Herumzumäkeln an der Bahn ist in Deutschland ziemlich populär. Immer ist irgendwo ein Fernzug oder eine S-Bahn zu spät. Die Preise sind sowieso immer zu hoch, die Züge zu voll, das Personal ist zu unfreundlich, das Angebot im Speisewagen zu dürftig. Im heißen Sommer fällt die Klimaanlage aus, im kalten Winter friert die Weiche ein. Fast jeder hat eine Geschichte parat. Die Leute bei der Bahn sind nicht zu beneiden. Aber sie sind selbst schuld.
Eigentlich sollte die neue, schnelle ICE-Verbindung zwischen München und Berlin die Wende bringen. Aber sie ist zu einer peinlichen Blamage geworden. Schon der Sonderzug mit 200 Ehrengästen hatte zwei Stunden Verspätung. Auch in den Tagen danach fielen ICE-Züge aus, blieben liegen, hatten technische Probleme. Offen ist, wann das Staatsunternehmen die Probleme endlich in den Griff bekommen wird. Klar ist schon jetzt, dass der Imageschaden beträchtlich sein wird, und zwar auch für den Ingenieur-Standort Deutschland. Die Elbphilharmonie in Hamburg verzögerte sich um Jahre, der Flughafen in Berlin wird nicht fertig, der Hauptbahnhof in Stuttgart wird immer teurer - und jetzt funktioniert noch nicht einmal mehr eine neue Schnellzugverbindung einwandfrei.
Ein privates Unternehmen könnte sich ein solche Panne jedenfalls nicht leisten. Seit mehr als einem Jahr wird die Schnellstrecke angekündigt und flächendeckend mit hohem Aufwand dafür geworben. Die Preise für die Tickets zwischen München und Berlin wurden bereits kräftig raufgesetzt. Der neue Bahn-Chef Richard Lutz schwärmte von neuen Zeiten. Die Gelegenheit wäre gut: Nach der Pleite von Air Berlin sind gerade die Flüge zwischen München und Berlin deutlich teurer geworden, viele suchen nach einer Alternative.
Doch wie sich nun zeigt, hat sich der Bahn-Chef zu viel vorgenommen, dafür trägt er die Verantwortung. Es wurde zu viel versprochen und zu wenig gehalten, das ist verhängnisvoll. Offenbar wurde schlecht geplant, es wurden zu geringe Reserven vorgehalten, auch an anderen Ecken gibt es seit der Fahrplanumstellung Probleme. Die neue automatische Zugsteuerung funktioniert trotz umfangreicher Tests nicht. Unklar ist, ob es sich um einzelne Probleme handelt oder ob vielmehr das System als Ganzes nicht ausgereift ist.
Andere Länder machen vor, wie es besser geht
Womöglich wäre es besser gewesen, die Reisezeit stufenweise zu reduzieren, statt aus PR-Gründen in einem großen Knall von mehr als sechs Stunden auf unter vier Stunden. Die Aufnahme der neuen 623 Kilometer langen Nord-Süd-Verbindung ist alles andere als ein Schnellschuss. Seit mehr als 25 Jahren wurde geplant und gebaut, es wurden am Ende zehn Milliarden Euro investiert. Es ist fahrlässig, das alles wegen schlechter Planung aufs Spiel zu setzen. Andere Länder machen vor, wie es besser geht - die Schweiz etwa oder Japan. Dort verkehrt der Schnellzug Shinkansen zwischen den großen Städten im Zehn-Minuten-Takt, in der Regel ohne größere Verspätungen.
Dabei braucht die Deutsche Bahn noch viel mehr als schnelle Strecken, die am besten auch noch funktionieren. Das Staatsunternehmen benötigt vor allem eine Vision, wie die Bahn zu einem zentralen Bestandteil eines umfassenden Mobilitätskonzepts werden kann. Die Kunden wollen überall von A nach B und nicht nur vom Münchner zum Berliner Hauptbahnhof. Dazu kommt die Digitalisierung. Das Kaufen einer Fahrkarte beispielsweise muss viel einfacher werden; beim Busunternehmen Flixbus ist sie mit einigen Klicks auf dem Mobiltelefon gebucht. Der Kunde muss wieder im Mittelpunkt stehen. Nur so kann das Staatsunternehmen langfristig Erfolg haben. Und der ist wichtig, denn die Bahn muss in Deutschlands Verkehrskonzept eine zentrale Rolle spielen.