"Du hast Spaß am Umgang mit Menschen aus verschiedenen Nationen und verfügst über gute Englischkenntnisse sowie ein gut entwickeltes Zahlenverständnis." Das verlangt eine Hotelkette von neuen Auszubildenden, die Hotelfachmann/-frau werden wollen. Der geforderte Schulabschluss: "Mittlere Reife oder vergleichbar." Ein Restaurant in der Hamburger Hafen-City sucht einen jungen Menschen, der Koch lernen will und Lust zur "Ausbildung auf höchstem Niveau" hat. Auch hier geht ohne Mittlere Reife nichts. Ein Werkzeugstahl-Unternehmen möchte gern einen Azubi, der mit Computern umgehen kann, stellt aber nur einen mit "gutem Realschulabschluss" ein.
Alle Angebote finden sich auf der einzigen bundesweiten Lehrstellenbörse (www.ihk-lehrstellenboerse.de) der 80 Industrie- und Handelskammern und sie haben eines gemeinsam: Für Hauptschüler gibt es mit ihrem Abschluss hier keinen Anschluss. Sie brauchen ihre Bewerbung erst gar nicht abzuschicken, trotz der Klagen der Wirtschaft über Zehntausende unbesetzte Ausbildungsplätze und den Mangel an Fachkräften.
Besonders häufig klagt die Hotel- und Gastronomiebranche über unbesetzte Lehrstellen
Die Liste mit den Beispielen ließe sich endlos fortsetzen. Das zeigt eine Analyse des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) der IHK-Lehrstellenbörse, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Dabei wurden die Ende März 2015 knapp 44 000 offenen Ausbildungsplätze des Onlineportals untersucht. Fast zwei von drei angebotenen Plätzen waren dabei den Jugendlichen mit einem Hauptschulabschluss von vornherein verwehrt. Wer ganz ohne Schulabschluss ist, geht erst recht leer aus. Nur knapp vier Prozent der Stellenausschreibungen sind für diese Jugendlichen überhaupt offen.
Besonders häufig klagt die Hotel- und Gastronomiebranche über unbesetzte Lehrstellen. Trotzdem sind viele Unternehmen selbst dort wählerisch: Etwa 60 Prozent der Ausschreibungen bei den Hotelfachkräften sind so formuliert, dass Jugendliche mit Hauptschulabschluss draußen bleiben müssen. Bei den Restaurantfachkräften gilt dies immerhin noch für 40 Prozent der Angebote.
Auch im gewerblich-technischen Bereich werden diese jungen Leute oft ausgegrenzt. Fast jeder zweite zukünftige Zerspanungsmechaniker soll zum Beispiel kein Hauptschulabsolvent sein. Bei den Bank- und Büroberufen gehen die Chancen dieser Schulabgänger sowieso gegen null. Ob im Büromanagement, im Groß- und Außenhandel oder bei den Industriekaufleuten - hier liegt die Ausschlussquote bei mehr als 90 Prozent.
Für Elke Hannack, stellvertretende DGB-Vorsitzende, ist deshalb klar: "Das passt nicht zu den ewigen Klagen über den vermeintlichen Fachkräftemangel. Zu viele Betriebe setzen immer noch auf eine Bestenauslese." Wer künftig seinen Fachkräftenachwuchs sichern will, müsse verstärkt Jugendlichen mit Hauptschulabschluss eine Chance geben.