Dax-Gehälter:Darf's ein bisschen mehr sein?

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Grafik: Lisa Borgenheimer; Quelle: HKP-Group; Fotos: AFP, dpa (Foto: tzz)
  • Die Dax-Chefs haben im vergangenen Jahr so viel verdient wie nie zuvor.
  • Der Top-Verdiener führt allerdings ein Unternehmen, was im MDax enthalten ist, also dem Aktienindex für mittelgroße Unternehmen.

Von Caspar Busse und Harald Freiberger

Thomas Ebeling, 56, hat sein Büro in einem unauffälligen Gebäude im unauffälligen Münchner Vorort Unterföhring. Hier hat früher eine Saftfabrik produziert, Ende der 80er-Jahre kam dann Filmhändler Leo Kirch mit seinem Privatfernsehen. Seitdem residiert da Deutschlands größter TV-Anbieter, die Pro Sieben Sat 1 Media AG - die Geschäfte führt seit 2009 als Vorstandsvorsitzender Thomas Ebeling. Mit ziemlichem Erfolg. Für die Firma. Aber auch für sich persönlich.

Zum Kreis der 30 größten börsennotierten Dax-Unternehmen gehört Ebeling mit seinem Konzern zwar nicht, aber Pro Sieben Sat 1 wird durchaus als Dax-Anwärter gehandelt, wenn im Herbst über eine Neuzusammensetzung beraten wird. Gehaltsmäßig hat der Fernsehmann allerdings schon mal Maßstäbe gesetzt: Genau 27 499 300 Euro hat Ebeling laut Geschäftsbericht 2014 für seine Tätigkeit erhalten - als Chef eines Unternehmens mit nicht einmal drei Milliarden Euro Umsatz. Der Fußballfan und bekennende Anhänger von Hannover 96 war damit im vergangenen Jahr der bestverdienende Unternehmenschef - mit deutlichem Abstand vor VW-Boss Martin Winterkorn oder Dieter Zetsche von Daimler.

Die können sich freilich damit trösten, dass Ebelings Topgehalt nur einmalig ist. 2014 erhielt er ein Festgehalt von einer Million Euro und eine variable Vergütung von weiteren 2,98 Millionen Euro. Dazu kam ein einmaliger Sonderbonus von 23,5 Millionen Euro - eine Art Abschiedsgeschenk der ehemaligen Pro-Sieben-Sat 1-Mehrheitsaktionäre KKR und Permira. Die beiden Finanzinvestoren waren 2006 bei dem Fernsehunternehmen eingestiegen, hatten 2009 Ebeling geholt und sich im vergangenen Jahr schrittweise verabschiedet - mit hohem Gewinn. Dafür zeigten sie sich erkenntlich, mit insgesamt 76,8 Millionen Euro für ausgewählte Mitarbeiter, der Großteil ging an den Vorstand.

Gesamtbezüge um rund zehn Prozent erhöht

Pro Sieben Sat 1 ist ein Sonderfall. Trotzdem: Die Unternehmenschefs der 30 größten Börsenunternehmen konnten 2014 ihr Gehalt steigern - auf ein Rekordniveau. Nach zwei Jahren mit rückläufiger Tendenz seien die Bezüge der Dax-Vorstandsvorsitzenden 2014 in der Summe erstmals wieder gestiegen. Nach der Analyse der auf Personalthemen spezialisierten Unternehmensberatung HKP-Group haben sich die Gesamtbezüge der 31 Dax-Chefs - die Deutsche Bank leistet sich eine Doppelspitze - im vergangenen Jahr um zehn Prozent erhöht. Im Durchschnitt bekommt der Boss eines Dax-Unternehmens nun 5,9 Millionen Euro.

Allerdings sind die Unterschiede ziemlich groß (siehe Grafik). Ganz vorne im Dax-Ranking steht Martin Winterkorn, der Chef von VW, dem mit Abstand größten Industriekonzern in Deutschland; er hat 2014 insgesamt 15,86 Millionen Euro bezogen, sechs Prozent mehr als 2013. Der größte Teil davon sind Boni, das fixe Grundgehalt lag bei 1,62 Millionen Euro. Es folgen Dieter Zetsche (Daimler) und Frank Appel (Deutsche Post), dessen Bezüge um 22 Prozent zugelegt haben. Am Ende des Rankings steht Infineon-Vorstandschef Reinhard Ploss, der auch noch auf zwei Millionen Euro kommt.

Ist der Rekord bei den Gehältern ein Zeichen dafür, dass es die Unternehmen übertreiben? Personalexperten sehen das nicht so. "Die tatsächlich zugeflossene Vergütung entwickelt sich in der Regel im Einklang mit den Unternehmensergebnissen", sagt HKP-Chef Michael Kramarsch. Fest steht: Die 30 Konzerne des Deutschen Aktienindex verdienen derzeit so gut wie selten zuvor. Zusammengerechnet 67,3 Milliarden Euro haben die Unternehmen unter dem Strich erwirtschaftet, das ist fast so viel wie im bisherigen Rekordjahr 2007, also kurz vor dem Ausbruch der Finanzkrise, nach der nichts mehr so war wie vorher. Den Gewinn vor Steuern und Zinsen steigerten die Dax-Konzerne 2014 im Schnitt um 15 Prozent auf 4,2 Milliarden Euro - also um mehr als jene zehn Prozent, um die die Chef-Bezüge stiegen. "Der Anstieg der Gehälter spiegelt die gute Wirtschaftsentwicklung wider", sagt denn auch Helmuth L. Uder von der Personalberatung Towers Watson. Er kann "keine Gehaltsexzesse" erkennen.

