Wettbewerb:Experten warnen vor Milliardenhilfen für die Bahn

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Ein ICE 4 mit einer symbolischen roten Maske im Berliner Hauptbahnhof: Die Fahrgastzahlen sind zuletzt deutlich zurückgegangen. (Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Die Monopolkommission fürchtet massive Schäden für den Wettbewerb auf der Schiene und schlägt Auflagen vor, damit auch private Konkurrenten profitieren.

Von Caspar Busse, München

Die Züge der Deutsche Bahn sind in diesen Tagen ziemlich leer, die Auslastung lag zuletzt bei nur etwa 20 Prozent. Was für die Reisenden in der Corona-Pandemie durchaus angenehm sein kann, weil sie dann gut Abstand wahren können, ist für die Deutsche Bahn ein wirtschaftliches Fiasko. Denn während die Ticketeinnahmen deutlich zurückgehen, bleiben die Kosten hoch, weil das Angebot fast vollständig aufrechterhalten wird. Die Bundesregierung will der Deutschen Bahn deshalb unter die Arme greifen und das Eigenkapital um rund fünf Milliarden Euro erhöhen. Die Deutsche Bahn ist zu hundert Prozent in Staatsbesitz.

Doch die geplante Unterstützung stößt auf vehemente Kritik. Die unabhängige Monopolkommission, die die Bundesregierung in Wettbewerbsfragen berät, fürchtet einen massiven Schaden für die Konkurrenz auf der Schiene, weil die Bahn damit einseitig bevorzugt werde. Die geplanten Hilfen des Bundes hätten "das Potenzial, den Wettbewerb in allen Bahnsegmenten zu schädigen", warnte die Monopolkommission in einer Stellungnahme am Donnerstag. Die Eigenkapitalerhöhung müsse unbedingt "mit wettbewerbsfördernden Maßnahmen flankiert" werden, so die Experten, ähnlich wie im Fall Lufthansa. Die Fluggesellschaft musste im Gegenzug für die Staatshilfe Auflagen akzeptieren, etwa auf Start- und Landrechte verzichten.

Wettbewerber fürchten, dass die Bahn mit Billigtickets um neue Kunden wirbt

Im Fall der Deutschen Bahn fordern die Wettbewerbsexperten eine Senkung der Trassenpreise für die Zeit der Pandemie, das könne die wirtschaftlichen Probleme der Wettbewerbsbahnen mildern. Zudem müsse die finanzielle Transparenz zwischen den Infrastrukturgesellschaften der Bahn, die das Schienennetz betreiben, und der Muttergesellschaft erhöht werden. Und der Online-Ticketvertrieb, der derzeit von der Deutschen Bahn beherrscht wird, soll stärker für Dritte geöffnet werden. Mehr Wettbewerb im Schienenverkehr sei gut für den Kunden, so die Monopolkommission, die Preise würden sinken, Innovationen angeschoben und die Effizienz gesteigert. Eine Privatisierung der Bahn fordert das Gremium aber nicht. Im öffentlichen Personennahverkehr, und damit teilweise auch im Regionalverkehr, hatte die Bundesregierung bereits Milliardenhilfen für alle beschlossen.

Wettbewerber fürchten, dass die Bahn mit der Milliardenhilfe im Rücken mit Billigtickets um neue Kunden wirbt. Das Unternehmen Flixbus, das Fernbusse als Konkurrenz zur Bahn anbietet und ebenfalls massiv unter Corona leidet, hatte bereits eine Verzerrung beklagt. Der Wettbewerb auf der Schiene ist zuletzt gestiegen, aber je nach Bereich sehr unterschiedlich ausgeprägt. Nach Angaben der Monopolkommission stieg der Marktanteil privater Wettbewerber im Nahverkehr, also etwa im Regional- und S-Bahn-Verkehr, von 19 Prozent im Jahr 2014 auf 26 Prozent im Jahr 2018. Im gleichen Zeitraum hätten die Wettbewerbsbahnen im Schienengüterverkehr ihren Marktanteil sogar von 36 Prozent auf 51 Prozent steigern können. Im Fernverkehr lag der Marktanteil der Privaten im Jahr 2018 weiterhin bei nur einem Prozent. Flixtrain etwa, eine Tochter von Flixbus, bietet vereinzelt Verbindungen an. Im Fernverkehr war die Bahn mit Hochgeschwindigkeitsverbindungen bis zur Corona-Pandemie gut im Geschäft.

Flixtrain ist einer der wenigen Wettbewerber, die im Fernverkehr gegen die Deutsche Bahn antreten. (Foto: Christian Charisius/dpa)

Nach Angaben der Bundesnetzagentur ist im ersten Halbjahr die Nachfrage im Fernverkehr deutlich zurückgegangen, es wurden 50 Prozent weniger Personenkilometer gemeldet. Im Regionalverkehr, wo die Konkurrenz auf der Schiene stärker ist, lag der Rückgang bei den Personenkilometern über alle Unternehmen hinweg bei mehr als einem Drittel. Für das Gesamtjahr 2020 rechnet die Bundesnetzagentur mit einem wirtschaftlichen Gesamtschaden für den Eisenbahnmarkt von rund 2,5 Milliarden Euro.

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