Deutsche Telekom: Spitzel-Affäre:Gegenseitige Kontrolle

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Heinz Klinkhammer führte bei der Telekom die Abteilung Konzernsicherheit - die überprüfte daraufhin seine Telefonate.

Hans Leyendecker

Die Welt der Agenten, Nachrichtendienstler und Verfassungsschützer war dem Juristen Heinz Klinkhammer, der in den siebziger Jahren brav über "Mitbestimmung im Gemeinschaftsunternehmen" promoviert hat, immer sehr fremd. Im Bekanntenkreis erzählte der 62-jährige Krefelder manchmal, wie enttäuscht er gewesen sei, als er erstmals beruflich dem berühmten Privatdetektiv Werner Mauss begegnet sei. Mauss kann sehr unauffällig daherkommen.

Heinz Klinkhammer, Ex-Personalvorstand der Telekom. (Foto: Foto: ddp)

Als Personalvorstand und Arbeitsdirektor der Deutschen Telekom, der er von 1996 bis 2006 war, gehörte zu Klinkhammers Aufgabenbereichen auch die Konzernsicherheit, internes Kürzel "KS": "Eine schwierig zu führende Einheit", sagte Klinkhammer gern.

Diese Feststellung ist, wie sich jetzt herausstellt, noch eine arge Untertreibung. Die Bonner Staatsanwaltschaft, die den Schnüffel-Skandal des rosa Riesen aufrollt, hat in diesen Tagen dem einst im Vorstand für Sicherheitsfragen zuständigen Klinkhammer schriftlich mitgeteilt, er sei von den eigenen Leuten bespitzelt worden. Am 5. August 2005 jedenfalls wurden die Verbindungsdaten seines Dienst-Handys illegal und heimlich überprüft. Von Interesse war augenscheinlich, wann Klinkhammer mit wem telefoniert hat. Am Vortag, dem 4. August 2005, hatte eine wichtige Aufsichtsratssitzung der Telekom stattgefunden. Am 8. August sollte das Halbjahresergebnis verkündet werden.

Woher kommen die Kontodaten?

Jede menschliche Einrichtung hat ihr eigenes Milieu, ihre Besonderheiten. Allmachtphantasien, Paranoia, Wichtigtuerei sind dem Sicherheitsgewerbe nicht fremd, aber der Telekom-Fall geht über die branchenüblichen Verrücktheiten hinaus. Warum wurden, wie sich jetzt herausstellt, mindestens 55 Personen bespitzelt, darunter führende deutsche Gewerkschafter, Betriebsräte und Personalvorstand Klinkhammer? Wer hat den Auftrag gegeben? Und welchen Sinn hatten die schmutzigen Manöver? Einige Opfer wurden monatelang bespitzelt, andere wochenlang, mancher nur einen Tag. Manchmal wurden Verbindungsdaten vor Sitzungen illegal überprüft, manchmal nach Sitzungen. Wenn kritische Geschichten in der Zeitung standen, gab es offenkundig Sammelaufträge.

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Warum ein Fernmeldeoberrat an irgendwelchen Geheimaufträgen gearbeitet hat - und warum er darüber nicht sprechen wolle.

Auch Klinkhammer staunt. Er hat als Personalvorstand fast geräuschlos den Umbau von einer Behörde in einen Global Player zustande gebracht. Er strich 120.000 Arbeitsplätze und schuf 50.000 neue, aber die Sicherheitsgeschichten blieben ihm unheimlich. Dass in der Abteilung ein anderer Wind wehte als beispielsweise bei den Technikern, hatte der Sozialdemokrat Klinkhammer, der am Anfang seiner Karriere Arbeitsrichter in Oberhausen und Krefeld und dann Ministerialer in Düsseldorf war, früh erfahren. Im Konzern waren Betrügereien aufgeflogen, und stolz berichteten ihm die Sicherheitsleute, sie könnten Verdächtige mit Hilfe von Kontounterlagen überführen. Woher sie die Kontodaten hätten, wollte Klinkhammer wissen. Die Sicherheitsleute verwiesen auf irgendwelche amerikanischen Quellen.

"Sie können eine solche Einheit nur einigermaßen führen, wenn die einen Chef hat, den Sie für integer halten", sagt Klinkhammer. Für integer hielt und hält er den ehemaligen Polizisten Harald Steiniger, der über Stationen bei der Deutschen Bank und SAP als Chef der Konzernsicherheit zur Telekom gekommen war. Eines Tages, im August oder September des Jahres 2005, erklärte ihm jener Steininger, es gebe da ein Problem. Da laufe was Komisches. Ein Fernmeldeoberrat arbeite an irgendwelchen Geheimaufträgen, über die er nicht sprechen wolle.

Ein Ängstlicher, ein Detailfreund

Klinkhammer bestellte beide in sein Büro, und der Oberrat sagte nur, er habe von oben einen Maulkorb bekommen und dürfe nichts sagen. Das fand Klinkhammer, wie er sich erinnert, ziemlich frech, schließlich war er selbst doch eigentlich der Oberste in Sicherheitsfragen bei der Telekom. Also marschierten sie kurz darauf gemeinsam zum damaligen Vorstandschef Kai-Uwe Ricke, der von einem Maulkorb nichts wissen wollte: "Unsinn". Der Oberrat verstand offensichtlich, dass er Redeerlaubnis habe und gab eine Räuberpistole zum Besten, die mit dem Fall zu tun hat, in dem die Bonner Strafverfolger mittlerweile recherchieren.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt auch gegen Ricke und den ehemaligen Telekom-Aufsichtsratschef Klaus Zumwinkel, die beide bestreiten, von den schmutzigen Aktionen gewusst zu haben. Klinkhammer kennt beide ganz gut: Ricke sei "ängstlich", sagt er, Zumwinkel hingegen sei ein "Detailfanatiker": Der "hat eine kritische Distanz zu mir gehabt". Diese Wahrnehmung bedeutet in diesem Fall nichts. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Klinkhammer jedoch, der seit seinem Ausscheiden bei der Telekom vor allem als Unternehmensberater und gelegentlich als Anwalt tätig ist, gehört schon lange als Rittmeister der Prinzengarde der Stadt Krefeld 1914 e.V. an, der Leibgarde des Prinzen Karneval. Er weiß also durchaus, wie es im Narrenreich so zugeht.

© SZ vom 15.11.2008/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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