händlern keine bundeseinheitliche Strategie, sondern individuelle Verhandlungen.

Adidas zahlt nun aber doch. Der Textildiscounter Kik etwa teilt mit, bis zum Stichtag 1. April 2020 bereits mit gut der Hälfte seiner rund 1500 Vermieter gesprochen und mit Ihnen eine Nachzahlungsregelung vereinbart zu haben. "Nicht-Zahlungen schließen wir in diesem Zusammenhang aus." Auf Mietzahlungen verzichten müssen allerdings auch kleinere Privatvermieter. Der Süddeutschen Zeitung liegt ein Schreiben von Kik an Vermieter aus Cham vor, wonach die Handelskette "schweren Herzens" die Miete für den Monat April einbehalten muss.

Das zeigt, der Zahlungsaufschub trifft nicht nur große gewerbliche Vermieter, die den Ausfall möglicherweise leichter verkraften können. Wie Kik stehen viele Händler eigenen Angaben zufolge derzeit mit allen Vermietern "in partnerschaftlichen Gesprächen, um gemeinsame Lösungen zu finden", wie beispielsweise der Autovermieter Europcar betont.

Hersteller sollen die bereits gelieferte Ware wieder zurückkaufen

Die Autovermietung Hertz zeigt sich in ihrem Schreiben an eine Münchner Immobilienfirma allerdings wenig konziliant. Darin erklärt sie, dass "alle Zahlungsverpflichtungen für vier Monate ausgesetzt werden", falls keine Verhandlungsbereitschaft bis zum 30. März gezeigt werde. Posteingang: 30. März. Am 1. April hatte die Hertz-Filiale allerdings noch geöffnet.

Eine Unternehmenssprecherin der Parfümeriekette Douglas teilte mit, "Mietzahlungen aufschieben, nicht aufheben" zu wollen. Klar sei: "Wir werden die Mietaufschiebung nicht auf dem Rücken der kleinen Privatvermieter austragen." Um ihre Liquidität zu schützen, haben Douglas und Karstadt Kaufhof umfangreiche Sparmaßnahmen eingeleitet. So zahlen sie auch die Rechnungen ihrer Lieferanten nur noch mit großer Verzögerung. Kaufhof Karstadt will sie erst von Mitte April an wieder bezahlen. Der Warenhauskonzern soll seine Lieferanten, darunter die Hersteller von bekannten Modemarken, zudem dazu aufgefordert haben, ausgelieferte Ware zurückzukaufen. Die Lagerbestände sollen so abgebaut werden.

Auch Douglas hat die Zahlungen an seine Lieferanten ausgesetzt. Manche sollen trotz Mahnungen überhaupt kein Geld mehr erhalten, kleinere Kosmetikhersteller schon. Eine einheitliche Regelung gibt es offenbar ebenso wenig wie die Anweisung, Rechnungen gar nicht mehr zu bezahlen. Die Corona-Krise trifft die Kosmetikbranche besonders hart. Die meisten Unternehmen rechnen mit einem Umsatzrückgang von mehr als 20 Prozent.

Unterstützung kommt vorerst noch von den Warenkreditversicherern. Die Allianz-Tochter Euler Hermes hat beispielsweise flexibel reagiert und die Zahlungsziele, die Lieferanten ihren Kunden gewähren dürfen, um maximal 60 Tage verlängert. Kreditversicherer decken Unternehmen gegen das Risiko ab, nach einer Lieferung vom Kunden nicht bezahlt zu werden - weil der pleitegeht.

Doch mit Kulanz kann die Branche nicht lange arbeiten. Jetzt soll der Staat helfen. Denn eigentlich müssen die Kreditversicherer sofort, wenn sie eine Insolvenz erwarten, ihre Deckungslinien ganz zurückziehen oder kürzen. Wenn ein Einzelhändler in Schwierigkeiten gerät, darf der Lieferant nur noch für 100 000 Euro oder gar nicht mehr liefern statt vorher für zwei Millionen Euro - so er denn diese Lieferungen gegen Zahlungsausfall versichern will.

Der Rückzug der Kreditversicherer kann ein angeschlagenes Unternehmen vollständig in den Ruin treiben, weil es keine Ware mehr erhält. Deshalb sitzen sie bei jeder großen Unternehmenskrise mit am Tisch. Jetzt führen sie mit der Bundesregierung Verhandlungen über eine Rückdeckung. "Das ist ein schwieriges Feld", sagt R+V-Chef Norbert Rollinger, dessen Gesellschaft einen Marktanteil von 25 Prozent hat. "Wie halten wir unsere Linien aufrecht, wenn ein zunehmendes Risiko besteht?" Der Bund solle eine Rückdeckungsversicherung gewähren, mit der sich die Versicherer gegen Pleitewellen absichern. Denn: "Die Bonität vieler Unternehmen verschlechtert sich rapide", beklagt Rollinger. Im Gespräch sind 30 Milliarden Euro, die EU-Kommission muss aber noch zustimmen. Im Gegenzug verpflichten sich die Kreditversicherer, ihre Deckungszusagen zu halten oder auszubauen. Der Staat soll für die Rückdeckung zwei Drittel der Prämie erhalten.

© SZ vom 02.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: