Digitale Fotografie:So behaupten sich Fotohändler gegen die Smartphones

Lesezeit: 4 min

Die Fotografie hat sich nicht nur technisch stark verändert. Auch in der Gesellschaft spielt sie eine andere Rolle als in analogen Zeiten - das merken auch die Foto-Händler. (Foto: dpa)
  • Von analog zu digital, vom Laden ins Internet: Der Fotohandel hat den technischen Fortschritt besonders stark zu spüren bekommen.
  • Seit Jahren gehen die Umsätze zurück, mittlerweile nutzen viele nur noch ihre Smartphones zum Fotografieren.
  • Nur wer als Händler kreativ und flexibel auf diese Entwicklungen reagiert hat, macht heute immer noch gute Geschäfte.

Von Valentin Dornis

Eigentlich ist es völlig egal, welche Kamera man benutzt. Was zählt, sind das Auge, das Licht, der Augenblick, sagen Fotografen gerne. Und doch ist die moderne Geschichte der Fotografie eng mit der Technikgeschichte verknüpft. Am deutlichsten haben das die Fotohändler zu spüren bekommen: Kaum eine Einzelhandelsbranche wurde so heftig vom technischen Fortschritt und gesellschaftlichen Veränderungen getroffen wie ihre. Die Gesamtumsätze gehen seit den 1990er-Jahren immer weiter zurück, viele Händler mussten schließen. Doch wer bis heute gute Geschäfte im Fotobereich macht, kann für viele im Einzelhandel ein Vorbild sein. Denn diese Händler haben ihr Geschäft stets um das Kernprodukt herum gedacht, sich nicht von großen Ketten einschüchtern lassen und extrem flexibel auf Veränderungen reagiert.

"Ich musste mein Geschäft in den letzten Jahrzehnten so oft neu ausrichten, das ist mittlerweile Alltag", sagt Norbert Lehnhoff. Er steht auch heute noch regelmäßig in seinem Fotogeschäft in Dinslaken - doch das ist die einzige Konstante. Als er sein Geschäft eröffnete, Anfang der Neunzigerjahre, wurde schließlich noch analog fotografiert.

Ernährung
:Satt fotografiert statt satt gegessen

Wer abnehmen will, sollte ein paar Tage lang sein Essen fotografieren, empfehlen Mediziner. Viele Menschen werden erstaunt sein, was da alles zusammenkommt.

Von Werner Bartens

Damals war die Fotografie das perfekte Geschäftsmodell: Jedes Bild kostete Geld. Wer einmal eine Kamera gekauft hatte, kam immer wieder zurück und ließ jedes Mal Geld da. Filme kaufen, Fotos entwickeln lassen, dazu noch die passenden Rahmen und Alben. "Das war eine traumhafte Zeit, es gab zweistellige Margen", erzählt Norbert Lehnhoff. Zwar tauchten wenige Jahre später auch schon die ersten Digitalkameras auf, doch die waren so teuer, dass höchstens Profis umstiegen. Ernst wurde es erst rund um die Jahrtausendwende, als die Digitalkameras auch für den normalen Kunden erschwinglich wurden.

Die Digitalkamera nimmt ihrem Besitzer das Wissen über die Fotografie ab

Um zu verstehen, wie enorm diese Veränderung war, muss man sich die Technik genauer anschauen. Äußerlich scheint es nur eine moderate Weiterentwicklung der Kamera gewesen zu sein. Doch zu analogen Zeiten war diese Kamera ein technisches Vehikel, in dem ein chemisches Herz schlug. Ein Druck auf den Auslöser setzte einen Prozess in Gang, der durch eine Mischung aus Geschick, Können und auch ein bisschen Glück beeinflusst wurde und letztlich in einer einfachen chemischen Reaktion mündete, wenn der Film belichtet wurde. Heute dagegen schlägt das Herz der modernen Digitalkamera im Takt der elektronischen Impulse, ein kleiner Computer, der mitdenkt und dem Besitzer das grundlegende Wissen über das Fotografieren vollkommen abnehmen kann.

