Deutsche Bank:Ackermann kauft Zeit

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Mitten in der Finanzkrise macht die Deutsche Bank noch Gewinn - den neuen Bilanzregeln sei's gedankt. Doch Chef Ackermann hat keine Wahl: Er muss umbauen.

Martin Hesse

Josef Ackermann hat sich weit aus dem Fenster gelehnt, aber er hat offenbar noch Boden unter den Füßen. Seit der Chef der Deutschen Bank erklärt hat, er würde sich schämen, Staatsgeld annehmen zu müssen, hätte ihm wohl manch einer gewünscht, aus dem Fenster zu fallen und sich doch vom Netz des Staates auffangen lassen zu müssen. Doch die Zahlen der Deutschen Bank sind um einiges weniger extrem als die Emotionen, die ihr Chef stets auslöst. Deswegen kann Ackermann noch immer auf jene Konkurrenten herabschauen, die schon in die Arme des Staates gefallen sind.

Deutsche-Bank-Chef Ackermann profitiert von neuen Bilanzierungsregeln. (Foto: Foto: AP)

Schmaler Grat

Allerdings ist der Grat zwischen Triumph und Debakel in der Bankenwelt derzeit sehr schmal. Die Deutsche Bank hat in einem Quartal, in dem die Finanzwelt in eine Systemkrise schlitterte, einen Gewinn erzielt. Das ist beachtlich, die Börsenreaktion entsprechend positiv. Doch der Gewinn ist zum einen neuen Bilanzierungsregeln geschuldet, zum anderen einigen Sondereffekten. 845 Millionen Euro an Wertberichtigungen blieben der Bank dank neuer Regeln für die Rechnungslegung erspart. 321 Millionen Euro kommen aus einer Steuergutschrift und 229 Millionen Euro aus dem Verkauf von Allianz-Aktien. Zieht man all diese Einmaleffekte ab, stünde die Deutsche Bank mit rund einer Milliarde Euro Verlust da.

Fairerweise muss man zugestehen, dass die neuen Regeln europäische Banken lediglich vergleichbarer mit amerikanischen machen. Die Änderungen sind sinnvoll. Dennoch: Die Deutsche Bank wirtschaftet derzeit in ihrem Kerngeschäft, dem Investmentbanking, mit Verlust, auch die Vermögensverwaltung schreibt rote Zahlen.

Deshalb muss Ackermann den begonnen Umbau fortsetzen und die stabilen Geschäftsbereiche stärken. Zwar ist die Deutsche Bank aus heutiger Sicht bei der Postbank zu teuer eingestiegen, sie sollte daran dennoch festhalten und auch den zweiten Schritt einer Mehrheitsübernahme vollziehen. In den vergangenen Jahren wirtschaftete die Deutsche Bank - wie einige Konkurrenten - wie ein spekulativer Hedgefonds. Künftig wird sie sich intensiver ihren Kunden widmen müssen, auch den privaten Kleinkunden. Dazu bedarf es allerdings eines Kulturwandels, weg von rein rendite- und provisionsgetriebenen Geschäften hin zu Dienstleistung und Beratung, die diesen Namen verdienen.

Ackermann hat mit der Anwendung der neuen Bilanzregeln Zeit gekauft, um den Wandel voranzutreiben. Er sollte sich auch nicht zu schade sein, staatliche Garantien für Interbankenkredite - wenn auch kein Kapital - in Anspruch zu nehmen. Es ist an der Zeit, die unsinnige Debatte zu beenden, ob man sich als Bank für staatliche Hilfe schämen muss oder nicht. Die Deutsche Bank, aber auch die Branche insgesamt und vor allem deutsche Firmen und Verbraucher könnten davon profitieren.

Gelingt Ackermann der Umbau seiner Bank, kann er im Spätherbst seiner Ära vielleicht doch noch sein Image reparieren. Dazu müsste er allerdings seinen Fensterplatz da oben öfter verlassen und sich unten auf der Straße umhören.

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