Deutsche Bank:Streit im Deutsche-Bank-Aufsichtsrat eskaliert

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Verzerrte Wahrnehmung: Die Frankfurter Zentrale der Deutschen Bank spiegelt sich in einer gegenüberliegenden Hochhausfassade. (Foto: Andreas Arnold/dpa)

Verrat, Eitelkeiten, Übereifer: Bei der Deutschen Bank halten einige die Lage im Aufsichtsrat für "brandgefährlich".

Von Meike Schreiber, Frankfurt

Das Drama bahnte sich bereits im Januar an. Frank Bsirske, oberster Vertreter der deutschen Arbeitnehmer und Mitglied des Aufsichtsrats der Deutschen Bank, setzt damals zu einer Rede an, um Aufsichtsratschef Paul Achleitner zu verteidigen. Es ging um eine heikle Sache an diesem kalten Wintertag. Es ging um die Frage, ob die Bank die Skandale der Vergangenheit richtig aufgeklärt hat. Immerhin hat sie deutlich höhere Strafen zahlen müssen als andere Banken. Unter dem Strich wohl mehr als hundert Millionen Euro. Das ist Fakt. Unklar war, wer daran die Schuld trägt. Das lässt sich im Nachhinein eben oft schwer sagen.

Mit einem Mal aber stand sogar Achleitner unter Verdacht. Haben nicht nur die Vorstände, sondern auch der Aufsichtsratschef Fehler bei der Aufklärung der diversen Skandale gemacht? Die Kollegen im Aufsichtsrat jedoch, allen voran Bsirske, wollten Achleitner zeigen, dass sie die Vorwürfe für unbegründet hielten. Und dass Achleitner nach wie vor der richtige Mann an der Spitze sei. Alles gut also.

Doch nicht einmal drei Monate später zeigt sich, wie tief der Riss in den Führungsgremien der Bank wirklich ist. Auf einmal herrscht dort erneut ein Chaos, das manch einer in der Bank bereits als "brandgefährlich" einstuft. Ein Chaos, das selbst den Freispruch von Co-Chef Jürgen Fitschen zu überlagern droht. Auch wenn die Bank am Donnerstag über ihre wohl eher schlechten Quartalszahlen berichtet, wird das eher nebensächlich wirken. Es ist ein Drama mit Zutaten eines Bühnenstückes: Verrat einer Freundschaft, verletzte Eitelkeit, womöglich Übereifer. Und es ist offenbar: einer gegen alle.

Denn im Mittelpunkt steht Georg Thoma, 71 Jahre alt und seit 2013 Mitglied des Aufsichtsrat. Rechtsanwalt ist er, aber keiner für die Probleme des Normalbürgers, sondern einer, der früher Großkonzernen bei Fusionen (Daimler, Chrysler) oder ihrer Suche nach Investoren (bei den Scheichs in Abu Dhabi) geholfen hat. Und er ist keiner, der einfach so im Aufsichtsgremium mitschwimmt, keiner, der pflichtschuldig die Sitzungen absolviert und sein Gesicht einmal im Jahr zur Hauptversammlung zeigt.

Thoma leitet den sechsköpfigen Integritätsausschuss des Aufsichtsrates. Das ist ein Gremium, das die Skandale der Bank - Russland, Libor, Manipulation der Devisenkurse - aufarbeiten, das aber auch Vorgaben für den Kulturwandel machen soll.

Von dort aus aber blockiere Thoma den erhofften Neuanfang der Bank, werfen ihm seine Kritiker vor. Sie tun das nicht etwa hinter vorgehaltener Hand, sondern öffentlich. "Mit seinem Übereifer und der juristischen Selbstverwirklichung stößt Dr. Thoma zunehmend auf Kritik", lässt sich Alfred Herling, Betriebsratschef und Vize-Aufsichtsratschef, am Wochenende zitieren. "Er überzieht, wenn er immer breitere Untersuchungen fordert." Mit Ex-SAP-Chef Henning Kagermann äußert sich zudem ein Vertreter der Kapitalseite. Für einen Dax-Konzern ist das ungewöhnlich, allenfalls von VW kennt man solche Sachen.

Auslöser des Konflikts ist die missglückte Kommunikation mit der britischen Aufsicht

Wie sich die Situation so hochschaukeln konnte, lässt sich schwer rekonstruieren. Fakt ist aber, dass die Wahrnehmungen von Thoma in der Bank weit auseinander gehen: Die einen halten ihn für einen furchtlosen Helden, der endlich mit der bösen Vergangenheit aufräumt. Die anderen für eine amoklaufenden Bürokraten, der nichts anderes im Sinn hat, als die Manager zu schikanieren. Zum Verhängnis geworden ist ihm nun offenbar, dass er sich dabei auch mit Achleitner selbst angelegt hat. Im Kern geht es um die missglückte Kommunikation der Bank mit der britischen Aufsicht FCA im Jahr 2013.

Wegen schlechter Kooperation fiel die Strafe für die Libor-Manipulation daraufhin rund 100 Millionen Pfund höher aus. Die Details sind verworren; wer die Schuld dafür trägt höchst unklar. Auf Betreiben von Thoma aber prüfen Vorstand und Aufsichtsrat jetzt wechselseitig, ob einer der Ex-Manager oder sogar Achleitner Schadenersatz für mögliche Fehler zahlen muss. Diese Prüfung - ohnehin heikel - sollte nun wenigstens bis zu Hauptversammlung Ende Mai abgeschlossen sein, damit Achleitner dort unbelastet auftreten kann. Gerade aber diese Untersuchungen zögere Thoma hinaus, heißt es im Aufsichtsrat. Weil zeitgleich auch noch eine Aktionärin zu diesem Thema einen Antrag auf Sonderprüfung auf die Tagesordnung hat setzten lassen, muss Achleitner fürchten, dass ihm wegen Befangenheit die Versammlungsleitung entzogen wird. Wegen des Kursverfalls sind viele Aktionäre ohnehin unzufrieden. Die Blamage wäre perfekt.

Dabei war es Achleitner, der Thoma geholt hatte. Sie kannten sich von diversen Deals der Hochfinanz, waren sogar befreundet. Thoma war Achleitners Trumpfkarte, sie wollten die Arbeit des Aufsichtsrates verbessern. Diese Freundschaft ist nun Geschichte. So viel steht wohl fest.

Offen ist, wie die Gemengelage ausgeht. Wenn am Donnerstag der Integritätsausschuss der Bank turnusgemäß zusammenkommt, mit Ex-Siemens-Chef Peter Löscher, Achleitner, Thoma und mehreren Arbeitnehmervertretern, wird die Stimmung wohl eisig sein. Tritt Thoma zurück? Tritt sogar Achleitner zurück? In Frankfurt kann man sich derzeit weder das eine noch das andere so recht vorstellen. Thoma und Achleitner schweigen bislang. In einer E-Mail von Thoma, aus der das Handelsblatt zitiert, steht: Die Themen der Vergangenheit seien nicht sein "Hobby", der Aufsichtsrat verhalte sich pflichtwidrig, wenn er nicht aufkläre.

© SZ vom 26.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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