Das epische Wirtschaftsdrama um den verstorbenen Medienunternehmer Leo Kirch, Rolf Breuer und die Deutsche Bank läuft im siebzehnten Jahr, aber nun könnte es beim letzten Vorhang angelangt sein. An diesem Dienstag verhandelt der Bundesgerichtshof (BGH) im Revisionsverfahren über die Freisprüche gleich dreier ehemaliger Chefs der Deutschen Bank - Rolf Breuer, Josef Ackermann und Jürgen Fitschen. Es ist das letzte große Verfahren, das auf die Insolvenz des Medienunternehmers Kirch im Jahr 2002 zurückgeht, das ferne Echo eines Skandals, der vielleicht doch keiner war. Oder einer, den niemand beweisen konnte.
Es begann mit Breuers TV-Interview mit dem Wirtschaftsdienst Bloomberg vom 3. Februar 2002, in dem der damalige Chef der Deutschen Bank auf die Frage nach der Kreditwürdigkeit Kirchs die vermutlich teuerste Antwort der Wirtschaftsgeschichte gab: "Was alles man darüber lesen und hören kann, ist ja, dass der Finanzsektor nicht bereit ist, auf unveränderter Basis noch weitere Fremd- oder gar Eigenmittel zur Verfügung zu stellen." Ein paar Monate später war Kirch pleite, und der Medienmogul glaubte zu wissen, wer schuld war: "Erschossen hat mich der Rolf." Er überzog die Deutsche Bank mit einem gigantischen Schadenersatzprozess vor dem Oberlandesgericht München, an dessen Ende das Geldhaus sich auf einen Vergleich über 925 Millionen Euro einließ, mit den Erben des 2011 gestorbenen Kirch.
In dem jetzigen Verfahren geht es um die Frage, ob die drei Ex-Chefs sich zu einer abenteuerlichen Vertuschungsaktion zusammengetan haben, um den Schadenersatzprozess zu ihren Gunsten zu drehen. Denn die Münchner Staatsanwaltschaft war der Meinung, der tödliche Breuer-Satz sei Teil eines Plans gewesen, um Kirch unter Druck zu setzen und so an einen lukrativen Auftrag des Filmunternehmers zur Sanierung seines Konzerns zu kommen. Darüber hätten die großen Drei im Schadenersatzprozess vor dem OLG bewusst die Unwahrheit gesagt, lautete der Vorwurf der Ankläger - versuchter Betrug also. Das Landgericht München I konnte sich indes nicht von der Schuld der ursprünglich fünf Angeklagten überzeugen und sprach sie schließlich frei. Ausführlichst begründet auf 268 Seiten.
Suche nach Haken und Widersprüchen
Ob der erste BGH-Strafsenat dem Drama einen weiteren Akt hinzufügen will oder kann, steht in den Sternen. Einerseits erhebt der BGH selbst keine Beweise, vernimmt keine Zeugen und wertet keine Dokumente aus. Seine Basis ist das Urteil, er prüft es allein auf juristische Mängel.
Andererseits: Auf 268 Seiten können schon mal Fehler passieren. Im Zentrum dürfte die Beweiswürdigung stehen. Das ist zwar Domäne des Landgerichts, aber da hat der BGH durchaus einen gewissen Beurteilungsspielraum. Denn die Beweiswürdigung muss "erschöpfend" sein und alle "wesentlichen" Beweismittel enthalten. Und was wesentlich ist, bestimmt der BGH.
Es ist also eine Suche nach Haken und Widersprüchen im zeitlichen Umfeld des Breuer-Interviews. Ein paar Tage vorher war Breuer beim Gespräch mit dem damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD), kurz darauf fand eine Vorstandssitzung statt. Wurde da ein Plan für die Restrukturierung der Kirch-Gruppe unter Einbeziehung der Deutschen Bank gefasst? Ein Plan, zu dem das verhängnisvolle Interview gehörte und der später, im Schadenersatzprozess, weggeredet werden sollte? In einer Datenbank des Geldhauses wurde ein Hinweis auf ein ebensolches Projekt mit dem Namen "Barolo" gefunden. Aber das seien nur Sandkastenspiele gewesen, hieß es im Prozess. Das Landgericht hielt das Gegenteil für nicht beweisbar.
Eine der Fragen im BGH-Verfahren dürfte sein, inwieweit Breuer vor seinem Interview über solche Pläne oder Gedankenspiele informiert war, die sein Haus hinsichtlich der Kirch-Gruppe hegte. Und ob die Feststellungen des Landgerichts in diesem Punkt wirklich frei von Widersprüchen sind. Ein Urteil wird wohl erst in einigen Wochen verkündet.