Sumail Hassan kaut Kaugummi. Er versteckt beide Hände in den Hosentaschen. Die schwarzen Haare stehen keck nach oben. Um ihn herum explodieren Fontänen aus grellem Licht, seine Teamkameraden recken die tellerartige Trophäe in die Höhe, und die mehr als 12 000 Zuschauer in der Arena jubeln.
Eigentlich sieht der schmächtige 16-Jährige nicht aus wie jemand, der gerade Millionär geworden ist. Vielmehr wirkt Hassan, als ginge ihn das alles gar nichts an. Sein Team. Die Trophäe. Die Siegerehrung. Hassan steht da, kaut und lächelt scheu.
Dabei hat Hassan am Samstagabend 1 326 021 US-Dollar und 80 Cent gewonnen. Das ist sein Anteil an den rund 6,63 Millionen Dollar, die seinem Team - den "Evil Geniuses" - zustehen, nachdem sie bei dem Computerspiel-Turnier "The International 2015" in Seattle (USA) den ersten Platz belegt haben.
Das gesamte Preisgeld des Turniers liegt bei 18,4 Millionen US-Dollar
The International, das ist so etwas wie die Weltmeisterschaft in "Dota 2", einem Online-Computerspiel. Bei Dota 2 spielt man fünf gegen fünf, virtuell geht es - wie bei vielen Computerspielen - um Leben und Tod. The International wurde dieses Jahr bereits zum fünften Mal ausgetragen. Vom 3. bis zum 8. August trafen sich 16 Teams aus aller Welt in der Basketball- und Eishockey-Arena in Seattle.
Als Preisgeld hatte Valve, Entwickler von Dota 2 und Veranstalter des Turniers, ursprünglich eine Summe von 1,6 Millionen US-Dollar ausgeschrieben. Dota-2-Spieler konnten in den vergangenen Monaten digitale Gegenstände im Spiel kaufen, von deren Erlös ein Teil in den Preisgeldtopf floss und die Summe so verzehnfachte. Das Turnier ist mit 18,4 Millionen US-Dollar Preisgeld das bisher am höchsten dotierte Turnier im E-Sport, dem sportlichen Wettkampf unter Computerspielern.
Vor einem Jahr zieht Sumail Hassan in die USA
Hassans Weg zum erfolgreichen E-Sportler klingt ähnlich wie die Handlung des Films Slumdog Millionär: Er wächst mit seiner Familie in Karatschi im Süden Pakistans auf. Durch seinen sieben Jahre älteren Cousin kommt er als Achtjähriger zum Dota-Spielen. Online nennt er sich selbst "Suma1L". Weil sie beide keine eigenen Computer haben, fahren die Jungs zum Spielen ins Internet Café. Einmal habe er sogar sein Fahrrad verkauft, um länger spielen zu können, erzählt Hassan im Vorstellungsvideo für das Turnier.
Nachdem er sich zehn Jahre darum bemüht hatte, ergattert sein Vater im vergangenen Jahr ein Visum für die USA und wandert mit der Familie aus. Hassan ist zu der Zeit 15 Jahre alt. Er trainiert wie ein Besessener, spielt neun Stunden am Tag Dota 2. In die Schule geht er nur nebenbei. Und ihm gelingt der Durchbruch: Nach einigen Stationen in verschiedenen nordamerikanischen Teams heuern ihn die Evil Geniuses an.
Die Evil Geniuses gehörten zu den Favoriten auf den Titel
Die Evil Geniuses sind alte Hasen im E-Sport. Bereits 1999 als Team für den Ego-Shooter Counter-Strike gegründet, haben sie sich als E-Sport-Organisation in der weltweiten Computerspiel Szene etabliert. Neben Dota 2 stellen sie noch Teams in vier anderen Videospielen.
Dass die Evil Geniuses jetzt Dota-2-Weltmeister sind - sie besiegten im Finale das chinesische Team CDEC -, überrascht kaum. Sie gehörten zum Favoritenkreis. Nur einem Monat nachdem sich Hassan dem Team anschloss, gewannen sie im Februar dieses Jahres schon die "Dota 2 Asia Championships." Preisgeld pro Spieler: ungefähr 250 000 Dollar. Mit mehr als 1,6 Millionen Dollar Gewinn sind Hassan und seine vier Mitstreiter gemessen am Preisgeld die fünf erfolgreichsten Computerspieler.
Im Interview auf dem Siegertreppchen sagt Hassan - noch immer Kaugummi kauend: "Der Sieg bedeutet alles für mich. Ich habe für meine Familie gewonnen." Seine Augen glitzern dabei ein wenig. Aber es wirkt, als habe er mit nichts anderem gerechnet.