Deutsche Bank und der Kirch-Prozess:E-Mails und Führungskultur

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Einblicke in Führungskultur: Deutsche Bank in Frankfurt (Foto: Bloomberg)

Warum hat sich das Geldhaus nie mit dem Medienmogul Leo Kirch geeinigt? Interne E-Mails der Deutschen Bank geben interessante Einblicke. Eine Nachricht könnte dem Chef Jürgen Fitschen nun zum Verhängnis werden.

Von Klaus Ott

Bankmanager sind meist kühle Rechner, die sich nicht von ihren Gefühlen leiten lassen, sondern von harten Zahlen. Doch manchmal neigen sogar Spitzenvertreter des Geldgewerbes zu Gefühlsausbrüchen. Im Februar 2011 wäre der Vorstand der Deutschen Bank um den damaligen Chef Josef Ackermann "total glücklich" über einen Vergleich mit dem Erzfeind Leo Kirch gewesen, wie die sonst so nüchterne Rechtsabteilung euphorisch notierte. Kein Wunder: Ackermann & Co standen vor der konkreten Aussicht, nach bald einem Jahrzehnt endlich zahllose kleine Scharmützel und große Prozesse beilegen zu können, die dem Image des Finanzkonzerns schon damals nicht gerade förderlich gewesen sind.

Der Vorstand fühle sich stark und wolle sich ohne Zustimmung der Hauptversammlung, also der Aktionäre, mit dem lange zuvor pleitegegangenen Medienmagnaten Kirch einigen, schrieb ein führender Bank-Jurist einigen Kollegen in einer Mail vom 20. Februar 2011. Auch Ackermanns Vorgänger Rolf Breuer, der den Streit mit Kirch ausgelöst hatte, wäre der Mail zufolge erleichtert gewesen.

Doch dann kam alles ganz anders. Der Vorstand rückte unter Ackermann von dem Vergleich wieder ab - und steckt seitdem immer tiefer im Schlamassel. Heute läuft die Bank Gefahr, den Erben des inzwischen verstorbenen Kirch Schadenersatz zahlen zu müssen. Und gleich fünf Spitzenleuten des Instituts droht eine Anklage wegen versuchten Prozessbetrugs. Darunter Breuer und Ackermann und, besonders schlimm für das Institut: der heutige Co-Vorstandschef Jürgen Fitschen.

Anhand vieler, von der Münchner Staatsanwaltschaft beschlagnahmter Dokumente lässt sich die damalige Dramaturgie erstmals genau nachvollziehen. Szenen eines Konzernlebens, wie sie selten in die Öffentlichkeit gelangen.

Seehofer hatte sich eingeschaltet und auf einen Vergleich gedrängt

Wer die damaligen Ereignisse nachvollzieht, der erfährt, wie es Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer beinahe gelungen war, den Dauer-Konflikt zu beenden und warum Ackermann dann doch nicht einlenkte. Und weshalb jetzt auch Fitschen ziemlich in der Patsche sitzt. Der heutige Co-Chef hatte ebenso wie einige Vorstandskollegen einen Schriftsatz der Bank-Anwälte gutgeheißen, in dem die Justiz eine Version über den früheren Umgang mit dem Kreditkunden Kirch präsentiert bekam, die sowohl das Oberlandesgericht (OLG) München wie auch die Staatsanwaltschaft nicht glauben mögen. Er sei "so einverstanden", antwortete Fitschen der Rechtsabteilung in einer Mail vom 9. Mai 2011.

Mitgegangen, mitgefangen, mitgehangen? Dabei war eine Lösung greifbar nahe gewesen - dank Seehofer. Der Ministerpräsident hatte vorgeschlagen, Ackermann und Kirch sollten sich treffen und eine gütliche Einigung herbeiführen, heißt es im Protokoll einer Vorstandssitzung der Deutschen Bank vom 20. Februar 2011. So habe es Ackermann den Kollegen mitgeteilt. Seehofer soll Ackermann angerufen und ihm gesagt haben, "wollt ihr diesen Streit nicht beilegen?" Kirch hatte seit den Zeiten von Franz Josef Strauß meist einen guten Draht zur CSU gehabt. Einer seiner engsten Vertrauten war Peter Gauweiler, den Seehofer gerade soeben in die CSU-Spitze zurückgeholt hat. Gauweilers Kanzlei hat Kirchs juristische Schlacht gegen die Deutsche Bank begonnen und setzt den Kampf nun für seine Erben fort. Auslöser des Milliarden-Streits war jenes TV-Interview gewesen, in dem der damalige Bank-Chef Breuer im Februar 2002 Kirchs Kreditwürdigkeit öffentlich angezweifelt habe. Der Geldkonzern habe den finanziell angeschlagenen Medienmagnaten unter Druck setzen wollen, um seine Film- und Fernsehgruppe zerschlagen und daran verdienen zu können, lautet der Vorwurf der Kirch-Seite, den die Bank zurückweist.