Chefs vieler europäischer Unternehmen verdienen mehr

Auch im internationalen Vergleich stehen die deutschen Top-Manager nicht an der Spitze. Die Gehälter von Winterkorn und Zetsche können zwar mit denen ausländischer Chefs mithalten, doch im Durchschnitt liegen die Dax-Bezüge unter jenen vergleichbarer europäischer Unternehmen - und weit entfernt von amerikanischen Verhältnissen. Die Chefs von großen US-Konzernen verdienen im Schnitt mehr als das Doppelte. "Trotzdem sind die deutschen Vorstandsetagen nicht entvölkert", bemerkt HKP-Experte Kramarsch trocken.

Besonders erfreulich lief das Gehaltsjahr 2014 für Commerzbank-Chef Martin Blessing: Er erhielt erstmals einen Bonus, seit er im Jahr 2008 an die Spitze des Instituts kam. Zeitgleich geriet die Bank damals in eine existenzielle Krise und musste mit 18 Milliarden Euro vom Staat gerettet werden. Über Jahre war Blessings Gehalt daraufhin auf 500 000 Euro gedeckelt. Erst seit 2012 erhält er wieder etwas mehr als eine Million Euro Grundgehalt. Nun kommt erstmals auch ein Bonus hinzu, so dass Blessing nach HKP-Rechnung insgesamt 2,06 Millionen Euro erhält. Der Aufsichtsrat hatte das davon abhängig gemacht, dass die Commerzbank mindestens einen dreistelligen Millionen-Gewinn erzielt. Das hat geklappt: Sie kam unterm Strich 2014 auf einen Gewinn von 264 Millionen Euro. "Irgendwann würde ich dann auch mal sagen, es ist wieder ein gewisses Maß an Normalität eingetreten", kommentierte Blessing im Februar seine Rückkehr in die Gilde der Bonus-Banker.

Die Commerzbank will sich übrigens auf der Hauptversammlung im Mai von den Aktionären genehmigen lassen, dass die Chefs künftig einen noch höheren Bonus bekommen können. Er soll maximal das Doppelte des Grundgehalts ausmachen können. Hintergrund ist eine Regel der EU, wonach der Bonus das Festgehalt nicht übersteigen darf; sie wurde eingeführt, um Exzesse wie vor der Finanzkrise zu vermeiden. Dafür ist aber die Zustimmung der Aktionäre erforderlich.

Die Deutsche Bank hat das schon im Vorjahr gemacht. Die Folge war, dass die Fixgehälter der beiden Chefs Anshu Jain und Jürgen Fitschen 2014 deutlich stiegen - von 2,3 auf 3,8 Millionen Euro. "Wäre das Bonus-Limit nicht verdoppelt worden, hätte das Fixgehalt sogar auf 5,4 Millionen Euro angehoben werden müssen", rechnet Expert Kramarsch vor. Es sei rechtlich nicht möglich, den Chefs weniger zu zahlen, als ihnen im Vertrag zugesichert ist. Er findet die EU-Regelung denn auch nicht optimal. Inklusive Boni und anderer Bezüge kam Jain 2014 auf 6,21 Millionen Euro, bei Fitschen waren es 4,99 Millionen Euro. Die Unterschiede kommen vor allem daher, dass Ex-Investmentbanker Jain noch Boni aus früheren Jahren erhielt.

Für HKP stellt das Jahr 2014 "eine Zeitenwende" dar, was die Transparenz der Dax-Vorstandsgehälter betrifft. Erstmals hätten fast alle Konzerne die Vergütungen nach den Vorgaben des deutschen Corporate-Governance-Kodex offenbart; Ausnahmen sind nur BMW und Merck. Dadurch seien die Gesamtbezüge nun transparenter geworden; sie schließen auch Zielvergütungen, Maximalvergütungen, die konkreten Vergütungszuflüsse sowie die Altersversorgung ein. Bisher ist laut HKP ein großer Teil der Gesamtbezüge nicht ausgewiesen worden und musste umständlich zusammengesucht werden.

Vorgaben werden strenger, dadurch entsteht mehr Transparenz

Ohnehin kommen viele Komponenten zusammen: Die Vorstandsvorsitzenden erhalten ein fixes Grundgehalt, dazu unter anderem Boni, also Zuschläge, die an die Erreichung bestimmter Ziele geknüpft sind, dazu können neben dem Gewinn die Rendite oder die Entwicklung des Aktienkurses zählen, manchmal gar der Grad der Zufriedenheit der Mitarbeiter. Dabei wird nach einjährigen variablen und mehrjährigen variablen Vergütungen unterschieden. Viele Konzernchefs erreichen gar nicht das Maximum ihres möglichen Gehalts, weil sie die Ziele nicht zu hundert Prozent erreichen. Manche Konzerne, wie beispielsweise Volkswagen, haben die Gehälter auch gedeckelt, das heißt: Irgendwann ist Schluss.

Interessante Details gibt es aber einige: So konnte Adidas-Chef Herbert Hainer seine Bezüge 2014 deutlich erhöhen, obwohl das Geschäft gar nicht gut lief und er ganz schön unter Druck geraten ist. Einen deutlichen Aufschlag hat auch Conti-Chef Elmar Degenhart bekommen. Einen Abschlag musste Johannes Teyssen, Chef des kriselnden Energiekonzerns Eon hinnehmen.

Ein gutes Pflaster ist aber offenbar Unterföhring. Denn dort, gleich um die Ecke von Großverdiener Ebeling, hat Brian Sullivan sein Büro. Auch er ist im Fernsehgeschäft und führt den Bezahlsender Sky Deutschland. Dem Amerikaner wurden 6,87 Millionen Euro für 2014 ausgezahlt, mehr als der Dax-Durchschnitt.

© SZ vom 26.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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