Vertrauen gewinnen
Obwohl sie sich den "Kulturwandel" auf die Fahne geschrieben hatten, ist es Anshu Jain und Jürgen Fitschen nicht gelungen, das Vertrauen von Öffentlichkeit, Politik und Kunden zu gewinnen. Im Gegenteil: Es ist so tief gesunken wie wohl noch nie in der Geschichte der Deutschen Bank. Dazu haben vor allem Skandale um minderwertige US-Immobilienkredite, manipulierte Zinsen, Devisen und Rohstoffe oder jüngst Geldwäsche-Vorwürfe in Russland beigetragen. Den bisherigen Chefs wird vorgeworfen, die Skandale nicht schnell genug aufgearbeitet oder ihre Aufarbeitung sogar verzögert zu haben - so wie beim manipulierten Zinssatz Libor. Obendrein fraßen Strafen, die mittlerweile fast in den zweistelligen Milliarden-Bereich gehen, einen großen Teil der Gewinne auf.
Cryan muss nun noch ausstehende Rechtsstreits, etwa in Sachen Devisen, schnell ausräumen - und den Kulturwandel auch in den unteren Hierarchiestufen durchsetzen. Vorher wird die Bank nicht zur Ruhe kommen. Und es wird noch viel Geld verschlingen. Analyst Huw Van Steenies von Morgan Stanley erwartet bis 2017 weitere Rechtskosten von bis zu drei Milliarden Euro.
Strategie umsetzen
Jain und Fitschen sind letztlich an mangelnder Glaubwürdigkeit gescheitert. Die Investoren haben ihnen nicht mehr abgenommen, dass sie die im April vorgestellte neue Strategie auch umsetzen können. "Das ist schwer mit Leuten zu machen, die mit den alten Strukturen verwoben sind und zudem nicht mehr das Vertrauen der Aktionäre haben", sagt der Frankfurter Banken-Personalberater Andreas Halin. Deshalb habe es einen Mann von draußen gebraucht. Denn die Strategie umzusetzen, sei "Kärrnerarbeit, man muss vielen Leuten auf die Füße treten".
Irrtümer korrigieren
Der größte strategische Fehler vor allem Jains war es, bei seinem Amtsantritt 2012 anzunehmen, dass das Bankgeschäft zur alten Stärke wie vor der Finanzkrise zurückkehren kann. Deshalb vermied er den großen Schnitt und behielt teure Strukturen bei, während rundherum Großbanken schon Kosten senkten, sich von Geschäften verabschiedeten, ganze Abteilungen schlossen. Er dachte, dass die Deutsche Bank dann weltweit eine führende Position einnehmen kann, wenn das Geschäft zurückkehrt. Doch das passierte nicht.
Die Regulatoren haben den Banken einen Strich durch die Rechnung gemacht: Sie verlangen, dass sie ihre Geschäfte mit viel mehr Kapital unterlegen, damit nicht wieder die Steuerzahler einstehen müssen, wenn sie schiefgehen. Dadurch sind viele Geschäfte unprofitabel geworden - ein zentraler Faktor, den Jain unterschätzte. Er gab das auch auf der Hauptversammlung zu: "Wir haben uns sehr viele geschäftliche Optionen offengelassen", sagte er. Das sei nicht durchzuhalten gewesen, weil die regulatorischen Anforderungen viele Geschäfte teurer machten. Alles für jeden anzubieten, geht nicht mehr. Es war ein großer Irrtum, den Cryan nun korrigieren muss.
Geschäfte abbauen
Die Deutsche Bank ist erschreckend knapp kapitalisiert und verdient zu wenig Geld. Deshalb bleibt ihr nichts anderes übrig, als Geschäft abzubauen, das Kapital bindet. Fitschen und Jain haben den Weg schon vorgezeichnet: Sie wollen im Investmentbanking das Geschäft mit Rohstoffen und strukturierten Produkten ganz oder teilweise schließen. Doch das wird nicht reichen.
"Alle Wetten auf Währungen, Anleihen oder Aktien stehen auf dem Prüfstand, jedes Handelsgeschäft, dem kein realwirtschaftliches Geschäft zu Grunde liegt", sagt Personalberater Halin. Er wird ein dorniger Weg: Cryan muss ganze Handelstische schließen - und viele Leute entlassen.
Visionen entwickeln
Eine spezielle Baustelle ist das Privatkundengeschäft, in dem Vorstand Rainer Neske noch vor der Hauptversammlung das Handtuch geworfen hat. Es wirft besonders wenig Profit ab und bindet besonders viel Kapital. Mit der Strategiewende beschlossen Fitschen und Jain deshalb noch Ende April, die Postbank zu verkaufen. Umsetzen muss dies nun Cryan, bis Ende 2016 soll das Institut mit 14 Millionen Kunden über die Börse verkauft werden. Im Filialgeschäft der Deutschen Bank fallen darüber hinaus 200 von 700 Filialen weg. Noch unklar ist, wie viele Stellen abgebaut werden.
Cryan muss hier noch vielen Mitarbeitern weh tun. "Es ist zwar entschieden, dass Kosten gespart werden sollen, aber längst nicht, wie das Privatkundengeschäft künftig aussehen und welche Rolle es im Konzern spielen soll", sagt Halin. Hier geht es für Cryan darum, das zu tun, was Fitschen und Jain schuldig geblieben sind: Eine klare Vision mit messbaren Zahlen vorlegen - und diese dann umsetzen.