Telekom-Affäre:Spitzelskandal weitet sich aus

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Die Verbindungen von Verdi-Chef Bsirske sowie von 54 weiteren Personen wurden von der Telekom ausgespäht. Auch ein Vorstandsmitglied soll betroffen sein.

Thomas Öchsner

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft Bonn hat das Telekommunikationsunternehmen die Telefonverbindungsdaten von 55 Personen mit zum Teil mehreren Anschlüssen durchleuchten lassen.

Offenbar im Visier der Datenkrake Telekom: Verdi-Chef Frank Bsirske. (Foto: Foto: dpa)

Darunter befindet sich auch der Vorsitzende von Verdi, Frank Bsirske. Dies gab die Dienstleistungsgewerkschaft am Donnerstag in Berlin bekannt. Verdi-Vorstandsmitglied Lothar Schröder sprach von einem "kriminellen Verhalten" der früheren Geschäftsführung.

Bislang war nur die Bespitzelung von fünf Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat sowie von Journalisten publik geworden. Der Bonner Konzern hatte eingeräumt, dass 2005 und auch 2006 Verbindungsdaten ausgespäht wurden. Ziel soll dabei gewesen sein, Personen herauszufinden, die angeblich vertrauliche Informationen an Medien weitergegeben haben.

Die Staatsanwaltschaft Bonn versucht nun herauszufinden, wer für die Ausspäh-Aktion verantwortlich ist. Insgesamt ermittelt sie gegen 13 Beschuldigte. Darunter sind auch der ehemalige Telekom-Chef Kai-Uwe Ricke und der frühere Aufsichtsratsvorsitzende Klaus Zumwinkel.

Arbeitsdirektor im Visier

Nach einer ersten Auswertung der Ermittler ist der Kreis der Bespitzelten deutlich größer als zunächst angenommen.

Bei den Personen handelt es sich demnach nicht nur um Aufsichtsräte der Telekom, sondern auch um Aufseher der Telekom-Tochter T-Mobile. Außerdem seien Angehörige und Mitarbeiter des Betriebsrats, "aber auch dem Konzernbereich nicht zuzuordnende Dritte" sowie sieben Journalisten ausgespäht worden.

Verdi-Vorstandsmitglied Schröder, der als stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Telekom selbst zu den Bespitzelten gehört, spricht deshalb nun von einer "neuen Dimension" des Skandals.

Sogar der damalige Arbeitsdirektor der Telekom, Heinz Klinkhammer, sei 2005 wahrscheinlich ausgespäht worden; er galt als gewerkschaftsnah. Die Staatsanwaltschaft bestätigt dies indirekt, in ihrer Auflistung spricht sie "von einem Vorstandsmitglied" des Unternehmens.

Ob die Telekom auch Telefonate abhörte, ist noch ungeklärt. Die Staatsanwaltschaft scheint dafür bislang keine Beweise gefunden zu haben. Verdi-Vorstandsmitglied Schröder will dies aber nicht ausschließen. Angesichts der kriminellen Machenschaften in dem Konzern müsse man leider "das Schlimmste befürchten".

"Angriff auf Mitbestimmung"

Für Schröder steht inzwischen fest, dass es bei dem Missbrauch von Daten nicht nur darum ging, eine undichte Stelle im Konzern zu finden. "Es wurden ja auch Leute observiert, die keinen Zugang zu vertraulichen Informationen hatten." Dazu zählten zum Beispiel Verdi-Chef Bsirske und Rolf Büttner, der bis 2007 Vize-Aufsichtsratschef der Post und Verdi-Bundesvorstand war.

Dies zeige, dass es dem Konzern in den Jahren 2005 und 2006 offenbar darum ging, generell "kritische Geister" ins Visier zu nehmen. Es sei auffällig, dass der Konzern ausschließlich Vertreter der Arbeitnehmerseite durchleuchtet habe. Das Verdi-Vorstands-Mitglied sprach deshalb von einem "Angriff auf die Koalitionsfreiheit und die Mitbestimmung".

Telekom-Vorstandschef René Obermann, der sein Amt vom Beschuldigten Ricke übernahm, hat sich nach Angaben Schröders in den vergangenen Tagen bei mehreren Betroffenen persönlich entschuldigt. Die Telekom hatte selbst Anzeige erstattet, um das Ausmaß des Missbrauchs von Verbindungsdaten und den oder die Auftraggeber herauszufinden.

Die Staatsanwaltschaft hatte den Konzern Ende Mai durchsucht und wertet nun sichergestellte Dateien und Unterlagen aus. Es geht unter anderem um mögliche Verstöße gegen das Fernmeldegeheimnis und den Datenschutz. Sollte die Mitarbeit des Betriebsrats erheblich behindert worden sein, sei auch eine Gefängnisstrafe möglich, sagte Schröder.

© SZ vom 14.11.2008/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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