Die Schlacht um Opel:Die Angst, am Ende dumm dazustehen

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Auf deutscher Seite hat das amerikanische Pokerspiel Ärger und Unsicherheit ausgelöst - trotzdem wollen alle Beteiligten an der bisherigen Opel-Strategie festhalten.

S. Braun

Nächte sind gefährliche Zeiten in deutsch-amerikanischen Verhandlungen, das müssen derzeit viele immer wieder lernen in der Bundesregierung. Jedenfalls dann, wenn es um die Zukunft von Opel geht. Als in der Nacht zu Samstag überraschend die Botschaft nach Deutschland drang, der Verwaltungsrat von General Motors habe eine Entscheidung über die Zukunft Opels mit seinen vier deutschen Werken erneut verschoben, fühlten sich viele beteiligte Minister und Ministerpräsidenten an jene erste von zwei Nächten im Juni erinnert, als schon einmal alle hofften, die Sache sei geschafft - um dann durch amerikanische Bremsaktionen eines Besseren belehrt zu werden. Aus diesem Grund waren über das Wochenende CDU-Politiker wie Sozialdemokraten aus der Bundesregierung und den Ländern bemüht, nicht wie die begossenen Pudel, sondern wie besonders entschlossene Verhandlungsführer zu erscheinen.

Die Schlacht um Opel ist längst eine Hängepartie geworden. (Foto: Foto: ddp)

Unisono bedauerten die Bundeskanzlerin und der Außenminister, der Bundeswirtschaftsminister und die Länderchefs der beteiligten Bundesländer die neuerliche Verzögerung - um anschließend mit deutlichen Worten eine baldige Entscheidung einzufordern. Kanzlerin Angela Merkel betonte, "jeder Tag" zähle; Außenminister Steinmeier erinnerte daran, dass es deutsche Hilfen nur für ein tragfähiges Konzept gebe, also das von Magna. Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg rief GM auf, die Verhandlungen "so schnell wie möglich" wieder aufzunehmen. "Keiner der Beteiligten sollte ein Interesse daran haben, dem Vorwurf kühler Verhandlungstaktiererei ausgesetzt zu sein." Und Hessens Regierungschef Roland Koch rief all dem noch hinterher, er sei "ausgesprochen verärgert", immerhin seien doch "alle sachlichen Fragen zwischen GM und Magna geklärt". Deshalb gebe es für die Verschiebung keine Rechtfertigung mehr.

Neben ihrem Zorn eint die deutschen Politiker derzeit auch die Frage, ob man strategisch alles richtig gemacht hat im Verhältnis zu GM und zur amerikanischen Regierung. Ja, heißt es dazu von allen Seiten, an der Linie will keiner rütteln lassen, auch nicht in den vielen Gesprächen, die in den nächsten zwei, drei Tagen anstehen werden. Ob Christ- oder Sozialdemokraten - es gibt in der Regierung derzeit niemanden, der die Konzentration auf den österreichisch-kanadischen Autozulieferer Magna kritisieren würde. Allerdings nimmt in den Bundesländern mit Opel-Standorten die Erwartung zu, dass die Bundeskanzlerin selbst in den nächsten Tagen Anstrengungen unternimmt, um die amerikanische Seite und die Spitze von General Motors vom Konzept mit Magna zu überzeugen. Gespeist wird diese Erwartung nicht zuletzt durch ein Telefonat Steinmeiers mit US-Außenministerin Hillary Clinton, in dem der Deutsche am Samstagabend seine Amtskollegen aufgefordert hatte, den deutschen Standpunkt mit Verve in die US-Administration zu tragen.

Immer optimistisch bleiben

Intern wächst in Berlin allerdings die Sorge, dass der "Machtkampf", wie ein hoher deutscher Beamter das Ringen in der GM-Spitze beschreibt, längst nicht mehr um die Frage geht, ob man als GM Magna oder dem belgischen Finanzinvestor RHJ den Zuschlag geben solle. Stattdessen wüchsen die Anzeichen, dass es in der GM-Spitze starke Kräfte gebe, die einen Verkauf von Opel inzwischen ganz ablehnen. Mögliches Motiv, so beschreibt es der Beamte, könnte sein, dass GM den rentabelsten und kreativsten Teil des alten Autogiganten am liebsten behalten würde, statt ihn an mögliche Konkurrenten der Zukunft abzugeben.

Trotz des Ärgers über die Verzögerung bleibt die Regierung optimistisch, gespeist vor allem aus der Tatsache, dass weder die deutsche noch die amerikanische Seite noch General Motors irgendetwas ohne die beiden anderen entscheiden könne. "Es handelt sich um den klassischen Fall einer Tür mit drei Schlössern", erklärt ein hoher deutscher Regierungsvertreter, "man braucht alle drei Schlüssel, um die Tür öffnen zu können."

Dass Union und SPD im Kampf um eine Zukunft für Opel trotz des Wahlkampfs bislang eng beieinanderbleiben, hängt damit zusammen, dass sich keine Seite einen Vorteil davon verspricht, den Kurs zu ändern. Beide Seiten haben sich früh auf Magna festgelegt, letztlich - so lautet auf beiden Seiten die Analyse - kann sich davon niemand distanzieren. Davon unberührt wächst freilich auch die Angst, dass die Öffentlichkeit in diesem Theater die Geduld mit der Politik verlieren könnte. "Wenn wir das nicht bald unter Dach und Fach haben, könnten die Menschen denken, wir seien unfähig. Das müssen wir vermeiden", sagte ein hoher Beamter am Sonntag der Süddeutschen Zeitung.

© SZ vom 24.08.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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