Digital-Knigge der Telekom:Höflichkeit im Zeichen der Stickdecke

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Die Telekom stellt 101 Regeln für das digitale Benehmen vor. Diese schwanken zwischen Selbstverständlichkeiten und Kuriositäten.

Hat die Telekom schnell reagiert oder funktionieren die Drähte zwischen Regierung und dem ehemaligen Staatskonzern noch immer ausgezeichnet? In der Montagsausgabe der Welt forderte CSU-Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner einen "Knigge fürs Internet", noch am Nachmittag des gleichen Tages stellte die Telekom ihre 101 Regeln für das digitale Benehmen vor - exklusiv auf dem Online-Portal der Springer-Zeitung.

Internet-Knigge
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E-Etiquette nennt die Telekom ihr Regelwerk, das auch als Buch erschienen ist, aber damit noch lange nicht abgeschlossen sein soll: Auf einer I nternetseite im Stickdeckchendesign können Nutzer die Regeln bewerten und kommentieren oder auch neue Leitsätze vorschlagen; daneben bedient das Team des Telekom "Creation Centers" auch die üblichen sozialen Kanäle wie Facebook und Twitter. Mit einem "Höflichkeit 2.0 Dinner" will der Konzern die Idee Journalisten und Bloggern nahebringen. Gemeinsam mit der Deutschen Knigge Gesellschaft und dem Royal College of Art in London hat das Telekom-Benimmteam nach eigenen Angaben in Workshops und Untersuchungen das Online-Verhalten von Menschen aus zwölf Nationen analysiert. Die daraus destillierten Regeln sind in Einzelfällen durchaus nützlich, bewegen sich jedoch meist zwischen Selbstverständlichkeiten und Kuriositäten.

Tabu Toilettentelefonat

So sollen Internetnutzer auf ihre Rechtschreibung achten, in sozialen Netzwerken nur relevante Informationen veröffentlichen (Regel Nr. 27) und unansehnliche Mitteilungen von dort möglichst schnell entfernen (Regel Nr. 30). Wer in der Öffentlichkeit mit dem Handy telefoniert, soll dabei drei Meter Abstand zu anderen Menschen halten (Nr. 38) und nicht wie "der Tiger im Käfig" umherschleichen" (Nr. 39). Auf einer öffentlichen Toilette zu telefonieren ist komplett tabu, "eine rauschende Spülung verrät alles" (Nr. 44). Und eine Beziehung digital zu beenden, ist nur dem niedlichen Star-Wars-Roboter R2D2 gestattet (Nr. 91).

Der Versuch, Verhaltensregeln für das Internet zu finden, ist nicht neu: Bereits 1986 kursierten im Usenet die Ratschläge der fiktiven Kummerkastentante Emily Postnews, die der Software-Pioniers Brad Templeton erfunden hatte.

Damals, als die Daten noch im Schneckentempo unterwegs waren, ging es um Rechtschreibung, lange Signaturen und den richtigen Ton im Ur-Diskussionsforum. 1989 wurden die Ergebnisse im Dokument RFC1855, dem wohl ersten Netz-Knigge zusammengefasst.

Geteiltes Echo

Obwohl sich bestimmte Konventionen im Netz eingebürgert haben und sich Verhaltensregeln in Foren weltweit ähneln, konnten sich schriftlich festgelegte allgemeine Regeln bislang nicht durchsetzen. Und auch der Versuch der Telekom findet im Netz geteiltes Echo.

"Was dem besseren Umgang miteinander dienen kann, schadet sicher nicht," heißt es auf dem Boschblog, auf der Seite t3n News hingegen lästert Autor Jan Tißler: "In einem Anflug von Selbstironie werden die 101 Überflüssigkeiten für das digitale Leben in altdeutscher Stickoptik präsentiert."

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