Deshalb waren die günstigen Digitalkameras zuerst auch ein gutes Geschäft - bis jeder, der gerne fotografieren wollte, ein Modell gekauft hatte. "Die meisten kamen dann nie wieder", sagt Lehnhoff. Warum auch? Die Fotos wurde zu Hause auf den Computer gezogen. Einmal dort, schaffte es kaum noch ein Bild von Ordnern à la "Italien-Urlaub 2003" auf gutes Fotopapier. Eine komplette Umsatz-Säule des Fotohandels brach weg. Wer da keinen Plan B hatte, der musste sein Geschäft bald aufgeben. Lehnhoff reagierte pragmatisch: Früher kamen viele Kunden vor und nach dem Urlaub, um ihre Filme zu kaufen und entwickeln zu lassen. Also holte er sich ein Reisebüro in den Laden und bot einige Zeit statt der Filme gleich den ganzen Urlaub zur Kamera an. Später verkaufte er zur kleinen Digitalkamera den passenden Computer - die Komponenten von Hand zusammengestellt und auf die Bedürfnisse des Fotografen angepasst. "Das hat nur funktioniert, weil wir sehr schnell auf die Veränderungen reagiert haben", sagt Lehnhoff heute.

Das galt auch für den Internethandel. Als Lehnhoff im Jahr 2001 das erste Mal von Ebay hörte, schaute er sich das Portal an und entschied, es dort auch zu probieren. Und heute? Macht er einen Millionenumsatz auf dieser Plattform. Aus seinem Laden in Dinslaken verschicken er und seine Mitarbeiter pro Tag Hunderte Pakete. Er ist ein sogenannter "hybrider Händler", lebt vom Online- wie vom stationären Handel gleichermaßen.

Darauf setzt auch der Münchner Fotohändler Bernd Sauter. Sein Laden ist zwar eher ein Fotokaufhaus über zwei Etagen, doch auch er versteht seine Rolle als Einzelhändler sehr flexibel. "Wer sich nur auf die klassische Kamera als technisches Gerät konzentriert, wird irgendwann dichtmachen müssen", sagt er. Zusätzlich zum Laden und seinem eigenen Online-Portal eröffnete er ein Fotostudio und bietet Lehrgänge für Fotografen an. Das sind zwar nicht die großen Umsatzbringer, aber trotzdem wichtige Teile des Geschäfts. In einer Branche, in der regelmäßig eine neue technische Revolution droht, lohnt es sich, divers aufgestellt zu sein.

"Ein Laden mit echten Menschen ist wieder ein Verkaufsargument."

Deshalb sorgt Sauter sich auch nicht wegen der aktuellen Revolution: dem Smartphone. Die kleinen Alleskönner radierten beinahe den kompletten Markt der günstigen Einsteigerkameras aus. Große Elektronikketten hatten damit viel Geld verdient, in großen Drahtkörben stapelten sich die Modelle für 70 Euro vor den Kassen zum Verkauf. Den Wegfall dieses Marktes konnten sie über andere Bereiche kompensieren, viele Einzelhändler dagegen nicht. Auch hier macht sich ein kreatives Technikverständnis bezahlt. Fotohändler Bernd Sauter ist jedenfalls überzeugt: Moderne Handys sind eine großartige Chance. "Der Einstieg in die Fotografie erfolgt heute nicht mehr über die klassische Kamera, sondern über das Smartphone", sagt er. Mehr Menschen als je zuvor könnten dadurch die Freuden der Fotografie entdecken. Also holte er sich einen Kooperationspartner in seinen Laden, der günstige Handyverträge anbietet. Die Rechnung ist einfach: Wer seinen Handyvertrag hier abschließt und Spaß am Fotografieren findet, ist zumindest schon einmal durchs Geschäft gegangen und hat die Vitrinen mit den hochwertigen Kameras gesehen.

Denn das ist aktuell die Nische, in der sich viele Fotohändler eingerichtet haben. Er verkaufe zwar weniger Geräte, die seien dafür meist teurer, sagt Sauter. Hier zahlt es sich aus, nicht komplett den Schritt ins Internet gegangen zu sein. "Ein Laden mit echten Menschen, die einen beraten können, ist mittlerweile wieder ein Verkaufsargument." Und das nächste große Ding? Vielleicht Kameradrohnen, heißt es da. Natürlich nicht nur für den normalen Nutzer. "Sie müssen das weiterdenken", ist einer dieser Sätze, den Bernd Sauter häufiger sagt. Jeder, der einen Blick von oben auf die Dinge braucht, ist schließlich ein potenzieller Kunde. Und wenn es der Bauer ist, der seine Felder kontrollieren will.

© SZ vom 29.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

World Press Photo Award
:Luftangriffe und stiller Protest

Aufrüttelnde, bedrückende und erstaunliche Momentaufnahmen hat die Jury des World Press Photo Award ausgezeichnet. Eine Auswahl der Gewinner.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: