Einzelhandel:Die Regeln zum verkaufsoffenen Sonntag sind willkürlich

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Gewerkschaften, Unternehmen, Kirchen: Beim verkaufsoffenen Sonntag gibt es fast nie einen Konsens. Aber es braucht zumindest klare Regeln. (Foto: lukasbarth.com)

Dürfen die Läden öffnen oder nicht? Es herrscht ein einziges Wirrwarr. Am besten wäre es, die Zahl der verkaufsoffenen Tage genau festzulegen - ohne Ausnahmen.

Kommentar von Michael Kläsgen

Schlechter als so, wie der verkaufsoffene Sonntag im Moment geregelt ist, könnte es kaum sein. In den zehn Jahren seit der Liberalisierung des Ladenschlussgesetzes ist ein fast undurchschaubares Dickicht aus Regelungen und Ausnahmen entstanden. Zwar sind in den meisten Bundesländern offiziell vier verkaufsoffene Sonntage pro Jahr erlaubt. Aber es herrschen diverse Ausnahmeregelungen, die von Land zu Land höchst unterschiedlich ausfallen und interpretiert werden.

Hinzu kommen Gerichtsurteile, die keine Klarheit schaffen, sondern Verwirrung stiften. Da werden Dinge von den Städten verlangt, die sie schlicht nicht einhalten können. Zum Beispiel sollen sie sicherstellen, dass mehr Menschen auf den Weihnachtsmarkt gehen als ins Kaufhaus. Denn so ein externer Anlass muss gegeben sein, damit der verkaufsoffene Sonntag überhaupt stattfinden kann.

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Das Ergebnis ist, dass die Gegner des Sonntagsverkaufs leichtes Spiel haben. Sie müssen nur klagen, und schon bleiben die Geschäfte geschlossen. Den Händlern entstehen dadurch unter Umständen hohe Kosten. Aber auch für die Beschäftigten, die eigentlich arbeiten sollten, muss der entfallene Arbeitstag nicht unbedingt ein Grund zur Freude sein. Sie können weder planen noch ihre Zeit frei einteilen. Ob der verkaufsoffene Sonntag stattfindet, hängt von der Willkür der Kläger ab, sprich in der Regel von den Gewerkschaften oder den Kirchen.

Das kann zu absurden Situationen führen: Der Hamburger Fischmarkt in einer bayerischen Kleinstadt kann durchaus als Anlass für die Sonntagsöffnung dienen. Das Gründungsfest einer Großstadt wie München mit Hunderttausenden Besuchern aber nicht. Es ist bemerkenswert, dass so ein Wirrwarr in einem eigentlich gut organisierten Staat wie Deutschland möglich ist.

Der Grund dafür ist, dass sich der Bund aus seiner Verantwortung gestohlen hat. Der verkaufsoffene Sonntag ist ein Thema, an das sich Politiker nur ungern heranwagen. Man kann sich damit nur Feinde schaffen: die Wirtschaft, die Beschäftigten, die Gewerkschaften oder die Kirchen. Einer ist immer dagegen. So ist es dazu gekommen, dass der Bund die Sache an die Länder delegierte. Das hätte er aber nicht tun dürfen. Zumindest nicht, ohne den Ländern klare Vorgaben zu machen, die den jetzigen regulatorischen Wildwuchs verhindert hätten. Wenn solche Vorgaben im Kompetenzenstreit zwischen Bund und Ländern nicht möglich sind, bleibt nur die Schlussfolgerung, dass der verkaufsoffene Sonntag einem Konstruktionsfehler der Föderalismusreform zum Opfer gefallen ist.

Es müsste ein neues, bundesweit geltendes Ladenschlussgesetz her

Handlungsbedarf gäbe es also, aber es wäre naiv zu glauben, dass sich die Bundesregierung des Themas ernsthaft noch vor der Bundestagswahl annimmt. Im Prinzip wäre das jedoch die Lösung: Es müsste ein neues, bundesweit geltendes Ladenschlussgesetz her, das den Kommunen klare Rahmenbedingungen vorgibt. Dazu gehört, dass der im Grundgesetz verankerte Schutz des Sonntags als "Tag der Arbeitsruhe" oberste Priorität hat.

Das darf aber nicht bedeuten, dass kein einziger Laden sonntags öffnen kann. Am pragmatischsten wäre es, wenn die Zahl der verkaufsoffenen Sonntage pro Jahr und Kommune feststünde; wenn sie auf vier oder sechs beschränkt würde; die Geschäfte maximal fünf Stunden am Nachmittag öffnen dürften und keine Ausnahmen zulässig wären. Der Schutz des Sonntags wäre so gewährleistet. Es müsste aber auch der bislang erforderliche externe Anlass für den Sonntagsverkauf wegfallen. Das wäre ein erster Schritt, um das Dickicht zu lichten.

© SZ vom 26.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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