Kapitalmarkttag:Deutsche Bank im Kreuzverhör

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Die Türme der Deutschen Bank in Frankfurt. Die Unwucht zugunsten des Investmentbankings ist größer geworden. Und wer auf die "Bad Bank" schaut, dem stellen sich einige Fragen. (Foto: All mauritius images/mauritius images / Pitopia)

Die Frankfurter Großbank diskutiert mit Investoren über den Zustand des Instituts. Dabei stellen sich heikle Fragen zur internen Bad Bank.

Von Meike Schreiber, Frankfurt

Als die Aktie der Deutschen Bank vor einigen Jahren unter zehn Euro fiel und erstmals einstellig notierte, war die Aufregung groß. Wie weit hinunter würde es noch gehen, könnte das Geldhaus den Kursrutsch überleben? Im Frühling, auf dem Höhepunkt der ersten Corona-Welle, fiel die Aktie sogar bis auf fünf Euro, ein Rekordtief. Seither aber geht es beinahe kontinuierlich bergauf, gegen Jahresende steht der Kurs wieder knapp unter zehn Euro. Wer also im März Deutsche-Bank-Aktien kaufte, hat ordentlich Gewinn gemacht.

Genau wie zuvor der Crash hat auch das Kurshoch offenbar mit Corona zu tun. Denn je größer die Unsicherheit an den Kapitalmärkten, desto mehr profitiert das konzerneigene Investmentbanking, genauer: der Handel mit Wertpapieren. Etwa weil sich Unternehmen und Investoren mit Derivaten absichern müssen und die Deutsche Bank ihnen diese Produkte verkauft. Oder weil ihre Händler Preisdifferenzen bei Wertpapieren nutzen.

Das Investmentbanking freut die Führung, aber etwas ist dabei in den Hintergrund gerückt: Vorstandschef Christian Sewing hatte einst angekündigt, die stabilen, wenig riskanten Geschäftsbereiche auszubauen. Nicht etwa das Investmentbanking, wohl aber das Geschäft mit Massen- und Firmenkunden sowie die Vermögensverwaltung. Tatsächlich aber ist die Unwucht zugunsten des Investmentbankings größer geworden - weil es vordergründig brummt und sich die anderen Bereiche dahinschleppen.

Dennoch: Insgesamt sind die Analysten weniger skeptisch als noch zu Jahresbeginn. Gute Voraussetzungen also für den jährlichen Kapitalmarkttag, auf dem der Vorstand am Mittwoch über den Zustand des Konzerns informiert. Und doch liegen Schatten über der vermeintlichen Idylle: eben die immer größere Abhängigkeit vom Investmentbanking. Vor allem aber die hauseigene "Bad Bank". Diesen Bilanz-Mülleimer hatte die Deutsche Bank 2019 aufgestellt, um verlustreiche oder überflüssige Geschäfte zu verklappen. Da diese Geschäfte fast komplett aus dem Investmentbanking stammen, hängen die beiden Schattenseiten des Konzerns zusammen. Vor allem die Bad Bank ist einen näheren Blick wert. Wer genau draufschaut, dem stellen sich heikle Fragen.

Wozu gibt es die Bad Bank?

Offiziell, weil sich das Geldhaus aus bestimmten Geschäften wie dem Aktienhandel zurückzieht und Investoren einen unverstellten Blick auf die "besenreine" Deutsche Bank geben will. Sind die Papiere erst einmal weg, wird wertvolles Eigenkapital "freigesetzt". Ein wichtiger Schritt, schließlich ist Eigenkapital ein rares Gut: Denn für Kredite, die die Bank vergibt, muss sie eine bestimmte Portion Eigenkapital bereithalten, falls diese Kredite ausfallen. Wird das Kapital aber benötigt, um Risikopapiere abzusichern, steht es nicht für die Kreditvergabe, also das eigentliche Bankgeschäft, bereit.

Mit der Bad Bank, die etwas sperrig "Kapital-Freisetzungs-Einheit" ("Capital Release Unit", CRU) heißt, will der Konzern also genau das erreichen: mehr Kapital für die Kreditvergabe, weniger für Überflüssiges. Ob sich das rechnet, hängt davon ab, wie hoch die Kosten dieser Operation sind und ob die Bank mehr Kapital freisetzen kann als sie mit dem Abverkauf riskanter Papiere verliert. Nach der Finanzkrise hatte die Deutsche Bank schon einmal Problempapiere diskret abgewickelt: Kredite für Casinos und Häfen, aber auch komplizierte Derivate. Die Verkäufe hatten ungefähr 13 Milliarden Euro Verlust verursacht, aber die alte Bad Bank hatte dennoch auch 8,5 Milliarden Euro an Kapital freigesetzt.

Die neue Bad Bank dagegen wird laut aktuellen Analystenschätzungen von 2019 bis 2022 wohl rund 8,4 Milliarden Euro Verlust produzieren, also weniger als die alte Bad Bank. Dennoch wird sie allein bei der Abwicklung sehr wahrscheinlich kein Kapital freisetzen, wie aus einer Präsentationen der Bank von Dezember 2019 hervorgeht. Die Kapitalfreisetzung ergibt sich laut Angaben der Bank allein dadurch, dass man von 2022 an hoffentlich ein "fokussierteres Geschäftsmodell" habe.