Auf Seehofers Vorstoß hin setzten der Bank-Vorstand und Kirch Unterhändler ein, die einen Vergleichsentwurf aushandelten. Die Rechtsabteilung des Geldinstituts prüfte den internen Unterlagen zufolge auch schon, wie man die für das Management abgeschlossene Haftpflichtversicherung in Anspruch nehmen könne. Die Police beläuft sich auf mehrere Hundert Millionen Euro, das hätte der Bank einiges erspart. So weit, so gut. Doch dann wies das Landgericht München Ende Februar 2011 eine der vielen Kirch-Klagen gegen die Bank ab. Das sprach gegen einen Vergleich. Andererseits war noch ein weiteres Verfahren beim OLG München im Gange, das nicht so gut für die Bank lief. Beim OLG stand eine Zeugenaussage von Breuer an, die der Bank-Vorstand abwarten wollte.

Breuer trat vor Gericht dem Verdacht, er habe mit seinem TV-Interview Kirch noch mehr in Bedrängnis bringen und so dem Geldinstitut lukrative Geschäfte ermöglichen wollen, vehement entgegen. Da sei nichts dran. Freilich glaubte das OLG Breuer nicht und war der Ansicht, es käme eine "vorsätzlich sittenwidrige Schädigung" von Kirch durch die Bank in Betracht. Einen Monat später regte das Gericht an, die Bank solle 775 Millionen Euro zahlen - das sprach für einen Vergleich. Die Rechtsabteilung des Geldinstituts schlug vor, Kirch zu fragen, ob er mit diesem Betrag einverstanden sei, alles Weitere solle kommende Woche besprochen werden; so steht es in Mails von damals.

Die Woche darauf war dann alles ganz anders. Die Rechtsabteilung vermerkte, Ackermann habe sich am 28. März 2011 gemeldet und erklärt, man solle doch keinen Vergleich anstreben. Sondern lieber dem Gericht beweisen, dass dessen Annahmen falsch seien. Falls erforderlich, würde er, Ackermann, das bezeugen. Der Vorstandschef machte also einen Rückzieher und ging wieder auf Konfrontation zu Kirch. Und auf Konfliktkurs zur Justiz. Eine etwas kuriose Situation, nachdem der Vorstand mit Ackermann an der Spitze wenige Wochen zuvor noch "total glücklich" über einen Vergleich gewesen wäre, wie die Rechtsabteilung notiert hatte. Genauso kurios wie die Schreibweise des Chefs in jener Mail, die Aufschluss gibt über die Kehrtwende: "Joe Dr. Ackermann".

Die Anwälte der Bank arbeiteten anschließend einen Schriftsatz aus, in dem Kirchs Vorwurf und die Annahmen des OLG als falsch zurückgewiesen wurden. Ackermann, Fitschen, und andere Top-Leute der Bank könnten das bezeugen. Am 9. Mai 2011 ließ Vorstandschef Ackermann per Mail um 8.25 Uhr sein Einverständnis erklären, um 10.40 Uhr folgte Fitschen, danach stimmten weitere Top-Leute diesem Vorgehen zu. Anschließend wurde der Schriftsatz beim OLG eingereicht. Ein Bank-Jurist schrieb einem Kollegen: "Let's keep your fingers crossed", lass' uns die Daumen drücken, dass der Schriftsatz und die angebotenen Zeugenaussagen das Gericht überzeugten.

Am 19. Mai 2011 traten Ackermann und zwei Ex-Vorstände beim OLG auf, am 28. Juni folgte Fitschen. Letzterer äußerte sich über den Umgang im Jahr 2002 mit Kirch vorsichtiger als seine Kollegen. Die Rechtsabteilung hielt intern fest, Fitschens Aussage habe nicht zu 100 Prozent den Angaben seiner Kollegen entsprochen, sie sei aber im Großen und Ganzen hilfreich für die Bank gewesen. Dem heutigen Co-Chef half seine Vorsicht bei Gericht freilich nichts mehr. Das OLG befand, Fitschens Aussage sei "schlicht inkonsistent", also widersprüchlich gewesen. Und die Staatsanwaltschaft leitete, nachdem sie gegen Ackermann, Breuer und zwei Ex-Manager zu ermitteln begonnen hatte, später auch ein Verfahren gegen Fitschen wegen versuchtem Prozessbetrugs ein. Und ein Bußgeld-Verfahren gegen die Bank selbst.

Das Geldinstitut und die fünf Beschuldigten weisen die Vorwürfe zurück, aber um eine Anklage werden Ackermann & Co wohl nicht mehr herumkommen. Der Vergleich, den Seehofer und vorübergehend auch Ackermann im Jahr 2011 gewollt hatten, hätte dem Finanzkonzern und seinen Spitzenleuten das alles erspart. Und er wäre die Bank womöglich auch nicht teurer gekommen als das, was jetzt noch folgt.

© SZ vom 29.11.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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