Drohende Schließung von Osram:Mit Lichtgeschwindigkeit ins Dunkel

Lesezeit: 3 min

Glas in Flammen: Aus den Röhren werden später Energiesparlampen. Weil der Hersteller Osram Stellen abbauen will, verteilte die Gewerkschaft Flugblätter mit Kritik an der Führungsspitze (Foto: Stefan Puchner/dpa)

Wie geht es weiter mit dem Osram-Werk in Augsburg? Offiziell geben sich Gewerkschaft und Stadt kämpferisch und optimistisch. Aber hinter den Kulissen macht sich Resignation breit.

Von Stefan Mayr, Augsburg

Das Augsburger Osram-Werk liegt zwischen den Lech-Auen und der vielbefahrenen Berliner Allee. Hier rauscht der Verkehr, dort plätschert der Fluss vorbei. Dazwischen eingeklemmt ist das Firmengelände, und vieles deutet darauf hin, dass jetzt auch noch der Leuchtmittel-Markt an der Fabrik vorbeirast. Quasi in Lichtgeschwindigkeit. Noch spricht es zwar niemand offen aus, aber hinter den Kulissen ist es unter Insidern bereits Konsens: Wenn es so weitergeht, ist das Werk Augsburg als Produktionsstandort tot - und das eher mittelfristig als langfristig.

Im Jahr 2007 haben hier noch 2000 Menschen gearbeitet. Heute sind es nur noch 1300. Und nach Medienberichten sollen jetzt weitere 300 bis 400 Stellen wegfallen, das wäre ein Drittel des aktuellen Standes. Am Dienstagabend verkündete das Management des Leuchtmittel-Herstellers, bis 2017 in Deutschland nochmals 1700 Stellen abzubauen. Betroffene Standorte seien vor allem Berlin, München, Augsburg und Eichstätt. In Augsburg löste diese Nachricht harsche Kritik an der Unternehmensführung aus. Dies nicht - nur wie zu erwarten - von der Gewerkschaft IG Metall, sondern auch von der Stadt und der Industrie- und Handelskammer. Und wer vor dem Werkstor mit Mitarbeitern spricht, hört vor allem eines: Resignation. Viele gehen spätestens seit Mittwoch davon aus, dass die Produktion am Lech früher oder später komplett eingestellt wird.

"Ich gebe dem Produktionsstandort Augsburg nur noch drei, vier Jahre", sagt ein Mann aus der Sparte Maschinenbau, der seinen Namen nicht nennen will. "Wenn wir keine neuen Produkte kriegen und wie bisher nur Leuchtstoff-Lampen herstellen, dann ist hier bald definitiv Schluss." Michael Leppek, erster Bevollmächtigter der IG Metall Augsburg, bestätigt diese Sicht: "Wir brauchen dringend Investitionen in neue Produkte, um den Standort zukunftsfest zu machen." Neue Produkte müssten "von der Entwicklung bis zur Fertigung" in Augsburg gemacht werden.

Ob das so kommt, ist aber eher unwahrscheinlich. "Bei der aktuellen Führung habe ich meine Zweifel", sagt Leppek. "Hier braucht es ein neues Verständnis: Innovation statt Börsenkurspflege und Abbau." Erst 2012 habe Osram versprochen, "gemeinsam mit uns neue Ideen zu entwickeln und umzusetzen". Daran werde man Osram erinnern. "Wenn es sein muss, auch auf der Straße."

Noch steht keiner der Osram-Leute auf der Straße. Beim derzeit laufenden Stellenabbau gilt noch der großzügige Sozialplan des ehemaligen Mutter-Konzerns Siemens. Inzwischen ist Osram aber eine eigenständige AG. Die zwar noch Gewinne macht - dennoch den Kahlschlag beschlossen hat. Bislang gab es keine betriebsbedingten Kündigungen. Doch jetzt schließt Osram-Vorstand Wolfgang Dehen diese nicht mehr aus. Experten sagen: Ohne betriebsbedingte Kündigungen wird der massive Abbau gar nicht zu machen sein.

Droht Osram das Schicksal der einst stolzen Textilfabriken?

Im Augsburger Werk werden Leuchtstoffröhren, Energiesparlampen und Glasröhren hergestellt. Zudem gibt es ein Maschinenbau-Werk, das Geräte für alle anderen Standorte baut. Die Mitarbeiter letzterer Sparte können sich einigermaßen sicher fühlen. Ihre Arbeit wird wohl auch in Zukunft gebraucht werden. Aber die Leute von der Produktion? Selbst die Energiesparlampe hat entgegen früherer Hoffnungen keine große Zukunft. Denn viele umweltbewusste Menschen meiden sie, weil sie Quecksilber enthält. Die Zukunft heißt LED. Wolfgang Dehen glaubt gar, dass LED "langfristig die anderen Technologien ganz ablöst".

Aber LED findet in Augsburg nicht statt. Und es ist unwahrscheinlich bis ausgeschlossen, dass Dehen nach dem jahrelangen Zögern respektive Nichtstun hier noch neue LED-Kapazitäten aufbauen wird. "In Augsburg haben wir darüber diskutiert - und werden damit fortfahren -, ob es die Möglichkeit gibt, LED-Leuchtröhren zu entwickeln", sagte er am Mittwoch. Bislang sei aber nicht nachgewiesen, dass diese Röhren in Deutschland kostendeckend produziert werden können. Klingt so jemand, der einen Standort erhalten will? Wenn man weiß, dass die in Augsburg hergestellten Lampen in China viel billiger produziert werden, kann man sich das Schicksal des Osram-Werkes ausmalen.

Vielleicht muss das traditionsreiche Werk sogar froh sein, wenn langfristig nicht auch noch die Maschinenbau-Sparte abgezogen wird. Irgendwie erinnert das Szenario an jenes Geschehen, das in den Achtzigerjahren nicht unweit des Osram-Werkes vonstatten ging: Nach und nach gingen dort die einstmals stolzen Textilfabriken zu Grunde. Droht Osram dasselbe Schicksal? "Bei der Stadt wächst die Sorge um die Zukunft des Augsburger Osram-Werkes", sagt Wirtschaftsreferentin Eva Weber (CSU). Sie betont, die Stadt habe zusammen mit der Belegschaft, der Gewerkschaft und dem Management Rettungskonzepte für den Standort erarbeitet. Allerdings vergebens. "Dass diese Konzepte mit konkreten Vorschlägen für neue Produkte direkt in die Schublade wandern, ist nicht nachvollziehbar", kritisiert Weber. Deshalb habe die Geschäftsführung "ein hohes Maß an Verantwortung, für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Standort Augsburg Perspektiven zu eröffnen." Was man als Politikerin halt so sagt in verfahrenen Situationen.

Wer in den Lech-Auen am Osram-Areal vorbei spaziert, kann in die Werkhallen blicken. Auf den Fließbändern bewegen sich Lampengläser, zahlreiche Flammen glühen auf. Wenn kein Wunder geschieht, wird dieses Feuer bald erlöschen.

© SZ vom 01.08.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: