Das kommt nicht gut an, erst recht nicht in Corona-Zeiten: Die Debeka, Deutschlands größter privater Krankenversicherer (PKV), erhöht die Beiträge zum 1. Januar 2021 im Durchschnitt um stolze 17,6 Prozent. Der satte Schluck aus der Pulle wird für viel Ärger mit Kunden und Verbraucherschützern sorgen und die politische Debatte um die PKV befeuern. SPD und Grüne wollen das System ganz abschaffen und verlangen die Einführung einer Bürgerversicherung für alle. Union und FDP halten am bisherigen dualen System aus gesetzlich und privat fest.
Zurzeit haben rund 8,7 Millionen Menschen eine private Vollversicherung, die große Mehrheit der Bevölkerung ist bei einer gesetzlichen Krankenkasse. Mit 2,45 Millionen Vollversicherten ist die Debeka der mit Abstand größte Anbieter, ihre wichtigste Kundengruppe sind Beamte.
Die PKV-Unternehmen werden die Erhöhung als Beleg dafür nehmen, dass dringend eine Gesetzesänderung nötig ist. Denn das aktuell gültige System führt fast automatisch zu drastischen Sprüngen - eine offene Flanke der PKV.
Die Versicherer sind verpflichtet, regelmäßig zu überprüfen, ob die kalkulierten Beiträge noch ausreichend sind. "Die aktuelle Anpassung ist eine Momentaufnahme", sagte Debeka-Vorstand Roland Weber der SZ. In den vier Jahren zuvor habe das Unternehmen die Beiträge nicht erhöht. Der starke Anstieg sei auf die Kalkulationsgrundlagen zurückzuführen.
Die Versicherer dürfen nur dann anpassen, wenn Leistungsausgaben oder Sterbewahrscheinlichkeit um fünf Prozent oder zehn Prozent von der ursprünglichen Kalkulation abweichen, das ist bei den Gesellschaften unterschiedlich. Wird die Schwelle überschritten, müssen sie die Prämien neu berechnen und dabei alle anderen Faktoren einbeziehen, die sie beeinflussen.
Das sind aktuell vor allem die niedrigen Zinsen. In der PKV sparen die Versicherten in jüngeren, gesünderen Jahren an, damit sie im Alter nicht so hohe Beiträge zahlen müssen. Diese Alterungsrückstellung müssen die Versicherer verzinsen. Sinkt der Zins, steigt der Beitrag, damit im Alter genug zur Verfügung steht.
Dieser Effekt hat bei der aktuellen Erhöhung eine zentrale Rolle gespielt, sagte Weber. Damit sei die Hälfte der Auswirkungen des Niedrigzinses verarbeitet.
Die Branche wirbt bei der Politik bislang vergebens dafür, dass sie auch Veränderungen bei den Zinsen zum Anlass für Anpassungen nehmen darf. Dann würden die Prämien regelmäßiger erhöht, große Sprünge könnten vermieden werden.
Beamte sowie Arbeitnehmer und Selbständige sind bei der Debeka im selben Ausmaß betroffen. Bei Arbeitnehmern und Selbständigen will der Versicherer aber besondere Härten durch die Corona-Pandemie vermeiden. Ihre Prämien liegen deutlich über denen von Beamten, sie spüren Erhöhungen stärker. Deshalb streckt die Debeka die Anpassung über zwei Jahre.
Weber erwartet für die nahe Zukunft keine weiteren bösen Überraschungen. "Wir sind zuversichtlich, dass das nicht passieren wird." Die Leistungsausgaben steigen zurzeit trotz der Pandemie nur langsam. In den ersten neun Monaten gab es lediglich ein Plus von einem Prozent. Er weist darauf hin, dass sich die Beitragserhöhungen trotz großer Sprünge in einzelnen Jahren über die Zeit gesehen in Grenzen halten. Die Debeka hat das Institut für Gesundheits- und Sozialforschung (IGES) die Beitragsentwicklung untersuchen lassen. Danach sind die Beiträge des Versicherers von 2000 bis 2019 im Durchschnitt um 2,8 Prozent pro Jahr gestiegen, in der gesetzlichen Krankenversicherung gab es laut IGES ein Plus von 2,9 Prozent.
Das wird den Ärger vieler Kunden über die Erhöhung aber kaum mildern. Auch die Tatsache, dass die Beiträge in der Pflegeversicherung zum 1. Januar 2021 nicht steigen, ist nur ein schwacher Trost.
Die Debeka kommt in diesem Jahr früh mit der Information über die Beitragsanpassung. Viele Konkurrenten folgen erst in den kommenden Wochen. Weitere negative Überraschungen sind wahrscheinlich.
Der Bund der Versicherten (BdV) hält den Vorschlag der Branche, die Beitragsanpassungen regelmäßiger zu machen, um große Sprünge wie jetzt bei der Debeka zu verhindern, für "Augenwischerei". Die Verbraucherschützer finden die Glättung der Anpassung sogar schlimmer als die gelegentlichen Sprünge. Der Grund: Durch die kontinuierliche Erhöhung zahlten die Versicherten letztendlich mehr. Mit der Maßnahme wollten die Unternehmen nur verschleiern, dass sie nicht richtig kalkulieren können, betont eine Sprecherin. "Die sogenannte Glättung der Prämien in der PKV ist besonders kundenfeindlich."