China möchte die Macht des Dollars brechen, Russland ebenso und Frankreich hadert schon seit einem halben Jahrhundert mit der Vormacht der US-Währung. Auf dem Gipfel der G-8-Staaten im italienischen L'Aquila werden am Donnerstag die Staats- und Regierungschefs der alten Industrieländer mit denen der Neulinge China, Indien und Brasilien über die Zukunft des Weltwährungssystems diskutieren. Die Debatte wird vermutlich nicht einmal Eingang in die Abschlusserklärung des Gipfels finden. Aber allein die Tatsache, dass sie stattfindet, zeigt, wie sehr sich die Welt durch die Krise verändert hat.
Die Signale waren eindeutig. "Wir müssen eine bessere Koordination der Wechselkurspolitik entwickeln," forderte Frankreichs Finanzministerin Christine Lagarde am Wochenende in Aix-en-Provence. Christian Noyer, Präsident der Bank von Frankreich, meinte, zwischen den großen Währungen müsse "mehr Stabilität" herrschen. Suresh Tendulkar, Berater des indischen Ministerpräsidenten Manmohan Singh, sagte, sein Land wolle den Dollar-Anteil an den eigenen Reserven reduzieren. Der russische Ministerpräsident Dmitrij Medwedew forderte gleich ein neues Währungssystem mit mehr regionalen Reservewährungen. Die chinesische Nationalbank hatte sich schon vor Monaten dafür eingesetzt, die Sonderziehungsrechte, eine Kunstwährung des Internationalen Währungsfonds (IWF), zur neuen Weltreservewährung auszubauen.
Das ist die Theorie. Die Praxis sieht anders aus. Im Zuge der Finanzkrise ist der Anteil des Dollars an den Weltwährungsreserven nicht etwa gefallen, sondern gestiegen, wie die Statistik des IWF zeigt. Im dritten Quartal 2007, dem ersten der Krise, lag dieser Anteil bei 64,15 Prozent, im ersten Quartal 2009 bei 65,08 Prozent. Der Anteil des Euro ging von 26,1 Prozent auf 25,8 Prozent zurück. Der IWF veröffentlicht zwar keine Daten über einzelne Länder. Wahrscheinlich ist aber, dass die Dollar-Bestände ausgerechnet bei der Zentralbank gestiegen ist, die so laut nach Alternativen rief: der Bank von China. Die Argumentation der Dollar-Kritiker ist also alles andere als konsistent.
Reform nicht zu verordnen
Tatsächlich haben Mängel im Weltwährungssystem zur globalen Finanzkrise beigetragen. Länder wie Island, Lettland oder Ungarn haben sich massiv in ausländischer Währung verschuldet und gerieten so an den Rand des Staatsbankrotts. Viele asiatische Staaten häuften dagegen riesige Währungsreserven an, um sich gegen Kursschwankungen abzusichern. Die Reserven der Volksrepublik China sind heute mit vermutlich 2,3 Billionen Dollar so groß wie die der gesamten Welt 2003 waren. Diese Reservebildung ist eine Ursache der globalen Kapitalschwemme, die der Finanzkrise vorausging.
Das Problem ist, dass eine Reform des Systems nicht einfach verordnet werden kann. Das fängt damit an, dass der Dollar zwar die wichtigste Währung der Welt ist, aber keine Leitwährung im eigentlichen Sinn - ganz einfach, weil es so etwas seit dem 14. August 1971 gar nicht mehr gibt. Damals hatte US-Präsident Richard Nixon die Verpflichtung der USA gekündigt, Dollar in Gold zu tauschen. Das System der Nachkriegszeit (Bretton-Woods-System) war damit zusammengebrochen, die Währungskurse bildeten sich auf freien Märkten. Die Entscheidung darüber, wie viel Gold, Dollar oder D-Mark sie halten wollten, lag bei den nationalen Notenbanken.
Und die trafen sie pragmatisch nach den Bedürfnissen des Außenhandels in ihrem Land. Zwar hatte der IWF 1967 die Sonderziehungsrechte als Alternative zum Dollar erfunden. Aber sie blieben eine interne Verrechnungsgröße, nicht mehr. SZR sind formal Ansprüche auf Reserven der IWF-Mitglieder, die sich aus einem Korb von Währungen zusammensetzen. Wer SZR nutzen wollte, müsste sie also in Währungen rücktauschen. Derzeit ist ein SZR 1,54011 Dollar wert und setzt sich zusammen aus 63,2 US-Cent, 9,03 britischen Cent, 18,40 Yen und 41 Euro-Cent.
Theoretisch wäre die Welt stabiler, wenn ein größerer Anteil des Welthandels in anderen Währungen als dem Dollar abgewickelt würde und wenn sich die meisten Länder in ihrer eigenen Währung verschulden würden. Würde etwa die argentinische Regierung ihren Kreditbedarf dadurch decken, dass sie Anleihen begibt, die auf Peso statt Dollar lauten, läge das Währungsrisiko bei ausländischen Anlegern. Sie würden zwar entsprechend höhere Zinsen verlangen. Aber die Risiken für Argentinien selbst wären kleiner. Voraussetzung dafür wäre aber, dass die Finanzpolitik in Buenos Aires so solide ist, dass sie das Vertrauen der Anleger im In- und Ausland findet.
Umdenken in Peking notwendig
Eine wichtige Entscheidung liegt bei der chinesischen Führung. Die Volksrepublik ist derzeit dabei, Deutschland in der Rolle des Exportweltmeisters abzulösen. Damit die chinesische Währung, der Yuan, aber eine größere Rolle spielen kann, müsste dessen Kurs erst einmal freigegeben und der chinesische Kapitalmarkt für Ausländer geöffnet werden. Dann müsste Peking aber auch seine bisherige Strategie aufgeben, den Yuan-Kurs künstlich niedrig zu halten uns so immer höhere Exportüberschüsse zu erwirtschaften.
Bisher ist dies nicht zu erkennen, im Gegenteil: Der ohnehin nur schwache Trend zur Yuan-Aufwertung wurde in der Krise gestoppt. Zudem hält China Reserven von vermutlich mehr als einer Billion Dollar, die auf US-Währung lauten und hat somit ein starkes Interesse an einem starken Dollar.
Damit reduziert sich die Debatte zur die Zukunft des Weltwährungssystems auf die Frage, wie hoch der Anteil des Dollar und des Euro an den globalen Reserven sein werden. Viele Analysten haben sich besorgt über das exorbitante US-Staatsdefizit geäußert. Es wird 2009 bei 13 Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegen, 2010 bei gut neun Prozent.Die Frage ist, ob die USA diesen Schuldenberg ohne Inflation abtragen können. Allerdings werden die Defizite in der Euro-Zone 2010 kaum niedriger sein, und Amerika ist auf dem Weg aus der Rezession schon weiter als Europa. Daher wird sich an der Rolle des Dollars auf absehbare Zeit nichts ändern.