Wieso wird diesmal kein Eigenkapital freigesetzt?

Weil das, was der Konzern in seiner neuen Bad Bank zusammengefasst hat, relativ wenig Kapital bindet, zugleich aber hohe Verluste anfallen, wie sich auf Basis öffentlicher Informationen errechnen lässt. Für die alte Bad Bank musste sehr viel mehr Kapital zurückgelegt werden, entsprechend größer war der "Freisetzungseffekt". Die Deutsche Bank dagegen behauptet, dass das, was in der Bad Bank liege, zum großen Teil viel Kapital binde und kein verlustreicher Schrott sei, sondern durchaus werthaltig, aber eben nicht mehr benötigt werde. Und sie behauptet, dass der Inhalt der Bad Bank "keineswegs ausschließlich aus dem Investmentbanking" stamme. Aber auch das ist zweifelhaft. Laut der Präsentation von Dezember 2019 stammen 98 Prozent der Bad Bank aus dem Investmentbanking, also fast alles.

Warum gibt es die Bad Bank dann überhaupt?

Auch hier lohnt sich ein zweiter Blick, nämlich der auf die Bonuskultur der Deutschen Bank. 21 Milliarden Euro an Gehältern und Boni hat die Bank ihren Investmentbankern in den vergangenen fünf Jahren gezahlt, wenn man die Bad Bank mit einrechnet. Dabei verdienten die Geschäftsbereiche im gleichen Zeitraum lediglich 86 Millionen Euro. Hat die Deutsche Bank also ihr Investmentbanking entschlackt, auch um den Mitarbeitern weiter Bonus zahlen zu können? Dazu mag sich das Geldhaus nicht äußern, verweist nur auf den Vergütungsbericht. Weniger schüchtern indes ließ sich kürzlich Finanzvorstand James von Moltke vernehmen, als er ankündigte, auch für 2020 wohl wieder höhere Boni zu zahlen.

Woher stammen die Verluste der Bad Bank?

"In erster Linie nicht durch den Verkauf der Vermögenswerte", sagt die Bank, "sondern aus den Kosten der Plattformen, die weiterbetrieben werden müssen, während die Vermögenswerte verkauft werden." Details? Fehlanzeige. Fakt ist: 2020 fallen in der Bad Bank rund zwei Milliarden Euro Kosten an, meist Gemeinschaftskosten für konzerneigene Dienste - wofür genau, ist unklar. Und woher kommen die hohen Plattformkosten? Ihr Geschäft mit Hedge-Fonds, das solche Kosten verursacht, hat das Institut bereits im Sommer 2019 an die BNP Paribas verkauft. Besser nachvollziehbar ist dagegen das, was aus internen Präsentationen hervorgeht: Die von der Bank als "Qualitätspapiere" geadelten Vermögenswerte verursachen ab 2020 durch Preisschwankungen, Absicherungskosten oder beim Verkauf jährlich "negative Erträge" - sprich: Verluste - von 100 bis 355 Millionen Euro. Qualitätspapiere? Schwer vorstellbar.

Aber was liegt denn nun wirklich in der Bad Bank?

Dazu schweigt der Konzern weitgehend. Im Dezember 2019 hieß es, die Bad-Bank-Bilanz von 250 Milliarden Euro stamme zur Hälfte aus dem Aktien- und Hedgefonds-Geschäft und zur anderen Hälfte aus Zins- und Anleihederivaten. Das Aktien- und Hedgefonds-Geschäft hat man bereits weitgehend verkauft, womit die Bad Bank per Ende Oktober auf rund 89 Milliarden Euro geschrumpft ist. Der größte Rest dürfte also aus Zinsderivaten und Anleihen bestehen, ein Geschäft, das die Bank im Kerngeschäft eigentlich weiterführt, Teile davon aber offenbar lieber ein wenig versteckt.

Wer hat die verlustreichen Geschäfte zu verantworten?

Auch dazu macht die Bank keine Angaben. Aber wer auf die Suche geht, wird womöglich fündig: Als die alte Bad Bank Ende 2016 aufgelöst wurde, blieb nur ein kleiner Teil übrig, der in die neue Bad Bank überging. Deren Inhalt muss also aus Geschäften stammen, die nach Ende 2016 abgeschlossen oder seinerzeit zu optimistisch bewertet wurden. Was aber könnte das sein? Womöglich jenes geheime Wertpapierportfolio, das auftauchte, als die Bank ihre Aktionäre im März 2017 um frisches Kapital bat. Im Wertpapierprospekt, den jede Bank erstellen muss, die eine Kapitalerhöhung macht, fand sich damals ein Hinweis auf ein Portfolio aus Anleihe- und Zinsderivaten im Wert von 60 Milliarden Euro, das jährlich Hunderte Millionen Euro Verlust produzierte. Die Bank versprach im Prospekt, es bis 2020 zu halbieren. Ob das Ziel erreicht ist und die Positionen in der Bad Bank sind, auch dazu möchte man nichts sagen. Mittwoch freilich wäre ein guter Tag, auf viele Fragen zu antworten.

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