Deutsche Bank:Warten auf das blaue Wunder

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"Wir stehen fest zu unseren Plänen, ab 2022 fünf Milliarden Euro an Kapital an unsere Aktionäre zurückzugeben", sagte der Chef der Deutschen Bank, Christian Sewing. (Foto: Arne Dedert/dpa)

Das größte deutsche Geldhaus glaubt fest daran, die versprochenen Ziele zu erreichen - auch wenn die meisten Analysten längst nicht mehr damit rechnen.

Von Meike Schreiber, Frankfurt

Christian Sewing verfolgt eine klare Strategie: Er setzt voll auf das Prinzip Hoffnung, auch wenn er selbst das wohl etwas anders formulieren würde. Auf der Bilanzpressekonferenz, die am Donnerstag pandemiebedingt digital stattfand, betonte der Deutsche-Bank-Chef jedenfalls, dass er die Lage vollends im Griff habe.

Der Umbau des größten Geldhauses? Verlaufe auch in der Pandemie planmäßig. Die Ziele, die man im Sommer 2019 ausgegeben hatte? Greifbar. Natürlich müsse man in der Pandemie mit zusätzlichen Kreditausfällen rechnen. Deshalb sei die Risikovorsorge für faule Kredite 2020 auf 1,8 Milliarden Euro gestiegen.

"Wir stehen aber fest zu unseren Plänen, ab 2022 fünf Milliarden Euro an Kapital an unsere Aktionäre zurückzugeben", sagte Sewing, der die Bank seit Anfang 2018 führt. Mehr noch, man sei auch "fest entschlossen", 2022 eine Eigenkapitalrendite von acht Prozent zu erreichen, was von den vielen Kenngrößen, die aus Sicht von Aktionären den Erfolg eines Unternehmens ausmachen, wohl die wichtigste ist.

Am Aktienmarkt verfing die Nachricht von der Gewinn-Milliarde nicht

Bloß: Es bleiben nur noch zwei Jahre, und die Bank ist von den Zielen derzeit so weit entfernt wie die Sonne vom Mond. In der Pressemitteilung strich das Geldhaus zwar heraus, vor Steuern eine Milliarde Euro erwirtschaftet zu haben, was immerhin der erste Gewinn seit 2014 ist. Unter dem Strich aber sieht es noch nicht so blendend aus: Dort blieb ein Überschuss von 113 Millionen Euro, was einer Eigenkapitalrendite von gerade einmal 0,2 Prozent entspricht. Also plus minus null.

Am Aktienmarkt verfing die Nachricht von der Gewinn-Milliarde daher nicht. Der Kurs der Deutsche-Bank-Aktie gab zeitweise mehr als zwei Prozent nach, erholte sich später nur leicht. Die Analysten der Citi bezeichneten die Ergebnisse zwar als "anständig", aber auch als wahrscheinlich nicht nachhaltig, da sie auf Einmaleffekten beruhten und der Ausblick nicht detailliert genug sei. Auch die Experten von Raiffeisen Research merkten an, die Bank habe vor allem von einem starken Handelsgeschäft profitiert, zu dem die Kursschwankungen an den Börsen in der Pandemie-Zeit beigetragen hätten. Im Durchschnitt trauen die Analysten der Bank für 2022 gerade einmal eine Eigenkapitalrendite von 3,7 Prozent zu.

Noch dazu zeigen die Zahlen erneut, wie abhängig die Deutsche Bank wieder vom Investmentbanking ist - dabei hatte Sewing im Sommer 2019 eigentlich versprochen, die stabilen Geschäftsfelder zu stärken, also das Privat- und Firmenkundengeschäft, und die Bank vom schwankenden und riskanten Handelsgeschäft unabhängiger zu machen.

Nach dem Ausstieg aus dem Aktiengeschäft ist der Anleihehandel nun aber eine größere Ertragsquelle als 2012, als der frühere Investmentbank-Chef Anshu Jain den Chefposten übernommen hatte. Während die Erträge, also die gesamten Einnahmen, im Privat- und Firmenkundengeschäft schrumpften und im Fondsgeschäft immerhin leicht stiegen, verbuchte das Investmentbanking ein deutliches Plus. Im vergangenen Jahr kamen fast 40 Prozent der Erträge aus dem Investmentbanking und zwar vor allem aus dem Handel mit Anleihen und Derivaten. Dies werde sich ungefähr so auch 2021 fortsetzen, versprach Sewing. Das Jahr habe bereits vielversprechend begonnen.

Hielte der Trend dauerhaft an, wäre dies indes eine Überraschung. Nicht nur schwankt das Handelsgeschäft traditionell stark, es birgt auch höhere Rechtsrisiken, weswegen die Aktionäre im Gegenzug in der Regel eine deutlich höhere Eigenkapitalrendite als acht Prozent verlangen. Gerade erst war bekannt geworden, dass die Bank bestimmte Geschäfte im Investmentbanking daraufhin untersucht, ob Mitarbeiter zu riskante Produkte verkauft oder gar mit Kunden gemeinsame Sache gemacht haben. Die Sache ist vor allem deshalb unangenehm, weil die Bank die Zeit krummer Geschäfte längst hinter sich gelassen haben wollte. Nun aber geht es erneut um Transaktionen mit komplexen Finanzprodukten und zudem um Vergehen aus dem vergangenen Jahr.

Der interne Bilanzmülleimer verbuchte einen Vorsteuerverlust von 2,2 Milliarden Euro

Hinzu kommt: Wegen der hohen Boni war das Investmentbanking der Deutschen Bank die vergangenen Jahre noch nicht einmal besonders profitabel, was auch für 2020 gilt - zumindest wenn man die Verluste der internen Bad Bank, der sogenannten Capital Release Unit, mit einrechnet, die das Geldhaus zum Startschuss der neuen Strategie im Sommer 2019 eingerichtet hatte.

2020 verbuchte dieser interne Bilanzmülleimer einen Vorsteuerverlust von 2,2 Milliarden Euro, was weniger war, als die Bank befürchtet hatte. Zugleich aber kann das Geldhaus die Einheit offenbar nicht wie versprochen 2022 auflösen und Wertpapiere plangemäß verkaufen, weil sie andernfalls höhere Verluste ausweisen würde, wie Finanzvorstand James von Moltke im Dezember gesagt hatte.

Offiziell gibt es diese Einheit, weil das Geldhaus 2019 beschlossen hat, sich aus Geschäften wie dem Aktienhandel zurückzuziehen. Nebeneffekt ist aber, dass die Bank dort negative Erträge und Verluste aus dem Investmentbanking verbuchen kann, was wiederum das Investmentbanking ertragreicher und profitabler erscheinen lässt. Auf die Frage, ob und wenn ja wann die Bad Bank aufgelöst und in die Geschäftsbereiche zurück gebucht werde, sagte Moltke, das sei derzeit nicht geplant.

Auch eine Personalie sorgte am Donnerstag für Aufsehen. So wird der wegen des Pleitekonzerns Wirecard in die Kritik geratenen Deutsche-Bank-Aufsichtsrat Alexander Schütz kein wichtiges Amt mehr im Kontrollgremium der Bank ausüben. Der Österreicher ist nicht mehr Mitglied des Nominierungsausschusses, wie von der Internetseite des Konzerns hervorgeht. Im parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu Wirecard war unlängst eine E-Mail aufgetaucht, in der Schütz dem früheren Wirecard-Chef Markus Braun scherzhaft geraten hatte, die Financial Times "fertig" zu machen. Auf Nachfrage bekräftige Sewing ein früheres Statement der Bank, wonach man die Aussage für "inakzeptabel" halte.

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