Deutsche Bank:Vorteil Fitschen

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  • Deutsche-Bank-Chef Fitschen steht unter Verdacht: Er soll im Kirch-Prozess nicht die Wahrheit gesagt haben.
  • Ende April soll der Prozess gegen Fitschen anfangen.
  • Manches deutet nun aber darauf hin, dass die Staatsanwaltschaft kein leichtes Spiel haben wird, denn der zuständige Richter hat Zweifel an der Sichtweise der Staatsanwaltschaft.

Von Hans Leyendecker und Klaus Ott, München

Es könnte der Wirtschaftsprozess des Jahres werden - und was ist nicht schon alles spekuliert worden.

Als sicher galt bislang, dass ein Hauptverfahren vor der 5. Strafkammer des Landgerichts München I enorme Auswirkungen auf die Deutsche Bank haben würde. Seit fast drei Jahren führen Anshu Jain und Jürgen Fitschen gemeinsam das größte deutsche Geldhaus. Weil Fitschen möglicherweise wegen des Verdachts des Prozessbetrugs im Kirch-Streit auf der Anklagebank Platz nehmen muss, gab es nicht nur in der Frankfurter Finanzszene das Geraune, bald werde nur einer übrig bleiben. Jain, ein Brite mit indischen Wurzeln, werde den Konzern dann alleine lenken.

Fitschen wies zwar stets die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft München I zurück. Seine Leute betonten, der Chef denke überhaupt nicht an Rücktritt, er sei kampfeswillig und bereit, die Sache auszufechten. Doch wie sollte das gut gehen in einem Gerichtsverfahren, das lange dauern kann? Das Geflüster und Geraune könnte nun ein Ende haben. Es könnte alles gut enden für Fitschen.

Kein Heimspiel

Ausgerechnet jetzt, da die Zulassung der Anklage gegen den Bankchef, seine beiden Vorgänger Josef Ackermann und Rolf Breuer sowie zwei weitere ehemalige Bankvorstände überall kolportiert wird. Der Prozess soll am 28. April beginnen; doch ein Heimspiel wird das, so oder so, nicht für die Münchner Staatsanwaltschaft. Denn Richter und Ermittler sind, wie sich diese Woche zeigte, in einem zentralen Punkt der Anklage ganz unterschiedlicher Ansicht.

Dokumentiert ist das in einem Vermerk der 5. Strafkammer, deren Vorsitzender Richter Peter Noll ist. Ein scharfsichtiger, unabhängiger und in Justizkreisen angesehener Richter.

Seine Kammer traf sich am Mittwoch mit gleich vier Vertretern der Staatsanwaltschaft München I . Noll notierte in dem Vermerk, die Strafkammer habe "erhebliche Zweifel" an einer These des Oberlandesgerichts (OLG) München, die sich die Staatsanwaltschaft in der 627 Seiten dicken Anklage zu eigen gemacht hatte.

Wahrscheinlich tagt Gericht nur einmal in der Woche

Die These des OLG war für die Niederlage der Deutschen Bank im Schadensersatzstreit mit Leo Kirch mitentscheidend. Der einstige Medienmagnat hatte nach seiner Pleite die Bank verklagt, weil sie ihn als Großkreditkunden ausgerechnet in Zeiten größter Not verraten und verkauft habe. Das OLG folgte diesem Vorwurf. Die Deutsche Bank habe von Kirch, als ihm die Insolvenz drohte, mit Druck und Tricks ein lukratives "Beratungsmandat" erlangen wollen. Anschließend, im Schadensersatzstreit, habe der Finanzkonzern das zu vertuschen versucht.

Klare Sache also, auf den ersten Blick: Die Deutsche Bank musste 925 Millionen Euro Schadensersatz zahlen. Nun sollen sich Fitschen und die anderen wegen versuchtem Prozessbetrug vor Gericht verantworten. Wirklich klar? Nicht für Noll und seine Richterkollegen. Dass sie die OLG-Version in Frage stellen, die Deutsche Bank und die angeschuldigten Manager hätten einen Auftrag von Kirch und dessen Konzern "erzwingen" wollen, dürfte weitreichende Konsequenzen für das geplante Gerichtsverfahren haben. Um den Fall sauber aufzuklären, kommt die Kammer vermutlich nicht umhin, die OLG-Ergebnisse zu überprüfen.

Beim 85. Ball des Sports hat sich der Co-Chef der Deutschen Bank, Jürgen Fitschen, noch gut amüsiert. Ab Ende April steht er vor Gericht. (Foto: Fredrik von Erichsen/dpa)

Sie muss vieles, was als sicher galt, noch einmal aufrollen. Genau darauf wollen, im Gegensatz zur Staatsanwaltschaft, auch mehrere Verteidiger der Angeschuldigten hinaus. Ihr Einwand lautet, das OLG sei zu falschen Ergebnissen gekommen. Kirch habe keine Schadensersatzansprüche gehabt. Folglich liege auch kein versuchter Prozessbetrug der Deutschbanker vor.

Die Zweifel der 5. Strafkammer an der OLG-Version führen bei den Angeschuldigten und deren Anwälten zu vorsichtigem Optimismus. Das sei ein "erstes Pflänzchen"; das Gerichtsverfahren werde "kein Durchmarsch" für die Staatsanwaltschaft. Aber das bedeute natürlich noch lange nicht, dass der Fall für die Verteidigung gewonnen sei.

Das ist richtig - natürlich hat die Staatsanwaltschaft noch lange nicht verloren. Auch wenn Thomas Weith, Hauptabteilungsleiter Wirtschaft, die Chefanklägerin Christiane Serini und zwei weitere Ermittler bei dem Treffen am Mittwoch mit der 5. Strafkammer wenig erreichten. Die Staatsanwaltschaft ist weiterhin der Ansicht, es sei für das Strafverfahren unerheblich, von welchem Sachverhalt das OLG als Zivilgericht ausgegangen sei. Ausschlagend sei vielmehr, dass die Banker sich mit unlauteren Mittel gegen Kirchs Ansprüche gewehrt hätten. Das müsse konsequent geahndet werden. Und um das zu tun, müsse man das Verfahren beim OLG nicht "in extenso", also nicht vollständig und komplett beleuchten.

Nun ja, vollständig nicht, aber schon umfassend, glauben offenbar Noll und seine Leute. Der Prozess, von dem so vieles abhängt, soll fair und gründlich sein. So kennt man das von Noll.

Justizkreisen zufolge will die Strafkammer Anfang kommender Woche über die Zulassung der Anklage entscheiden. Noch ist unklar, ob die Vorwürfe dann in vollem Umfang verhandelt werden. Höchstwahrscheinlich müssen zwar alle fünf Angeschuldigten, also auch Fitschen, auf die Anklagebank.

Bei dem amtierenden Bank-Chef könnte es aber sein, dass er nicht wegen einer mutmaßlichen Straftat vor Gericht kommt. Sondern nur wegen einer angeblichen Ordnungswidrigkeit, einer Vernachlässigung interner Aufsichtspflichten in der Bank. Oder dass die 5. Strafkammer zumindest andeutet, bei Fitschen könne eine solche Ordnungswidrigkeit statt einer Straftat in Betracht kommen. Der Bankchef müsste sich auch dann einem Prozess stellen, aber im Gegensatz zu den anderen Deutschbankern müsste er allenfalls eine Geldbuße befürchten. Ohnehin will das Gericht nur einmal die Woche tagen, immer dienstags. Fitschen hätte also noch genug Zeit für die Bankgeschäfte.

© SZ vom 28.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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