Abgasstreit:Kommunen fürchten Chaos durch Diesel-Fahrverbote

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Komplizierte Abgasregeln für Diesel-Fahrzeuge könnten schon bald noch mehr Chaos im Straßenverkehr auslösen, befürchten die Kommunen. (Foto: Martin Gerten/dpa)
  • Das Bundesverwaltungsgericht verhandelt am 22. Februar über die Frage, ob Diesel-Fahrverbote rechtlich zulässig sind.
  • Länder und Kommunen reagieren mit Ärger über die Bundesregierung. Sie fürchten, dass sie die Umsetzung von Fahrverboten im Alleingang überfordern könnte.
  • Auch die Polizei hält nichts von Fahrverboten. Es fehle das Personal, um sie durchzusetzen.

Von Markus Balser, Berlin

Was in dieser Woche droht? Wenn das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig am Donnerstag über die Rechtmäßigkeit von Fahrverboten urteilt, schauen in ganz Deutschland Bürgermeister sehr genau hin. 70 Städte kämpfen derzeit mit zu hohen Schadstoffwerten in der Luft und könnten bald gezwungen sein, schmutzige Diesel zumindest zeitweise auszusperren.

Der Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling, aktuell auch noch Präsident des Kommunalverbands VKU, ahnt, was das für Städte bedeutet: "Wenn es zu Fahrverboten kommt, bedeutet das tiefste Eingriffe in das kommunale Leben, in die kommunale Infrastruktur, in Arbeit und Wirtschaft", warnt Ebling. "Das kommunale Leben wäre sehr stark bedroht."

Die Kommunen müssen die Versäumnisse des Bundes ausbaden

In Kommunen und Bundesländern wächst wenige Tage vor dem Urteil zu Fahrverboten nicht nur die Angst vor den Folgen. Auch der Ärger darüber, dass es überhaupt so weit kommen konnte, nimmt zu. "Die Bundesregierung verschleppt eine Lösung bei den Anstrengungen für bessere Luft in den Städten", klagt Thomas Griese, Umwelt-Staatssekretär der rot-gelb-grünen Regierung in Rheinland Pfalz. "Sie erklärt, sie wolle Fahrverbote verhindern. Es gibt aber keine konkreten Vorschläge für Alternativen wie schnelle Nachrüstungen. Man muss klar sagen: Der Bund lässt die Länder, Kommunen und Verbraucher bei einem ganz wichtigen Thema im Stich." Auch in Hessen oder Berlin klagen Ministerien darüber, dass der Bund das Problem aussitzen wolle.

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Länder und Städte fürchten, dass sie angesichts der Tatenlosigkeit in Berlin von den Bürgern den Schwarzen Peter bekommen. Sie müssten Fahrverbote mangels Alternativen und auch wegen fehlender einheitlicher Bundesvorgaben letztlich im Alleingang umsetzen. Je nach Straße, Viertel oder Stadt könnten dann unterschiedliche Regelungen gelten. Ein Szenario, das auch für die Autobranche als Horrorvision gilt. Wenn jede Stadt eigene Grenzwerte einführe, herrsche in Deutschland Chaos, sagt ein hochrangiger Branchenvertreter. Dann wisse niemand mehr, wohin er mit seinem Auto eigentlich noch zum Einkaufen fahren könne.

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig verhandelt am 22. Februar über die Frage, ob Diesel-Fahrverbote rechtlich zulässig sind. Ein Urteil bereits am Donnerstag gilt als wahrscheinlich. Formal entscheidet das Gericht darüber, ob die Bundesländer Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen pauschale Fahrverbote für bestimmte Fahrzeuge zu Recht ablehnen. Doch die Wirkung würde praktisch alle Problemstädte betreffen. Experten halten es für wahrscheinlich, dass die Leipziger Richter den Weg für kommunale Fahrverbote frei machen. Er würde sich wundern, wenn man daran vorbeikommen könnte, sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, Helmut Dedy, dem Spiegel.

"Wir haben keine Hundertschaften im Keller, die auf neue Aufgaben warten"

Die Polizei zweifelt allerdings daran, dass die überhaupt umsetzbar wären. "Wer glaubt, dass wir dauerhaft solche Verbote durchsetzen können, der irrt", sagte der stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Arnold Plickert. Allenfalls temporäre Aktionen seien denkbar. Der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, warnt vor fehlendem Personal auf den Wachen. "Wir haben keine Hundertschaften im Keller, die nur auf neue Aufgaben warten." Verbotszonen seien nicht kontrollierbar.

Unterdessen wächst der Druck auf Berlin, die in Brüssel präsentierten Maßnahmen gegen schlechte Luft in den Städten auch wirklich umzusetzen. So fordert Nordrhein-Westfalen vom Bund bei Plänen für einen kostenlosen Nahverkehr einen konkreten Vorschlag. "Ihrer Idee, einen kostenlosen ÖPNV einzuführen, stehen wir grundsätzlich positiv gegenüber", schreibt NRW-Verkehrsminister Hendrik Wüst (CDU) an Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU), Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) und den geschäftsführenden Verkehrsminister Christian Schmidt (CSU). Das aktuelle Schreiben liegt der Süddeutschen Zeitung vor.

Allerdings müsse klar werden, wie der Bund den Wegfall der Ticketpreise kompensieren wolle. Die Landesregierung begrüße es, wenn der Bund diese Fragen "zeitnah" mit Ländern und Kommunen "besprechen würde". Wüst beantragte zudem, das Thema auf die Agenda der nächsten Sitzung der Länder-Verkehrsminister zu setzen. Umweltverbände fordern die Einführung einer blauen Plakette, die Fahrverbote regeln könne. "Die Bundesregierung wird sich beim Kampf der Städte gegen Dieselabgase nicht länger aus der Verantwortung stehlen können", erklärte Greenpeace. Die Leipziger Entscheidung werde die Unsicherheit für Millionen Autofahrer nicht beenden. Im Gegenteil: "Um zu wissen, welches Auto künftig in welche Stadt fahren darf, brauchen wir ein bundeseinheitliches Werkzeug."

© SZ vom 19.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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