Deutsche Bahn:Bahn verkauft Auslandstochter Arriva

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Arriva betreibt unter anderem die roten Doppeldeckerbusse in London. (Foto: Daniel Leal/AFP)

Nach jahrelanger Suche hat die Bahn einen Käufer für das Unternehmen gefunden und kann nun stärker in Deutschland investieren.

Die Deutsche Bahn verkauft ihre Auslandstochter Arriva. Alle verbliebenen Teile des britischen Bus- und Bahndienstleisters würden vollständig an den US-Infrastruktur-Investor I Squared Capital veräußert, teilte die Bahn mit. Ein Kaufvertrag sei in der Nacht auf Donnerstag unterzeichnet worden. Die Transaktion soll im Laufe des kommenden Jahres abgeschlossen werden. Zuvor müssten noch der Konzernaufsichtsrat und der Bund als Eigentümer dem Verkauf zustimmen.

Medienberichten zufolge zahlt der auf Infrastrukturprojekte spezialisierte Investor rund 1,6 Milliarden Euro für Arriva, das in 13 europäischen Ländern Busse und Bahnen betreibt. Die Bahn kommentierte den Betrag zunächst nicht. Stimmt er, wäre der Verkauf ein Verlustgeschäft: Die Bahn hatte den britischen Bus- und Bahndienstleister vor 13 Jahren inklusive Schulden für rund 2,7 Milliarden Euro erworben. Schon gab es an der Transaktion Kritik: Der Grünen-Politiker Anton Hofreiter sprach von "Größenwahn". Anstatt weiter ins Ausland zu expandieren, solle sich die Bahn lieber aufs Schienen-Kerngeschäft in Deutschland konzentrieren, lautete die bis heute andauernde Kritik.

Bahnkunden in Deutschland werden von der Trennung wenig spüren

Arriva ist nach wie vor mit etwa einer Milliarde Euro verschuldet, Verpflichtungen, die nun auf den neuen Eigentümer übergehen. Zudem hätte die Bahn in den kommenden Jahren hohe Summen in die Elektrifizierung der Arriva-Busflotten und die generelle Sanierung des Unternehmens stecken müssen. Geld, das nun für das Kerngeschäft der Bahn verwendet werden soll. "Das strategische Ziel der Deutschen Bahn ist es, Rekordinvestitionen in den umweltfreundlichen Schienenverkehr im deutschen Kerngeschäft zu tätigen", teilte DB-Finanzvorstand Levin Holle mit. "Somit steht der unterzeichnete Kaufvertrag im Sinne der starken Schiene."

Die Bahnkunden in Deutschland werden von der Trennung wohl wenig spüren. Arriva gehört unter anderem zu den Betreibern der roten Doppelstockbusse in der britischen Hauptstadt London und unterhält Regionalverkehre zum Beispiel in den Niederlanden, Italien und Spanien. Insgesamt hat Arriva in 13 europäischen Ländern 17 000 Busse und 1100 Züge im Einsatz.

Tatsächlich hatte die Deutsche Bahn schon jahrelang nach Möglichkeiten gesucht, Arriva loszuwerden. Kaufinteressenten gab es allerdings wenige, denn der Konzern galt lange als wenig attraktive Investition. Insbesondere während der Corona-Pandemie hatte die Auslandstochter wirtschaftlich schwer gelitten. Eine Sonderabschreibung in Höhe von 1,4 Milliarden Euro im ersten Halbjahr 2020 trug maßgeblich zu den Pandemieschäden des Gesamtkonzerns bei. Die Bahn hatte daraufhin den damaligen Arriva-Chef Manfred Rudhard ausgetauscht.

Seither hat sich die Tochter wieder einigermaßen erholt. Im ersten Halbjahr dieses Jahres machte Arriva einen operativen Gewinn vor Steuern und Zinsen von 43 Millionen Euro. Zuletzt hatte sich das Unternehmen stärker auf seine Kernmärkte ausgerichtet und sich in den vergangenen Jahren von Aktivitäten unter anderem in Schweden, Portugal, Dänemark, Serbien und Polen getrennt.

Die Bahn will auch Schenker verkaufen

Erst vor wenigen Wochen hatte die Bahn die nächste Phase im Verkauf einer weiteren Konzerntochter bekannt gegeben: Für den Logistikkonzern DB Schenker will der Vorstand auf Käufersuche gehen. Schenker ist im Ausland sehr aktiv, doch anders als Arriva hatte der wirtschaftlich gut laufende Logistikkonzern die jüngsten Bilanzen der Deutschen Bahn deutlich aufpoliert. Das Interesse von Investoren gilt als groß. Mit den Einnahmen will die Bahn vor allem ihren enormen Schuldenberg von etwa 30 Milliarden Euro abbauen.

Arriva und Schenker stehen für eine Zeit, in der die Bahn mit milliardenschweren Zukäufen unter Bahnchef Hartmut Mehdorn und dessen Nachfolger Rüdiger Grube versuchte, zum weltweiten Logistik- und Verkehrskonzern, einem Global Player, aufzusteigen. International aktiv bleibt der Konzern auch nach dem Verkauf von Arriva. In der konzerneigenen E.C.O.-Gruppe bündelt die Bahn Beratungs- und Entwicklungsangebote und betreibt zahlreiche Verkehrsprojekte in aller Welt. Ende letzten Jahres hat das Unternehmen etwa einen Milliardenauftrag in Ägypten an Land gezogen. Die Bahn soll dort das erste Hochgeschwindigkeitsnetz betreiben und instand halten. Technische Unterstützung leistet die Bahn zudem seit einigen Jahren für die Doha Metro im Wüstenstaat Katar. Die erste Linie des weitgehend unterirdisch verlaufenden Nahverkehrssystems der Hauptstadt ging 2019 in Betrieb. Auch bei einer Umstrukturierung des Hafens von Santos in Brasilien stand die Bahn beratend zur Seite.

© SZ/DPA/Bloomberg/Reuters/tobu - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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